Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufklärungsrüge; Verlust des Rügerechts

 

Leitsatz (NV)

Die Verletzung einer das finanzgerichtliche Verfahren betreffenden Vorschrift kann in der Revisionsinstanz von einem Beteiligten nicht mehr gerügt werden, wenn er das Rügerecht verloren hat (§ 295 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO).

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 3 S. 3, § 155; ZPO § 295 Abs. 1

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gerügte Verfahrensfehler der mangelnden Sachaufklärung (Beiziehung der Strafakten und Nichtvernehmung der Zeugen, vgl. § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) führt nicht zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, da ein etwaiger Mangel im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht mehr geltend gemacht werden kann.

Ein Verfahrensmangel kann nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Beachtung die Prozessbeteiligten verzichten können und verzichtet haben (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―). Zu diesen verzichtbaren Mängeln gehört auch das Übergehen eines Beweisantrages (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Anm. 37, m.w.N.). Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln geht das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem Finanzgericht (FG) verloren, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge; ein Verzichtswille ist dafür nicht erforderlich. Der Verfahrensmangel muss in der (nächsten) mündlichen Verhandlung gerügt werden, in der der Rügeberechtigte erschienen ist; verhandelt er zur Sache, ohne den Verfahrensmangel zu rügen, obwohl er den Mangel kannte oder kennen musste, verliert er das Rügerecht (§ 295 Abs. 1 ZPO; vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Anm. 38, m.w.N.).

Der Kläger hat mit Schriftsatz an das FG vom 18. Dezember 1997 beantragt, die beiden Zeugen A und B als Zeugen zu dem Tatbeitrag des Klägers zu vernehmen. Die beiden Zeugen sind aber zu der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht geladen worden und ausweislich des Sitzungsprotokolls dort auch nicht erschienen. Nach dem Protokoll über die mündliche Verhandlung haben die beiden Prozessbevollmächtigten des Klägers zur Sache verhandelt. Nachdem die Beteiligten ihre (Sach-)Anträge gestellt hatten, hat der Vorsitzende die mündliche Verhandlung geschlossen und dann den Beschluss verkündet, eine Entscheidung werde nach Beratung am Ende der Sitzung verkündet. Nach dem Sitzungsprotokoll haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers demnach das Übergehen des Beweisantrages hinsichtlich der beiden Zeugen in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt. Zu einer derartigen Rüge wäre aber, wenn der Kläger auf die beantragte Zeugenvernehmung nicht verzichten wollte, Anlass gewesen, da die Zeugen zum Termin nicht geladen waren. Der Kläger konnte und musste davon ausgehen, dass das FG dem Beweisantrag nicht nachkommen werde. Insbesondere, nachdem der Vorsitzende die mündliche Verhandlung geschlossen und den Beschluss verkündet hatte, dass eine Entscheidung nach Beratung am Ende der Sitzung verkündet werde, musste der Kläger annehmen, dass das FG im Anschluss an die mündliche Verhandlung ―wie geschehen― durch Urteil entscheiden werde.

Im Übrigen reichen die Ausführungen in der Beschwerdeschrift des Klägers nicht aus, um daraus entnehmen zu können, dass er den Verfahrensmangel in der mündlichen Verhandlung gerügt hat. Zur Bezeichnung des Verfahrensmangels i.S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO wäre dies aber erforderlich gewesen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 26. Mai 1999 VII B 245/98, BFH/NV 2000, 51; vom 2. Februar 1999 I B 40/98, BFH/NV 1999, 1105). Es fehlt also an der schlüssigen Darlegung des Verfahrensmangels. Das Schweigen des Klägers zu dem behaupteten Verfahrensmangel in der Vorinstanz steht einem Rügeverzicht gleich (BFH-Beschlüsse vom 23. März 1999 X B 210/98, BFH/NV 1999, 1236; vom 31. Januar 1989 VII B 162/88, BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 372; vgl. auch BFH-Beschluss vom 13. August 1998 VI B 189/96, BFH/NV 1999, 326).

Das FG ist ferner dem schriftsätzlichen Antrag des Klägers nicht nachgekommen, die gesamten Strafakten des Landgerichts (LG) C beizuziehen; es hat sich vielmehr mit dem gegen den Kläger gerichteten Strafurteil des LG begnügt. Auch insoweit gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend.

Der Kläger sieht ferner in der Tatsache, dass das FG keinen Hinweis hinsichtlich des Nachweises von Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschlägen gegeben habe, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO). Die Rüge ist nicht begründet. Gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs wird insoweit von einer Begründung abgesehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425023

BFH/NV 2000, 860

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