Leitsatz (amtlich)

Der VI. Senat des BFH hält an der im Urteil VI 13/64 S vom 29. Juni 1965 (BFH 82, 678, BStBl III 1965, 491) vertretenen Auffassung, daß der Streit um das Konkursvorrecht einer Steuerforderung nach § 61 Nr. 2 KO vor den ordentlichen Gerichten auszutragen ist, nicht mehr fest.

 

Normenkette

AO § 226a; KO § 61 Nr. 2; RsprEinhG vom 19. Juni 1968 (BGBl I 1968, 661) § 2; RsprEinhG vom 19. Juni 1968 (BGBl I 1968, 661) § 11

 

Gründe

Aus den Gründen:

Der III. Senat des BGH hat durch den Beschluß III ZR 213/70 vom 29. Mai 1972 den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes gemäß §§ 2, 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung vom 19. Juni 1968 - RsprEinhG - (BGBl I 1968, 661) zur Entscheidung über folgende Frage angerufen:

"Ist der Streit über das Konkursvorrecht von Steuerforderungen (§ 61 Nr. 2 KO) von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden?"

In einem bei dem III. Senat des BGH anhängigen Rechtsstreit beansprucht der Kläger, das Land A, für Säumniszuschläge zur Einkommensteuer, Lohnsteuer, Umsatzsteuer sowie zur Ergänzungsabgabe das Konkursvorrecht nach § 61 Nr. 2 KO, das vom Konkursverwalter bestritten wird. Der III. Senat des BGH ist der Auffassung, daß er für diese Entscheidung nicht zuständig ist, da für sie der Zivilrechtsweg nicht eröffnet sei. An der bisher von ihm vertretenen gegenteiligen Auffassung (z. B. im Urteil III ZR 237/57 vom 23. Februar 1959, NJW 1959, 987) will er nicht mehr festhalten. Er sieht sich jedoch an der beabsichtigten Entscheidung gehindert, weil der VI. Senat des BFH im Urteil VI 13/64 S vom 29. Juni 1965 (BFH 82, 678, BStBl III 1965, 491) entschieden hat, daß der Streit um das Konkursvorrecht einer Steuerforderung vor den ordentlichen Gerichten auszutragen sei.

Wie in den Gründen des Urteils VI 13/64 S ausgeführt wurde, haben sowohl das RG und der BGH als auch der RFH und der BFH sich wiederholt mit der Frage der Zuständigkeit für die Feststellung des Konkursvorrechts von Steuerforderungen beschäftigen müssen. Sie sind dabei wiederholt zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Der VI. Senat wollte in seinem Urteil VI 13/64 S die Rechtsunsicherheit beseitigen, die insbesondere durch die sich widersprechenden Entscheidungen des BFH IV 71/57 U vom 6. März 1958 (BFH 66, 527, BStBl III 1958, 201) und des BGH III ZR 237/57 vom 23. Februar 1959 (a. a. O.) entstanden war, da damals keine gesetzliche Regelung der Zuständigkeitsfrage zu erwarten und auch keine Instanz zur Beilegung des Kollisionsfalles vorhanden war. Der VI. Senat hat bisher an seiner Entscheidung VI 13/64 S vom 29. Juni 1965 (a. a. O.) festgehalten.

Inzwischen ist nun durch die FGO in die AO § 226a eingefügt worden, durch den gesetzlich festgelegt wurde, daß die FÄ bei der Geltendmachung von Steuerforderungen im Konkursverfahren erforderlichenfalls das Bestehen der Steuerforderung und den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit durch einen schriftlichen Bescheid verbindlich festzustellen haben. Damit ist auch die Zuständigkeit der Steuergerichte für die Feststellung der für das Konkursvorrecht von Steuerforderungen wesentlichen Merkmale gesetzlich festgelegt worden. Der VI. Senat sieht nach erneuter Prüfung der Rechtsfrage ebenso wie der III. Senat des BGH im Anrufungsbeschluß an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes das Konkursvorrecht einer Steuerforderung als eine dieser innewohnende Eigenschaft an, was zur Folge hat, daß die Feststellung des Konkursvorrechts nicht von der Feststellung der Steuerforderung getrennt werden kann. Damit ist der VI. Senat des BFH in Übereinstimmung mit dem IV. Senat des BFH im Urteil IV 71/57 U (a. a. O.) der Auffassung, daß die Steuergerichte und nicht die ordentlichen Gerichte zur Feststellung des Konkursvorrechts von Steuerforderungen zuständig sind. Diese Beurteilung entspricht im übrigen auch der wesensverwandten Frage des Konkursvorrechts von Beiträgen zur Sozialversicherung, für die der BGH und das Bundessozialgericht übereinstimmend der Auffassung sind, daß hierfür nicht die ordentlichen Gerichte, sondern die Sozialgerichte zuständig sind.

Daß es sich bei dem vom III. Senat des BGH zu entscheidenden Rechtsstreit um das Konkursvorrecht von Steuersäumniszuschlägen handelt, ist für das Verfahren bei dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes ohne Bedeutung; denn Steuersäumniszuschläge hängen jedenfalls so eng mit Steuern zusammen, daß hinsichtlich der Zuständigkeit zur Entscheidung über ihr Konkursvorrecht kein anderer Gerichtszweig zuständig sein kann als der, der für die Entscheidung über das Konkursvorrecht von Steuerforderungen zuständig ist.

Der VI. Senat des BFH hat daher nunmehr auf Grund der Entwicklung des Rechts beschlossen, an der im Urteil VI 13/64 S vertretenen Rechtsauffassung nicht mehr festzuhalten.

 

Fundstellen

BStBl II 1972, 737

BFHE 1972, 186

NJW 1973, 295

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