Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf AdV beim Bundesfinanzhof; Erledigung der Hauptsache

 

Leitsatz (NV)

1. Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so ist über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden.

2. Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen eines AdV-Antrages an den Bundesfinanzhof.

 

Normenkette

FGO §§ 69, 138; VGFGEntlG Art. 3 § 7 Abs. 1

 

Tatbestand

Aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung erließ der Beklagte, Revisionsbeklagte und Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) gegen die Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Kläger) im Wege der Zusammenveranlagung berichtigte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1968 bis 1970 vom 18. November 1975.

In dem gegen diese Bescheide gerichteten Klageverfahren beantragten die Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift des Finanzgerichts (FG) vom 21. April 1983, ,,die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1968 bis 1970 um die strittigen Zuschätzungen (25 000 DM; 48 000 DM; 50 000 DM) zu ermäßigen". Die Klage hatte in diesem Umfang Erfolg. Das FG setzte die Einkommensteuer unter Abzug dieser ,,Zuschätzungen" für 1968 auf 0 DM, für 1969 auf 14 354 DM und für 1970 auf 17 058 DM herab.

Gegen das Urteil des FG legten die Kläger Revision ein, über die noch nicht entschieden ist (Az. I R 296/83); sie beantragten, die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1968 bis 1970 aufzuheben. Gleichzeitig wurde beantragt, ,,bis zur Entscheidung die Einkommensteuernachzahlungen 1968 bis 1970, welche sich aufgrund der angefochtenen Bescheide ergeben, von der Vollziehung auszusetzen".

Nach Kenntnis des beim Bundesfinanzhof (BFH) gestellten Antrags bewilligte das FA die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1969 und 1970 im beantragten Umfang bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Revision der Kläger.

Das FA erklärte das Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung (Einkommensteuer 1968 bis 1970) für erledigt und beantragte, die Kosten des Verfahrens den Klägern aufzuerlegen. Diese hätten keine Veranlassung gehabt, den Antrag unmittelbar beim Gericht zu stellen, zumal das FA bereits während des finanzgerichtlichen Verfahrens die Aussetzung der Vollziehung ausgesprochen habe.

Die Kläger erklärten die Hauptsache ebenfalls für erledigt und beantragten, die Kosten des Verfahrens ,,gegeneinander aufzuheben" bzw. ,,untereinander aufzuteilen".

 

Entscheidungsgründe

1. Das von den Klägern beim BFH anhängig gemachte Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1968 bis 1970 ist in der Hauptsache erledigt. Infolge der übereinstimmenden Erledigungserklärungen ist der BFH nicht mehr befugt, über den bei ihm gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu entscheiden. Ihm obliegt nur noch, gemäß § 138 FGO über die Kosten des beendigten Verfahrens zu befinden. Das gilt auch dann, wenn eine Klage oder ein bei Gericht gestellter Antrag von vorneherein unzulässig war (vgl. BFH-Beschluß vom 8. August 1974 IV R 131/73, BFHE 113, 175, BStBl II 1974, 749). In Übereinstimmung mit dieser Entscheidung ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß über die Kosten des Verfahrens gemäß § 138 Abs. 1 FGO - nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes - zu entscheiden ist.

2. Im Streitfall entspricht es billigem Ermessen, den Klägern die Kosten des Verfahrens nach § 138 Abs. 1 FGO aufzuerlegen. Denn der Antrag der Kläger hätte abgelehnt werden müssen; er war aus mehreren Gründen unzulässig.

a) Für den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Prozeßgericht fehlte es an der Zugangsvoraussetzung des Art. 3 § 7 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 - VGFGEntlG - (BGBl I 446, BStBl I, 174) i. d. F. des Gesetzes vom 4. Juli 1985 - BGBl I, 1274, BStBl I, 496 - (vgl. BFH-Beschluß vom 11. Oktober 1979 IV B 61/79, BFHE 129, 8, BStBl II 1980, 49). Nach Art. 3 § 7 Satz 1 VGFGEntlG ist ein Antrag an das Gericht auf Aussetzung der Vollziehung nur zulässig, wenn die Finanzbehörde einen Antrag nach § 69 Abs. 2 FGO ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Dies ist im Streitfall nicht geschehen.

Die Kläger hätten sich gemäß Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 2 VGFGEntlG in zulässiger Weise nur dann unmittelbar an den BFH als dem Gericht der Hauptsache wenden können, wenn die Finanzbehörde zu erkennen gegeben hätte, daß sie die Vollziehung nicht aussetzen werde (Nr. 1), sie nicht in angemessener Frist entschieden hätte (Nr. 2), eine Vollstreckung gedroht hätte (Nr. 3) oder ihnen ein vorheriger Antrag an die Finanzbehörde nicht zuzumuten gewesen wäre (Nr. 4). Die Kläger haben zwar behauptet, aufgrund ihrer ,,bisherigen Erfahrungen" hätten sie davon ausgehen müssen, daß das FA ,,ein Aussetzungsbegehren nach § 69 Abs. 2 FGO abschlägig bescheiden würde". Dies hätte aber einer substantiierten Darlegung bedurft, zumal das FA unwidersprochen vorgetragen hat, daß es für das finanzgerichtliche Verfahren die Aussetzung der Vollziehung gewährt habe.

b) Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung war auch deshalb nicht statthaft, weil das FG im Hauptverfahren dem Klageantrag in vollem Umfang stattgegeben hat und das Urteil vom FA nicht angefochten worden ist (vgl. BFH-Beschluß vom 2. Oktober 1968 IV S 2/67, BFHE 93, 412, BStBl II 1968, 825).

Die Kläger sind durch das Urteil des FG nicht beschwert (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 118 Anm. 3). Für das Streitjahr 1968 folgt dies bereits daraus, daß die Einkommensteuer 1968 auf 0 DM herabgesetzt wurde. Im übrigen wurde für alle Streitjahre dem Klageantrag entsprochen. Soweit die Kläger mit ihrem Revisionsbegehren über den Klageantrag hinausgehen, liegt eine im Revisionsverfahren unzulässige Klageerweiterung vor (§ 123 FGO; vgl. BFH-Urteil vom 4. April 1974 IV R 7/71, BFHE 112, 331, BStBl II 1974, 522).

 

Fundstellen

Haufe-Index 423367

BFH/NV 1987, 457

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