Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung; Mindeststeuersatz nach § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG 2002

 

Leitsatz (NV)

1. Mit der Rüge, das angefochtene Urteil des FG verstoße gegen § 32a Abs. 1 EStG 2002 und widerspreche der Rechtsprechung des EuGH und des BFH, werden lediglich Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung geltend gemacht, mit denen eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht erreicht werden kann.

2. Liegt der durchschnittliche Steuersatz, der sich bei Anwendung des progressiven Steuertarifs des § 32a Abs. 1 EStG 2002 auf die um den Grundfreibetrag erhöhten inländischen Nettoeinkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen ergibt, unter dem Mindeststeuersatz aus § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG 2002, so sind die inländischen Einkünfte dem durchschnittlichen (progressiven) Steuersatz zu unterwerfen. Zur Berechnung der auf diese Einkünfte entfallenden Steuer ist der progressive Steuertarif auf die um den Grundfreibetrag erhöhten Nettoeinkünfte anzuwenden.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3; EStG 2002 § 32a Abs. 1, § 50 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

FG München (Urteil vom 22.04.2008; Aktenzeichen 13 K 653/07)

 

Tatbestand

I. Streitig ist, in welcher Höhe die Einkommensteuer für inländische Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen nach dem progressiven Steuertarif festzusetzen ist.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wohnt in Österreich und erzielte im Streitjahr 2005 aus seiner Beteiligung an der Fa. X & atypisch Still inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 2 189 €.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr auf 370 € fest. Zur Erläuterung führte er aus, dass die Steuer gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG 2002) unter Hinzurechnung des Grundfreibetrags in Höhe von 7 664 € zu Gunsten des Klägers nach dem Grundtarif ermittelt worden sei.

Im Klageverfahren begehrte der Kläger die Herabsetzung der Einkommensteuer auf 82 €. Der Grundfreibetrag sei dem zu versteuernden Einkommen nur bei der Ermittlung des Steuersatzes hinzuzurechnen. Für die Berechnung der Einkommensteuer sei dieser Steuersatz nicht auf die Summe beider Beträge, sondern allein auf das zu versteuernde Einkommen anzuwenden.

Die Klage blieb erfolglos (Urteil des Finanzgerichts --FG-- München vom 22. April 2008  13 K 653/07). Die inländischen Einkünfte des Klägers seien im Streitfall entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht mit dem Mindeststeuersatz des § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG 2002, sondern mit dem progressiven Steuertarif des § 32a Abs. 1 EStG 2002 zu besteuern. Hierbei sei dem Kläger der Grundfreibetrag nicht zu gewähren. Dieser sei jedoch nach § 32a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 in der tariflichen Einkommensteuer bereits berücksichtigt. Bei der Anwendung des progressiven Steuertarifs müsse daher den inländischen Einkünften ein Betrag in Höhe des Grundfreibetrags hinzugerechnet werden. Der sich hieraus ergebende (durchschnittliche) Steuersatz von 16,9 % unterschreite den Mindeststeuersatz von 25 % aus § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG 2002.

Der Kläger macht geltend, dass die Revision gegen das angefochtene Urteil nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Der von dem Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt worden.

1. Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO darzulegen, muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss dargelegt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (BFH-Beschlüsse vom 8. September 2005 II B 122/04, BFH/NV 2006, 100; vom 20. März 2007 X B 185/06, BFH/NV 2007, 1181; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N.).

2. Die Beschwerdebegründung genügt diesen Anforderungen nicht.

a) Der Kläger wirft zwar in der Beschwerdebegründung die Rechtsfrage auf, ob der progressive Steuertarif des § 32a Abs. 1 EStG 2002 bei beschränkt Steuerpflichtigen nur auf das zu versteuernde Einkommen oder auch auf einen Hinzurechnungsbetrag in Höhe des Grundfreibetrags anzuwenden ist. Aus dem weiteren Vorbringen des Klägers ergibt sich jedoch nicht, dass die aufgeworfene Rechtsfrage inhaltlich klärungsbedürftig ist. Dies gilt insbesondere für die Rüge des Klägers, das angefochtene Urteil des FG verstoße gegen § 32a Abs. 1 EStG 2002 und widerspreche dem EuGH-Urteil vom 12. Juni 2003 Rs. C-234/01 "Gerritse" (EuGHE I 2003, 5933, BStBl II 2003, 859) sowie dem BFH-Urteil vom 19. November 2003 I R 34/02 (BFHE 204, 449, BStBl II 2004, 773). Denn der Kläger macht damit lediglich Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung geltend, mit denen eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht erreicht werden kann (BFH-Beschlüsse vom 11. Dezember 2007 VII B 172/07, BFH/NV 2008, 748; vom 24. April 2007 VIII B 249/05, BFH/NV 2007, 1465; Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24, m.w.N.).

b) Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ist zudem bereits durch das EuGH-Urteil in EuGHE I 2003, 5933, BStBl II 2003, 859, dem sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Senatsurteile in BFHE 204, 449, BStBl II 2004, 773; vom 10. Januar 2007 I R 87/03, BFHE 216, 312, BStBl II 2008, 22), geklärt.

Nach dem EuGH-Urteil in EuGHE I 2003, 5933, BStBl II 2003, 859 unterliegt ein beschränkt Steuerpflichtiger mit seinen inländischen Einkünften anstelle der Mindestbesteuerung nach § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG 2002 dem progressiven Steuertarif, wenn sich bei Anwendung dieses Tarifs auf die Nettoeinkünfte zuzüglich eines Betrags in Höhe des Grundfreibetrags tatsächlich ein geringerer Steuersatz ergibt. Zur Ermittlung dieses durchschnittlichen (progressiven) Steuersatzes verweist der EuGH auf die Berechnung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Tz. 39 f. dieses Urteils (EuGH-Urteil in EuGHE I 2003, 5933, BStBl II 2003, 859, Tz. 54), nach der der Steuerbetrag, der sich aus der Anwendung des progressiven Tarifs auf die um den Grundfreibetrag erhöhten Nettoeinkünfte ergibt, ins Verhältnis zu den Nettoeinkünften --und nicht, wie der Kläger meint, zu den erhöhten Nettoeinkünften-- zu setzen ist (vgl. hierzu auch Gosch in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 50a Rz 36).

Liegt der durchschnittliche (progressive) Steuersatz nach dem Ergebnis dieser Vergleichsrechnung unter dem Mindeststeuersatz aus § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG 2002, so sind die inländischen Einkünfte des beschränkt Steuerpflichtigen diesem niedrigeren Steuersatz zu unterwerfen (Senatsurteil in BFHE 216, 312, BStBl II 2008, 22, unter III.3. der Gründe, m.w.N.). Dies führt im Ergebnis dazu, dass für die inländischen Einkünfte des beschränkt Steuerpflichtigen die Steuer festzusetzen ist, die sich daraus ergibt, dass der progressive Tarif des § 32a Abs. 1 EStG 2002 auf das um den Grundfreibetrag erhöhte Einkommen angewendet wird (vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 10. September 2004, BStBl I 2004, 860).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2098443

BFH/NV 2009, 393

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