Leitsatz (amtlich)

Die Frage, ob bei Übertragung eines Grundstücks unter Vorbehalt des dinglichen Wohnrechts an einer bereits vermieteten Wohnung der bisherige oder der neue Eigentümer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 1 Nr. 6, §§ 12, 21 Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 571, 577, 1092-1093

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) erwarb mit Wirkung zum 1. Januar 1974 in vorweggenommener Erbfolge das Zweifamilienhaus seiner Eltern. Die Eltern behielten sich ein lebenslängliches, unentgeltliches und dingliches Wohnrecht an der Wohnung in der ersten Etage vor. Da diese vermietet war, wohnten die Eltern und der ledige Kläger weiterhin im Erdgeschoß. Die vermietete Wohnung wurde Ende März 1975 frei, aber im Streitjahr wegen Renovierungsarbeiten nicht mehr genutzt. In der Einkommensteuererklärung 1975 gab der Kläger als Einnahmen aus der vermieteten Wohnung 390 DM (dreimal 130 DM) an; für die Erdgeschoßwohnung setzte er einen Nutzungswert von 1 400 DM an. Bei der Einkommensteuerveranlagung 1975 erhöhte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) den Nutzungswert für die Erdgeschoßwohnung unter Zugrundelegung eines Quadratmeterpreises von 3,50 DM auf 3 822 DM.

Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger Klage mit der Begründung, die Eltern hätten ihr dingliches Wohnrecht erst nach dem Auszug des Mieters und der Renovierung der Wohnung ausüben können. Er sei daher gezwungen gewesen, seinen Eltern ersatzweise die Erdgeschoßwohnung zur Verfügung zu stellen. Seine eigene Nutzung der Wohnung als Schlafstätte sei von untergeordneter Bedeutung gewesen. Ein Nutzungswert dürfe ihm daher nicht zugerechnet werden.

Die Klage hatte nur teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bestätigte die Auffassung des FA, daß der Nutzungswert der Erdgeschoßwohnung dem Kläger gemäß der ersten Alternative des § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - (Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus) zuzurechnen sei. Die vertragliche Abmachung sei von den Beteiligten in Kenntnis der Vermietung der Wohnung in der ersten Etage getroffen worden. Sie habe unmittelbar ab 1. Januar 1974 in Kraft treten sollen. Es sei deshalb davon auszugehen, daß sie vollständig gewesen sei und dem Willen der Vertragsparteien entsprochen habe. Die Eltern nutzten daher die Wohnung im Erdgeschoß nicht mehr kraft eigenen Rechts. Auch der Tatbestand der zweiten Alternative des § 21 Abs. 2 EStG sei nicht erfüllt. Denn die unentgeltliche Überlassung der Wohnung an die Eltern sei eine Zuwendung an unterhaltsberechtigte Personen im Sinne von § 12 EStG, die einkommensteuerrechtlich unbeachtlich sei. Aber auch wenn man eine mündliche Ergänzungsvereinbarung des Inhalts unterstelle, daß die Eltern vorübergehend befugt sein sollten, ihr Wohnrecht in der Erdgeschoßwohnung auszuüben, könne eine solche Vereinbarung steuerrechtlich nicht anerkannt werden, weil eine mündliche Absprache kein dingliches Wohnrecht im Sinne des § 1093 BGB und damit auch keine eigene Einkunftsquelle der Eltern begründe. Die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung seien jedoch um den Mietertrag in der ersten Etage zu ermäßigen, weil die Eltern aus ihrem dinglichen Wohnrecht originäre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hätten.

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat das FA Beschwerde erhoben. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Das FA macht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), und das angefochtene Urteil beruhe auf einer mangelhaften Sachverhaltsaufklärung durch das FG.

Zur Aufklärungsrüge führt das FA aus, das FG habe die Mieteinnahmen aus der oberen Wohnung außer Ansatz gelassen, ohne zu ermitteln, wer der Vermieter gewesen sei und wem die Mieteinnahmen zugeflossen seien. Die Eltern seien allenfalls dann als Vermieter anzusehen, wenn sie als Wohnberechtigte die Ausübung des Wohnrechts entgeltlich mit Zustimmung des Klägers dem Mieter überlassen und auch die Mieteinnahmen bezogen hätten. Nach dem Sachverhalt sei aber eher davon auszugehen, daß das Wohnrecht bis zum Auszug des Mieters nicht ausgeübt worden und demgemäß der Kläger zunächst gemäß § 571 Abs. 1 BGB in die Rechtsstellung der Eltern als bisherige Vermieter eingerückt sei. Dafür spreche insbesondere der Umstand, daß der Kläger die Mieteinnahmen in seiner Steuererklärung angegeben habe.

Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Es sei bisher höchstrichterlich nicht entschieden worden, bei wem die Mieteinnahmen zu erfassen seien, wenn sich ein Steuerpflichtiger bei Übertragung eines Grundstücks auf eine unterhaltsberechtigte Person ein dingliches Wohnrecht an einer vermieteten Wohnung vorbehalte und die Mieteinnahmen sodann dem Grundstückseigentümer überlasse. Es bedürfe der Klärung, ob der Übertragende auf Grund der entgeltlichen Überlassung der Ausübung eines Wohnrechts nunmehr eigene Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung beziehe und die Zahlung an den Eigentümer als Einkommensverwendung zu beurteilen sei oder ob das vereinbarte Wohnrecht nicht vollzogen sei und dem Eigentümer die Mieteinnahmen zuzurechnen seien.

Der Kläger beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Er vertritt die Ansicht, daß die Mieterträge aus der ersten Etage seinen Eltern auf Grund des dinglichen Wohnrechts zuzurechnen seien. Die Mieteinnahmen seien ihnen auch tatsächlich zugeflossen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Die Ausführungen des FA können die Zulassung der Revision weder unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) begründen.

1. Die Frage, ob im Falle der Bestellung eines dinglichen Wohnrechts an einer vermieteten Wohnung der Eigentümer oder der Wohnberechtigte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, ist höchstrichterlich geklärt. Durch Urteil vom 2. Juni 1972 V ZR 154/70 (BGHZ 59, 51, Neue Juristische Wochenschrift 1972 S. 1416) hat der Bundesgerichtshof im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum entschieden, daß der Wohnberechtigte ähnlich wie der Nießbraucher gemäß den §§ 577, 571 BGB anstelle des Vermieters in das bestehende Mietverhältnis eintritt und Anspruch auf den Mietzins hat. Daraus ergibt sich für den Fall des Vorbehalts eines Wohnrechts für den bisherigen Eigentümer und Vermieter, daß dieser das Mietverhältnis unverändert fortsetzt. Für einen Eintritt des neuen Eigentümers in das Mietverhältnis ist kein Raum, weil die Anwendbarkeit des § 571 BGB durch die Sonderregelung des § 577 Satz 1 BGB verdrängt wird. Bleibt hiernach in den Fällen des vorbehaltenen Wohnrechts der Wohnberechtigte Vermieter und gebührt ihm auch der Mietzins, so sind ihm insoweit grundsätzlich auch die erzielten Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen.

Die Frage, ob im Streitfall die Eltern das Wohnrecht auch ausgeübt und damit die für die steuerrechtliche Anerkennung erforderlichen Folgerungen gezogen haben (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11. März 1976 IV R 119/72, BFHE 118, 356, BStBl II 1976, 421), ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, sondern hängt in der Regel von der Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls ab, die im wesentlichen dem FG als Tatsacheninstanz obliegt.

2. Die Revision kann auch nicht wegen mangelnder Sachaufklärung zugelassen werden.

Für eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hinsichtlich der Frage, wer der Vermieter war und wem die Mieteinnahmen zugeflossen sind, bestand für das FG kein Anlaß. Das FG ist erkennbar davon ausgegangen, daß das dingliche Wohnrecht, das sich die Eltern in Kenntnis der Vermietung vorbehalten haben, nach dem Wortlaut des Übergabevertrags und dem Willen der Parteien ab dem 1. Januar 1974 in Kraft treten sollte. Bei Zugrundelegung dieser Sachverhaltswürdigung, die vom FA auch im Beschwerdeverfahren nicht angegriffen wurde, ist es keine tatsächliche, sondern eine rechtliche Frage, wer als Vermieter anzusehen ist. Diese ist aus den zu 1. dargelegten Gründen dahin zu entscheiden, daß die Eltern bis zum Auszug des Mieters Vermieter geblieben sind. Bei Zugrundelegung der Vermieterstellung der Eltern brauchte das FG auch nicht weiter zu prüfen, wer die Mieteinnahmen erhalten hat. Denn wenn sich durch die Übergabe des Grundstücks nichts an den Rechten und Pflichten der Eltern aus dem bestehenden Mietverhältnis geändert hat, kommt es nicht mehr darauf an, was mit den Mieteinnahmen geschehen ist. Auch dann, wenn die Eltern als Vermieter diese dem Kläger überlassen haben sollten, liegt hierin nur eine Einkommensverwendung, nicht aber eine Verfügung über die Einkunftsquelle selbst.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72883

BStBl II 1979, 42

BFHE 1979, 34

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge