Leitsatz (amtlich)

Bei der Bemessung eines Betriebsaufgabegewinns kann kein Abschlag wegen der inzwischen eingetretenen allgemeinen Geldentwertung vorgenommen werden.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 2; EStG § 16 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführer (Steuerpflichtigen) sind Eheleute. Sie erklärten gegenüber dem FA zum 31. August 1969 die Aufgabe ihres bereits eingestellten Gewerbebetriebs. Der Aufgabegewinn betrug 203 316 DM. Er ergab sich hauptsächlich aus der Überführung zweier Betriebsgrundstücksanteile in das Privatvermögen. Das FA wandte auf den Aufgabegewinn den ermäßigten Steuersatz des § 34 EStG an. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Mit der Erhebung der Klage verbanden die Eheleute den Antrag auf teilweise Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids. Sie machten geltend, daß von dem Aufgabegewinn wegen der seit der Anschaffung der Grundstücke (1949 und 1952) eingetretenen Geldentwertung nur rd. 60 v. H. besteuert werden dürften. Denn in dieser Zeit bis zur Überführung der Grundstücke in das Privatvermögen habe sich die Kaufkraft der DM um rd. 40 v. H. vermindert.

Das FG lehnte den Antrag ab. In seiner in EFG 1971, 181 veröffentlichten Entscheidung führte es aus, daß bereits in tatsächlicher Hinsicht zweifelhaft sei, ob in dem Aufgabegewinn die von den Steuerpflichtigen bezeichnete Geldentwertungsquote enthalten sei. Denn vor allem bei Grundstücken könnten auch reale Wertsteigerungen vorliegen. So handele es sich beispielsweise im Streitfall um Grundstücke in bester Verkehrslage. Soweit in dem Aufgabegewinn eine Geldentwertungsquote enthalten sei, könne diese bei der Gewinnermittlung nicht berücksichtigt werden. Die Vorschriften des EStG beruhten auf der nominellen Geldwertrechnung (Mark = Mark). Ein Abgehen vom Nominalprinzip könne allenfalls dann in Betracht kommen, wenn das EStG eine solche Auslegung rechtfertige oder wenn die bestehenden Vorschriften gegen ranghöhere Rechtsnormen verstießen. Diese Voraussetzungen seien indessen für die Zeiten einer schleichenden Geldentwertung nicht gegeben (Hinweis auf Urteil des BFH IV 300/64 vom 27. Juli 1967, BFH 89, 422, BStBl III 1967, 690). Es könne nicht Aufgabe der Rechtsprechung sein, den Folgen einer schleichenden Geldentwertung auf dem Teilgebiet des Einkommensteuerrechts entgegenzuwirken. Dies müsse dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Jedenfalls könne für die Zeit von 1950 bis 1969 bei einem jährlichen durchschnittlichen Kaufkraftverlust der DM in Höhe von 2,1 v. H. noch nicht von einem rasch fortschreitenden Währungsverfall die Rede sein.

Mit der Beschwerde, der das FG nicht abhalf, wenden sich die Steuerpflichtigen gegen die Vorentscheidung mit der Begründung, daß der Grundgedanke des Betriebsvermögensvergleichs (§ 4 Abs. 1 EStG) bei längeren Zeiträumen - hier fast 20 Jahre - eine Berücksichtigung der inzwischen eingetretenen Veränderung des Geldwerts gebiete. Sie, die Steuerpflichtigen, hielten daran fest, daß ihr zur Einkommensteuer herangezogener Aufgabegewinn in Höhe von 40 v. H. auf der Verschlechterung der DM als Wertmesser beruhe. Es müsse deshalb geprüft werden, ob eine solche Besteuerung mit Verfassungsgrundsätzen, vor allem mit Art. 14 des Grundgesetzes (GG), vereinbar sei.

Das FA beantragt die Abweisung der Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist unbegründet.

Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids 1969 ist, soweit sie die hier allein zur Entscheidung stehende Frage der Besteuerung des Aufgabegewinns betrifft, nicht ernstlich zweifelhaft im Sinne des § 69 Absätze 2 und 3 FGO. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, beruht das Einkommensteuerrecht auf dem Nominalprinzip. Das bedeutet, daß für die Zwecke der Besteuerung keine Umrechnung von DM-Nennbeträgen auf andere Nennbeträge nach dem Maßstabe eines Kaufkraftindexes stattfindet. Deshalb hat es der BFH in den Urteilen IV 300/64 (a. a. O.) und VI R 179/66 vom 10. November 1967 (BFH 90, 396, BStBl II 1968, 143) abgelehnt, bei der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen einen Geldentwertungsabschlag vom Nennbetrag dieser Einkünfte vorzunehmen. In gleicher Weise hat der BFH eine Berücksichtigung der Geldentwertung bei der Heranziehung von Vermögenswerten zur Vermögensteuer versagt (vgl. BFH-Urteil III 205/65 vom 1. Dezember 1967, BFH 91, 261, BStBl II 1968, 302). Dieser Rechtsprechung liegt die Auffassung zugrunde, daß die Besteuerung nach Maßgabe der Geldnennbeträge Verfassungsgrundsätzen nicht widerspricht. Das BVerfG hat in seinem Beschluß 1 BvR 346, 598/68 vom 21. Januar 1969 (HFR 1969, 347), der sich mit der Berücksichtigung der Geldentwertung bei der Einkommensbesteuerung von Sparzinsen befaßte, ausgeführt, daß die oben wiedergegebene Rechtsprechung des BFH verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.

Wie der BFH in der Grundsatzentscheidung IV 300/64 (a. a. O.) dargelegt hat, ist für eine Berücksichtigung der Geldentwertung mit den Mitteln der Gesetzesauslegung kein Raum. Allenfalls könnte in Betracht kommen, daß infolge einer Unterlassung des Gesetzgebers einzelne, an die Entwicklung nicht angepaßte Vorschriften als nicht mehr verfassungsgemäß anzusehen wären. In einem solchen Falle müßte der BFH, falls er die einschlägigen Vorschriften für verfassungswidrig hielte, die Rechtsfrage dem BVerfG vorlegen (Art. 100 Abs. 1 GG). Der Senat ist indessen überzeugt, daß die hier anzuwendende Vorschrift des § 16 Abs. 3 EStG, nach der die nominellen Betriebsaufgabegewinne der Einkommensteuer unterliegen, verfassungsgemäß ist.

Nach alledem erübrigt es sich, auf die Erwägungen der Steuerpflichtigen zum Wesen des Betriebsvermögensvergleichs und auf die Frage nach der Höhe der in den Jahren der Betriebszugehörigkeit der Grundstücke entstandenen Geldentwertungsquote einzugehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69236

BStBl II 1971, 626

BFHE 1971, 383

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