Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Divergenz und grundsätzlichen Bedeutung bezüglich der Voraussetzungen der Bewertung im Sachwertverfahren

 

Leitsatz (NV)

1. Verneint das FG bei der Bewertung eines Einfamilienhauses die Anwendung des Sachwertverfahrens, weil es bei einer Wohnfläche von weniger als 220 qm auf die Verteilung der Wohnfläche auf die vorhandenen Räume ankomme, ein Wohnzimmer von rd. 60 qm allein aber im Streitfall nicht für eine besondere Gestaltung ausreiche, liegt keine Abweichung von dem BFH-Urteil vom 23. Juli 1971 III R 86/69 (BFHE 103, 213, BStBl II 1971, 797) vor.

2. Die Frage, welches Gewicht dem Gestaltungsmerkmal "Wohnfläche" im Zusammenwirken mit anderen Ausstattungsmerkmalen zukommt, ist im Hinblick auf die BFH-Rechtsprechung zur Anwendung des Sachwertverfahrens nicht klärungsbedürftig. Da es sich bei den Begriffen "besondere Gestaltung" sowie "besondere Ausstattung" um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, vermag eine von den bisher entschiedenen Fällen abweichende Sachverhaltsgestaltung keine grundsätzliche Bedeutung zu rechtfertigen.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; BewG § 76 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.

1. Divergenz

Eine Abweichung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt vor, wenn das Finanzgericht (FG) in dem angefochtenen Urteil einen die Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, der von einem -- ebenfalls tragenden -- abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs -- BFH -- abweicht (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Beschluß vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671 m. w. N.). Zwar muß ein abstrakter Rechtssatz in diesem Sinne -- worauf der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) zutreffend hinweist -- nicht notwendig nach Art eines Leitsatzes in den Gründen des angefochtenen Urteils formuliert sein, er kann sich auch aus scheinbar nur fallbezogenen Rechtsausführungen des FG ergeben; doch kann im Streitfall aus dem gedanklichen Zusammenhang der Entscheidungsgründe kein vom FG konkludent aufgestellter Rechtssatz entnommen werden, der zu den vom FA genannten Rechtssätzen aus der BFH-Rechtsprechung in Widerspruch steht. Denn entgegen der vom FA vertretenen Auffassung ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil nicht, daß das FG bezüglich der Anwendung des Sachwertverfahrens einen Rechtssatz des Inhalts aufgestellt habe, "nur eine Wohnfläche von 220 qm könne zu einer besonderen Gestaltung führen, es sei denn, die Wohnung enthalte mehrere Räume mit übermäßigen Raumgrößen". Das FG hat lediglich bezogen auf den Streitfall ausgeführt, daß allenfalls die Größe des Wohnzimmers (mit 60,77 qm) für eine besondere Gestaltung sprechen könne. Das reiche allerdings nicht aus, da die verbleibenden Räumlichkeiten keine übermäßigen Flächen aufwiesen; dies gelte insbesondere für die Küche, das Bad und auch für die Schlafräume. Mit diesen Ausführungen weicht das FG nicht von der vom FA zitierten Entscheidung des BFH vom 23. Juli 1971 III R 86/69 (BFHE 103, 213, BStBl II 1971, 797) ab. In dieser Entscheidung hat der BFH dargelegt, daß die "Wohnfläche von 189 qm des Einfamilienhauses des Klägers ... für sich allein ebenfalls noch keine besondere Gestaltung (begründet). ... Die Wohnfläche von 189 qm könnte allerdings dann zu einer besonderen Gestaltung führen, die eine wesentliche Unterscheidung von den im Ertragswertverfahren zu bewertenden Grundstücken bewirken würde, wenn sie sich auf verhältnismäßig wenige Wohnräume verteilen würde". In gleicher Weise ist auch das FG davon ausgegangen, daß es bei einer Wohnfläche, die für sich allein die Annahme einer besonderen Gestaltung nicht recht fertigt, auf die Verteilung der Wohnfläche auf die vorhandenen Räume ankommen kann. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß das FG das verhältnismäßig große Wohnzimmer nicht als ausreichend ansah, um eine besondere Gestaltung anzunehmen.

Ebensowenig ergibt sich aus dieser fallbezogenen Begründung eine Abweichung zu dem vom FA zitierten Senatsbeschluß vom 15. November 1988 II B 108/88 (BFH/NV 1990, 16), wonach auch nur "eine die üblichen Größen übersteigende Wohnung das Tatbestandsmerkmal der besonderen Gestaltung erfüllen" kann. Wenn das FG, das zur Begründung dafür, daß sich das Grundstück der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) weder durch Gestaltung noch durch Ausstattung wesentlich von den in § 76 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes im Ertragswertverfahren zu bewertenden Zweifamilienhäusern unterscheidet, im einzelnen darlegt, daß keine "gravierende" Abweichung vorliege, daß das Zweifamilienhaus "nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit aus der Masse anderer Zweifamilienhäuser entscheidend hervor(trete)" und daß auch der Raummeterpreis nicht für eine "hervorstechende Ausstattung" spreche, so kann aus der Verwendung dieser Begriffe nicht geschlossen werden, daß das FG in Abweichung von dem BFH-Urteil vom 27. April 1978 III R 6/77 (BFHE 125, 290, BStBl II 1978, 523) nur bei einer luxuriösen Ausstattung das Sachwertverfahren für gerechtfertigt hielte.

2. Grundsätzliche Bedeutung

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO beizumessen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rdnr. 7 m. w. N.; BFH-Beschluß vom 10. November 1994 XI B 36/94, BFH/NV 1995, 531).

Diese Voraussetzungen liegen entgegen der Auffassung des FA für die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage, welches Gewicht dem Gestaltungsmerkmal "Wohnfläche" im Zusammenwirken mit einer bestimmten Anzahl besonderer Ausstattungsmerkmale zukommt -- insbesondere für den Fall, daß eine Wohnfläche zwischen 144 qm und 220 qm beträgt --, nicht vor. Die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen ein Ein- oder Zweifamilienhaus im Sachwertverfahren zu bewerten ist, ist durch die bisherige Rechtsprechung des BFH jedenfalls insoweit hinreichend geklärt, als sowohl die besondere Gestaltung oder die besondere Ausstattung für sich allein als auch das Zusammenwirken beider Merkmale für die Anwendung des Sachwertverfahrens genügen (vgl. z. B. BFH-Urteile in BFHE 103, 213, BStBl II 1971, 797; BFHE 125, 290, BStBl II 1978, 523, und vom 5. März 1986 II R 146/77, BFHE 146, 178, BStBl II 1986, 386).

Da es sich sowohl bei dem Begriff "besondere Gestaltung" als auch bei dem Begriff "besondere Ausstattung" um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, vermag eine von den bisher entschiedenen Fällen abweichende Sachverhaltsgestaltung keine grundsätzliche Bedeutung zu rechtfertigen. Denn der vom FA als zu groß bezeichnete Entscheidungsspielraum ist die Folge der vom Gesetzgeber bewußt gewählten Begriffe; er kann nicht durch die Rechtsprechung des BFH eingeengt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420854

BFH/NV 1996, 108

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