Leitsatz (amtlich)

1. Die beim Eintritt einer Kapitalgesellschaft als Komplementärin in eine bereits vorhandene Kommanditgesellschaft entstandene Gesellschaftsteuer (BFHE 98, 369; 100, 472) war aus dem Wert der Kommanditanteile zu errechnen (BFHE 103, 447).

2. Spätestens dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gegenüber muß das Finanzamt vortragen, auf welchen Tatsachen die Höhe der von ihm festgesetzten Steuer beruht, und diese Tatsachen – sofern sie andernfalls ernstlich zweifelhaft wären – glaubhaft machen. Sind diese Tatsachen im Rahmen des Aussetzungsverfahrens nicht aufklärbar, genügt es zur Begründung ernstlicher Zweifel und damit zur Aussetzung der Vollziehung, daß die bisher bekannten Tatsachen die vom Steuerpflichtigen behauptete Rechtsfolge als ernstlich möglich erscheinen lassen (BFHE 92, 326).

 

Normenkette

KVStG 1934/1959 § 2 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 8 Nr. 1 Buchst. c, § 10 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2; ZPO § 294

 

Gründe

Gründe

Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist aufgrund Vertrags vom 4. Januar 1963 mit Wirkung vom 1. Januar 1963 als persönlich haftende Gesellschafterin in eine bereits seit längerer Zeit bestehende Kommanditgesellschaft eingetreten. Zugleich wurde deren bisherige Komplementärin zur Kommanditistin. Das Finanzamt hat gegen die Klägerin zunächst … DM Gesellschaftsteuer festgesetzt, diesen Betrag aber in der Einspruchsentscheidung auf … DM aus einer Besteuerungsgrundlage von … DM herabgesetzt. Dem liegt folgende Berechnung zugrunde:

„Der durchschnittliche Jahresgewinn der Vorjahre 1958 bis 1962

beträgt

ca. … DM

bei 10 % Verzinsung

… DM

(Anm.: 10facher Betrag)

./.

Substanzwert

… DM

… DM

./.

50 %

… DM

Geschäftswert

… DM

+ Substanzwert

… DM

… DM

88,5 %

… DM

Abgerundet

… DM

= Wert der Gesellschaftsrechte

davon 2,5 v. H. =… DM.”

Nach eingereichter Klage hat der Senatsvorsitzende des Finanzgerichts antragsgemäß die Vollziehung in Höhe von … DM ausgesetzt. Er hält für ernstlich zweifelhaft, ob Steuermaßstab der gemäß § 2 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1934/1959 entstandenen Steuer dem § 8 Nr. 1 Buchst. c KVStG 1934/1959 zu entnehmen sei und nicht vielmehr dem § 8 Nr. 1 Buchst. a oder b KVStG 1934/1959. Im gegebenen Fall hielt er es für „angebracht, auf die Leistungen der Kommanditisten bei Gründung der Kommanditgesellschaft abzustellen”, die „in Geld erbracht worden” waren, und hat deshalb den Steuermaßstab § 8 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1934/1959 entnommen (EFG 1972, 88).

Die Beschwerde des Beklagten ist im Ergebnis unbegründet.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 128 Abs. 1 FGO); der angefochtene Beschluß (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 FGO) und die Entscheidung, der Beschwerde nicht abzuhelfen (§ 130 Abs. 1 FGO), konnten durch den Vorsitzenden erlassen werden. § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO steht nicht entgegen.

Die Steuerpflicht der Klägerin folgt dem Grunde nach aus § 2 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 10 Abs. 1 KVStG 1934/1959 (Urteile des Bundesfinanzhofs II 196/65 vom 11. November 1969, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 98 S. 369 – BFHE 98, 369 –, BStBl II 1970, 335; II R 22/70 vom 16. Juni 1970, BFHE 99, 423, BStBl II 1970, 668; II R 21/70 vom 10. November 1970, BFHE 100, 472, BStBl II 1971, 105). Die in dem angefochtenen Beschluß gegen den Steuermaßstab des § 8 Nr. 1 Buchst. c KVStG 1934/1959 erhobenen Bedenken teilt der Bundesfinanzhof nicht (Urteil des Bundesfinanzhofs II R 27/71 vom 8. Oktober 1971, BFHE 103, 447, BStBl II 1972, 61). Zwar erfordern § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 8 Nr. 1 KVStG 1934/1959 bei der Gründung einer Kommanditgesellschaft mit einer Kapitalgesellschaft als persönlich haftenden Gesellschafterin das, was die Kommanditisten nicht der Kapitalgesellschaft, sondern der Kommanditgesellschaft als Gegenleistung für den ersten Erwerb von Gesellschaftsrechten an der Kapitalgesellschaft zu behandeln. Ersichtlich können aber die Kommanditisten, deren Kommanditanteile beim nachträglichen Eintritt einer Kapitalgesellschaft unverändert bleiben, für einen nur gesellschaftsteuerrechtlich unterstellten (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1934/1959), handelsrechtlich aber nicht gegebenen Erwerb von Gesellschaftsrechten keine Gegenleistung erbracht haben. Auch der bisherige persönlich haftende Gesellschafter, der zu diesem Zeitpunkt zum Kommanditisten mit gleichem Vermögensanteil wird, erbringt dabei keine neue Gegenleistung. Die Besteuerung folgt somit dem Wert der Kommanditanteile (§ 8 Nr. 1 Buchst. c, § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1934/1959).

Auch deren Wert ist umstritten. Die Klägerin hat im Verfahren zur Hauptsache einen Wert von … DM behauptet; demzufolge verficht sie die Klage mit dem Antrag, die Steuer auf … DM festzusetzen. Der Beklagte hat einen höheren Wert der Kommanditanteile nicht glaubhaft gemacht. Seine Beschwerde muß daher erfolglos bleiben.

Der Grundsatz, daß das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen hat (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), gilt für das Beschlußverfahren der Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 Satz 1 FGO) nur eingeschränkt. Die Frage, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Steuerbescheids bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO), ist aufgrund des vorliegenden Prozeßstoffs zu entscheiden (Beschluß des Bundesfinanzhofs II B 17/68 vom 23. Juli 1968, BFHE 92, 440, BStBl II 1968, 589); es obliegt den Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen glaubhaft zu machen (vgl. § 294 ZPO). Sind die für die Entscheidung der Hauptsache erheblichen Tatsachen im Rahmen dieses Verfahrens nicht aufklärbar, genügt es zur Begründung ernstlicher Zweifel (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO) und damit zur Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 Satz 1 FGO), daß die bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen die vom Steuerpflichtigen behauptete Rechtsfolge als ernstlich möglich erscheinen lassen (Beschluß des Bundesfinanzhofs I S 4/68 vom 19. Juni 1968, BFHE 92, 326, BStBl II 1968, 540); entsprechendes gilt für den glaubhaft zu machenden Sachverhalt bei Fehlen oder Nichtausreichen tatsächlicher Feststellungen.

Es ist in diesem Verfahren nicht Aufgabe des Gerichts, vom Finanzamt unterlassene Ermittlungen nachzuholen. Das Finanzamt kann nicht voraussetzen, daß das Gericht alle – auch nicht aktenkundige – Tatsachen kennt, die ihm bekannt sind oder bekannt zu sein scheinen, wobei andernfalls dem Gericht angesonnen würde, solche Tatsachen seinerseits erst im schriftlichen Beschlußverfahren aktenkundig zu machen, damit der Antragsteller sich zu diesen äußern kann (§ 96 Abs. 2 FGO). Bestreitet der Steuerpflichtige – zumal mit substantiierten Behauptungen – Tatsachen, welche für die Bewertung erheblich sind (hier entsprechend dem von beiden Beteiligten zugrunde gelegten Urteil des Bundesfinanzhofs II 95–96/64 vom 16. Juni 1970, BFHE 99, 413 [421 ff.], BStBl II 1970, 690), so muß das Finanzamt spätestens in diesem Zeitpunkt vortragen, auf welchen Tatsachen die Höhe der von ihm festgesetzten Steuer beruht; es muß diese Tatsachen, sofern sie andernfalls ernstlich zweifelhaft wären, glaubhaft machen.

Das ist hier nicht geschehen. Der Beklagte beschränkt sich im wesentlichen darauf, die von ihm in der Einspruchsentscheidung angewendete Berechnungsmethode zu verteidigen. Derartige Berechnungsmethoden – soweit sie nicht im Bewertungsgesetz ihren Niederschlag gefunden haben – sind indessen kein Gesetz (BFHE 99, 421); aus ihnen können keine deduktiven Schlüsse gezogen werden. Vielmehr sind zunächst die Tatsachen zu ermitteln, auf welche sich die Bewertung bezieht, und erst aus einem Vergleich dieser Tatsachen mit den Grundlagen der mehreren möglichen Berechnungsmethoden kann auf die Richtigkeit der einen oder anderen geschlossen werden.

Demzufolge ist es ernstlich zweifelhaft (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2, § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO), ob es die tatsächlichen Umstände des vorliegenden Falles rechtfertigen, bei der Bewertung des Betriebes der Kommanditgesellschaft im ganzen (BFHE 99, 420) – als Grundlage für die Bewertung der Anteile (§ 3 BewG) der Kommanditisten (§ 8 Nr. 1 Buchst. c, § 6 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 KVStG 1934/1959) – davon auszugehen, daß die bisherigen hohen Erträge einen über den Substanzwert hinausgehenden Betriebswert (oder in der Diktion des Finanzamts: einen Geschäftswert) erzeugt haben. Zwar wird ein Geschäftswert – als der Mehrwert, der einem Unternehmen über den Wert seiner Wirtschaftsgüter abzüglich seiner Schulden und Lasten innewohnt (Urteil des Bundesfinanzhofs I 77/64 vom 18. Januar 1967, BFHE 88, 198 [200], BStBl III 1967, 334) – nicht schon dadurch ausgeräumt, daß ein bestimmter Kaufinteressent nicht mehr bieten oder ein potentieller Mitgesellschafter nicht mehr ansetzen wollte als den Wert der Substanz; die Gründe dafür können taktischer Art gewesen sein oder in seiner Person gelegen haben. Auch hängt es ganz von den Verhältnissen des Einzelfalles ab, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, daß sich die Geschäftsbeziehungen der Kommanditgesellschaft im wesentlichen auf zwei Kunden beschränken. Das ändert aber nichts daran, daß die Feststellungslast für das Vorliegen eines Geschäftswerts nicht bei der Klägerin, sondern beim Beklagten liegt (BFHE 99, 421).

Über die einschlägigen tatsächlichen Verhältnisse hat der Beklagte außer den Zahlen der Substanzwerte (Vermögenswerte, Handelsbilanzwerte oder Steuerbilanzwerte?) und der Jahresgewinne und einigen nicht nachprüfbaren Vermutungen nichts vorgetragen. Die einzige Andeutung über den Gegenstand des von der Kommanditgesellschaft betriebenen Geschäfts stammt von der Klägerin. Zahl, Art und Wert der hergestellten Güter, das Betriebsvolumen, die Zahl der Beschäftigten und die Art ihrer Beschäftigung, das Verhältnis des Anlagevermögens zum Umlaufvermögen und Art und Größe der einzelnen Posten sind unbekannt mit Ausnahme dessen, daß die Kommanditgesellschaft kein Grundvermögen hat; ebenso ist nicht ersichtlich, weshalb 95 % (so die Klägerin) der Erzeugnisse der Kommanditgesellschaft nur an zwei Abnehmer gehen, welche Rahmenvereinbarungen mit diesen getroffen sind, und ob und inwieweit diese Abnehmer auf die Erzeugnisse der Kommanditgesellschaft angewiesen sind oder nicht. Ebenso ist unklar, wie die Gesellschafter zuvor tätig waren, ob ihnen besondere einschlägige Erfahrungen zur Verfügung standen, ob sie besondere persönliche Beziehungen zu den zwei Hauptabnehmern hatten (oder wodurch das Unternehmen sonst gesichert war), und ob bei Verlust dieser Geschäftsverbindungen der Kommanditgesellschaft der freie Markt oder ein bestimmter Kreis anderer Abnehmer offenstünde.

Bei dieser Vielzahl offener Fragen muß es ernstlich zweifelhaft erscheinen, ob und gegebenenfalls inwieweit allein aus den Gewinnen der Kommanditgesellschaft auf einen den Substanzwert des Unternehmens übersteigenden Gesamtwert – und damit auf einen Geschäftswert – geschlossen werden kann. Ob umgekehrt das günstige Verhältnis zwischen Substanzwert und Betriebsgewinnen der Kommanditgesellschaft durch das Vorbringen der Klägerin befriedigend erklärt wird, ist für dieses Verfahren unerheblich.

Der angefochtene Beschluß ist folglich, da die tatsächliche Grundlage des angesetzten Substanzwertes ebenfalls nicht zu ersehen ist, im Ergebnis richtig. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts ist daher, wenn man die in diesem Verfahren verwertbaren Tatsachen zugrunde legt, im Umfang der vom Finanzgericht verfügten Aussetzung ernstlich zweifelhaft.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514545

BFHE 1974, 74

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