Entscheidungsstichwort (Thema)

Weitere Beschwerde durch einen „Belastingadviseur“

 

Leitsatz (NV)

  1. Eine außerordentliche Beschwerde und eine außerordentliche Gegenvorstellung können als einheitlicher Rechtsbehelf behandelt werden, wenn sie von einer nicht postulationsfähigen Person eingelegt werden.
  2. Eine in den Niederlanden als "Belastingadviseur" zugelassene Person ist nicht befugt, ohne einen dazu nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG berechtigten Vertreter vor dem BFH aufzutreten. Die gemeinschaftsrechtliche Dienstleistungsfreiheit steht dem nicht entgegen.
 

Normenkette

BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; StBerG § 43; EG Art. 49 (früher Art. 59 EGVtr)

 

Tatbestand

1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) bezeichnet sich als Betriebswirt und "Belastingadviseur". Seine von ihm selbst eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts wegen Umsatzsteuer 1993 bis 1995 verwarf der Senat durch den Beschluß vom 9. August 1999 als unzulässig.

Mit einem Schreiben vom 14. September 1999 legte der Kläger ―wiederum ohne Vertreter― "weitere Beschwerde" gegen die vorbezeichnete Entscheidung ein. Dem Sinne nach führt er aus, der Bundesfinanzhof (BFH) hätte ihn auf Grund von Gemeinschaftsrecht als postulationsfähig zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde ansehen müssen.

Er begehrt die Aufhebung des Senatsbeschlusses vom 9. August 1999 und Vorlage der Sache an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH).

 

Entscheidungsgründe

2. Gegen den Beschluß des Senats vom 9. August 1999 ist kein Rechtsmittel gegeben. Ein Beschluß, mit dem eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision verworfen wird, ist materiell rechtskräftig geworden und daher weder abänderbar noch aufhebbar (BFH-Beschluß vom 1. August 1996 XI S 35-42/96, BFH/NV 1997, 132, m.w.N.). Da auch eine Gegenvorstellung gegen einen materiell rechtskräftig gewordenen Beschluß über eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft ist (vgl. BFH-Beschluß vom 6. Mai 1999 XI S 2/99, BFH/NV 1999, 1368), beurteilt der Senat das Schreiben des Klägers als einheitlichen Rechtsbehelf (außerordentliche Beschwerde bzw. außerordentliche Gegenvorstellung; vgl. auch BFH-Beschluß vom 9. Dezember 1997 VII B 223/97, BFH/NV 1998, 714), mit dem ausnahmsweise eine Prüfung statthaft ist, ob durch die angegriffene Entscheidung das rechtliche Gehör des Klägers verletzt worden ist, ob gegen das Gebot des gesetzlichen Richters verstoßen wurde oder ob sie jeglicher gesetzlicher Grundlage entbehrt.

a) Ein derartiger außerordentlicher Rechtsbehelf ist aber nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer die Befähigung hat, selbst vor dem BFH aufzutreten, oder wenn er sich vor dem BFH durch einen Angehörigen der in Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) bezeichneten Personen vertreten läßt. Da der Kläger nicht zu den vor dem BFH vertretungsberechtigten Personen gehört und er sich auch nicht durch eine solche hat vertreten lassen, ist sein Rechtsbehelf unzulässig. Der Vertretungszwang vor dem BFH gilt auch für außerordentliche Beschwerden (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 BFHEntlG; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 62 Rz. 86) und für außerordentliche Gegenvorstellungen (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 13. Januar 1997 IX S 6/96, BFH/NV 1997, 305, m.w.N.).

b) Im übrigen ist der Kläger, selbst wenn er in den Niederlanden als "Belastingadviseur" registriert worden sein sollte, damit in Deutschland nicht zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugt (vgl. auch Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 25. März 1999 6 U 200/98, Neue Wirtschafts-Briefe 37/1999, Fach 1, 284). Dazu ist u.a. ein Steuerberater berechtigt, der diese Berufsbezeichnung aber nur führen darf, wenn er dafür die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt (§ 43 Abs. 4 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes) und zum Steuerberater bestellt worden ist (vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 19. März 1998, BStBl I 1998, 361).

c) Die gemeinschaftsrechtliche Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 ff. ―früher Art. 59 ff.― des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ―EGV―) befugt denjenigen nicht, der berechtigt ist, in einem anderen Mitgliedstaat auf dem Gebiet des Steuerrechts tätig zu werden, vor einem innerstaatlichen Gericht mit Vertretungszwang wirksam Prozeßhandlungen vorzunehmen. Vielmehr muß er dafür im Einvernehmen mit einer bei dem angerufenen Gericht zugelassenen Person tätig werden (vgl. Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 77, 36; EuGH-Urteile vom 25. Februar 1988 Rs. 427/85 - Kommission ./. Bundesrepublik Deutschland, Slg. 1988, 1123 Rz. 43, Neue Juristische Wochenschrift 1988, 887, für einen in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Rechtsanwalt; vom 20. Mai 1992 Rs. C-106/91 - Claus Ramrath, Slg. 1992, I-3351 Rz. 29, EuZW 1992, 511, für einen in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Wirtschaftsprüfer; BFH-Beschluß vom 28. Juli 1999 II R 34/99, BFHE 189, 42, BStBl II 1999, 637, für einen in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Rechtsanwalt).

d) Daraus folgt zugleich, daß der angegriffene Beschluß nicht greifbar gesetzwidrig ist.

3. Aus den vorgenannten Gründen ist eine Vorlage an den EuGH nach Art. 234 (früher Art. 177) EGV nicht geboten, aber auch nicht möglich.

4. Eine Kostenentscheidung ist mangels gesetzlicher Regelung nicht zu treffen (BFH-Beschluß vom 27. Dezember 1994 X B 124/93, BFH/NV 1995, 534).

 

Fundstellen

BFH/NV 2000, 577

IWB 2000, 523

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