Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine stillschweigende Vorabentscheidung über die Zulässigkeit einer Klage; Divergenz; Verfahrensrügen

 

Leitsatz (NV)

1. Der Frage, ob allein durch jahrelanges Nichtbeanstanden der Schriftform einer Klage und einer ausschließlich auf die Begründetheit der Klage abgestellten Verhandlungsführung die Klage stillschweigend als zulässig zu behandeln ist, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Abgesehen von der Vorabentscheidung über die Zulässigkeit einer Klage durch ein Zwischenurteil findet keine Zulassung bzw. Annahme der Klage im finanzgerichtlichen Verfahren statt.

2. Keine Verfahrensrügen werden mit der Beanstandung erhoben, es dürfe nach 5 1/2jähriger Verfahrensdauer nicht zu Lasten des Klägers gehen, wenn ein FG den Briefumschlag, mit dem die Klageschrift übermittelt worden war, nicht zu den Akten genommen habe und dadurch die in der Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 1.12. 1989 VI R 57/86, BFH/NV 1990, 586 m.w.N.) ermöglichte Wahrung der Schriftform trotz fehlender Unterschrift vereitelt werde.

 

Normenkette

FGO §§ 97, 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, Abs. 3 S. 3

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Die Beschwerde legt keine im allgemeinen Interesse klärungsbedürftige Rechtsfrage hinreichend substantiiert dar (§ 115 Abs. 2, Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -; Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. April 1993 III B 88/91, BFH/NV 1994, 44, ständige Rechtsprechung).

Eine Vorabentscheidung über die Zulässigkeit der Klage oder ein von der Beschwerde behauptetes Annahmeverfahren findet, abgesehen von dem Sonderfall eines ausdrücklich nach § 97 FGO ergangenen Zwischenurteils, im finanzgerichtlichen Verfahren nicht statt. Vielmehr wird über die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage erst im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung befunden (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 1990 I R 118/88, BFHE 162, 534, BStBl II 1991, 242, 243), und zwar unabhängig davon, ob es sich bei einem bestimmten Merkmal um eine sog. Zugangsvoraussetzung handelt, die zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens nicht mehr nachgeholt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 17. Mai 1985 III R 213/82, BFHE 143, 509, BStBl II 1985, 521, 522).

2. Selbst wenn man die unter Bezugnahme auf das Urteil des BFH vom 3. Oktober 1986 III R 207/81 (BFHE 148, 205, BStBl II 1987, 131) vorgenommene rechtliche Würdigung der Beschwerde als Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ansieht, so fehlt es bereits an der in ständiger Rechtsprechung geforderten Gegenüberstellung zweier abstrakter Rechtssätze (vgl. BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479).

Darüber hinaus liegt eine Divergenz nicht vor, wenn das Finanzgericht (FG) erkennbar von der Rechtsauffassung des BFH ausgegangen ist, diese aber möglicherweise fehlerhaft auf die Besonderheiten des Streitfalles angewendet hat.

3. Ebensowenig bezeichnet die Beschwerde einen Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Satz 3 FGO).

Soweit die Beschwerde mit ihrer Beanstandung, es dürfe nach fünfeinhalbjähriger Verfahrensdauer nicht zu Lasten der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gehen, wenn das FG den Briefumschlag, mit dem die Klageschrift übersandt worden sei, nicht vollständig zu den Akten genommen habe, eine Minderung des Beweismaßes oder sogar eine Umkehr der grundsätzlich die Klägerin treffenden Beweislast (vgl. BFH-Beschluß vom 18. Januar 1993 X B 14/92, BFH/NV 1993, 667, 668) geltend machen will, so sind beide Fragen revisionsrechtlich nicht dem Verfahrensrecht zuzuordnen (vgl. BFH-Beschluß vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671, 672; BFH-Urteil vom 5. November 1970 V R 71/67, BFHE 101, 156, BStBl II 1971, 220, 224).

Ebenso sind die weiteren Beanstandungen der Beweiswürdigung durch das FG dem materiellen Recht zuzuordnen, dessen Verletzung nicht mit einer Verfahrensrüge geltend gemacht werden kann (BFH-Beschluß vom 14. Februar 1989 V B 72/87, BFH/NV 1990, 108, 110).

 

Fundstellen

Haufe-Index 424488

BFH/NV 1994, 805

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