Leitsatz (amtlich)

Ist gegen eine im zweiten Rechtsgang nach dem 31. Dezember 1965 ergangene Entscheidung eines FG Revision eingelegt worden, so richtet sich deren Zulässigkeit hinsichtlich der Überschreitung der Streitwertgrenze von 1 000 DM nach den Vorschriften der FGO auch dann, wenn im ersten Rechtsgang die Rechtsbeschwerdegrenze auf Grund der Übergangsvorschrift des Art. 18 StÄndG 1961 200 DM betragen hat.

 

Normenkette

StÄndG 1961 Art. 18; FGO §§ 56, 115-116, 120 Abs. 1, § 146 Abs. 1 S. 1, § 184 Abs. 2 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Der Rechtsstreit geht um die Frage, ob den Revisionsklägern (Ehegatten) bei der Vermögensabgabeveranlagung ein zweiter Ehegattenfreibetrag zusteht. Im ersten Rechtsgang hatte der BFH das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Das FG hat nach erneuter Prüfung die vom Ehemann eingelegte Berufung (jetzt Klage) abgewiesen.

Mit der von beiden Eheleuten eingelegten Revision wird beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und einen zweiten Freibetrag zu gewähren. Entgegen der vom FA vertretenen Auffassung müsse die Revision als zulässig angesehen werden. Das FG habe in dem zuletzt angefochtenen Urteil nur den Streitwert für die Rb., nicht dagegen für die Berufung festgesetzt. Aus dem Urteil ergebe sich nicht, ob die Revision zugelassen sei oder nicht. Jedenfalls hätten die Revisionskläger keine Veranlassung gehabt, die "Nichtzulassung" der Revision mit der Beschwerde anzufechten. Sie hätten das Urteil ohne weiteres für revisibel gehalten, um so mehr, als sie auch Verfahrensmängel gerügt hätten. Unklarheiten könnten nicht zu ihren Lasten gehen. Es komme hinzu, daß sich der Rechtsstreit bereits vor Inkrafttreten der FGO in der Revisionsinstanz befunden habe und nur deshalb an die Berufungsinstanz habe zurückverwiesen werden müssen, weil hinreichende Tatsachenfeststellungen nicht getroffen gewesen seien. Es werde daher beantragt, die Revision ohne weiteres für zulässig zu erklären. Zwar treffe es zu, daß der Streitwert im ersten Rechtsgang unangefochten auf 770 DM festgestellt worden sei. Die Revisionskläger hätten damals keine Veranlassung gehabt, diesen Streitwert anzufechten, da er damals der Revision nicht im Wege gestanden habe. Ihnen sei die Festsetzung des Streitwerts im Steuerrecht völlig unbekannt. Der Revisionskläger sei überfordert, wenn von ihm eine besonders sorgfältige Prüfung der Höhe des Streitwerts erwartet werde. Ihm scheine gerade diese Materie besonders schwierig zu sein. Es dürfe nicht übersehen werden, daß es in diesem Rechtsstreit nicht allein um die Vermögensabgabe gehe, sondern um die Zubilligung eines zweiten Freibetrags auf Grund der Entscheidung des BVerfG. Die Revisionskläger seien der Meinung, daß in einem solchen Fall ein ganz anderer Streitwert zugrunde gelegt werden müsse als bei einem reinen Vermögensabgabestreit. Eine Rechtsposition könne während eines laufenden Verfahrens nicht durch eine Gesetzesänderung verschlechtert werden. Im übrigen seien auch Verfahrensmängel gerügt worden.

Der Revisionsbeklagte (FA) hat beantragt, die Revision kostenpflichtig als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Revision kostenpflichtig als unbegründet zurückzuweisen. Die Revision sei unzulässig, weil der Streitwert nicht die Revisionsgrenze von 1 000 DM übersteige, die Revision vom FG nicht besonders zugelassen worden sei und auch keine Verfahrensrüge geltend gemacht sei, die zu einer zulassungsfreien Revision führen würde.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unzulässig.

Gemäß § 115 Abs. 1 FGO steht den Beteiligten gegen das Urteil eines FG die Revision zu, wenn der Wert des Streitgegenstands 1 000 DM übersteigt oder wenn das FG die Revision zugelassen hat. Eine besondere Zulassung der Revision durch das FG gemäß § 115 Abs. 2 und 3 FGO ist nicht erfolgt. Gründe im Sinne des § 116 FGO, die eine zulassungsfreie Revision rechtfertigen würden, sind nicht gerügt. Es kommt somit darauf an, ob der Streitwert die Revisionssumme übersteigt. Die für die Einlegung der Revision erforderliche Höhe des Streitwerts hat der BFH selbständig ohne Rücksicht auf die Feststellung des Streitwerts durch die Vorinstanz auf Grund der bei der Einlegung der Revision gegebenen Sach- und Rechtslage zu prüfen. Streitig ist der ursprüngliche Vierteljahrsbetrag, der vom FA in der angefochtenen Einspruchsentscheidung mit 20,20 DM festgesetzt worden ist und bei Gewährung des begehrten zweiten Ehegattenfreibetrags in vollem Umfang wegfallen würde. Der nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats sich hieraus ergebende Streitwert ist der nach der ursprünglichen Ablösungstabelle zu berechnende Ablösungswert. Dieser Wert beläuft sich unter Zugrundelegung eines Vervielfältigers von 38,1513 auf rund 770 DM und stimmt daher mit dem von der Vorinstanz errechneten Streitwert überein. Er liegt somit unter der Revisionsgrenze von 1 000 DM (§ 115 Abs. 1 FGO).

Daß die Rb.-Grenze im ersten Rechtsgang gemäß Art. 18 StÄndG vom 13. Juli 1961 (BGBl I 1961, 981) 200 DM betragen hat, weil die Rechtshängigkeit im Streitfall vor dem 1. September 1961 begründet worden war, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Überleitungsregelung des § 184 Abs. 2 Nr. 2 FGO bestimmt nur, daß die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen die vor dem Inkrafttreten der FGO ergangenen Entscheidungen sich nach den bisher geltenden Vorschriften richtet. Sie sieht aber die Anwendung der früheren Vorschriften nicht auch für den Fall vor, daß die Entscheidung, gegen die sich die Revision richtet, wie im Streitfall nach Inkrafttreten der FGO ergangen ist. Damit entfällt die Maßgeblichkeit der Streitwertgrenze von 200 DM auf Grund des Art. 18 StÄndG 1961. Der Einwand des Revisionsklägers, seine Rechtsposition könne während eines laufenden Verfahrens nicht durch eine Gesetzesänderung verschlechtert werden, entbehrt der gesetzlichen Grundlage, zumal es dem Revisionskläger freigestanden hat, gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG gemäß § 115 Abs. 2 und 3 FGO die Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben. Auf diese Möglichkeit ist er in der Rechtsmittelbelehrung des FG ausdrücklich hingewiesen worden. Es ist auch nicht angängig, im Streitfall die Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde umzudeuten. Der BFH hat im Beschluß VI R 216/66 vom 27. Januar 1967 (BFH 88, 73, BStBl III 1967, 291) dargetan, aus welchen Gründen dies in der Regel unzulässig ist. Hinzu kommt, daß die Nichtzulassungsbeschwerde nur innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils eingelegt und begründet werden kann, eine Möglichkeit der Verlängerung der Begründungsfrist jedoch nicht vorgesehen ist - im Gegensatz zur Verlängerungsmöglichkeit bei der Revisionsbegründungsfrist gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO -. Damit scheidet die Möglichkeit einer Umdeutung der Revisionsbegründung in eine Nichtzulassungsbeschwerde im Streitfall auch schon deshalb aus, weil die Revisionsbegründung nach gewährter Fristverlängerung erst am 19. Dezember 1966 eingegangen ist, das FG-Urteil aber bereits am 23. September 1966 zugestellt war. Auch die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde wäre nicht mehr gegeben, weil diese - bei Unterstellung der sonstigen Voraussetzungen des § 56 FGO - binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses hätte beantragt werden müssen (§ 56 Abs. 2 FGO). Selbst wenn zugunsten des Revisionsklägers unterstellt werden könnte, das "Hindernis" im Sinn des § 56 Abs. 2 FGO sei erst mit dem Schriftsatz des FA vom 27. Januar 1967 weggefallen, in welchem das FA in seiner Gegenäußerung zur Revisionsbegründung auf die Unzulässigkeit der Revision wegen Nichterreichung der Revisionsgrenze und auch darauf hingewiesen hat, daß eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht erhoben worden sei, käme eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht. Denn der auf diesen Schriftsatz des FA folgende Schriftsatz des Revisionsklägers, in dem erstmals Ausführungen zur Streitwertfrage und zur Zulässigkeit der Revision gemacht wurden, ist nicht innerhalb von zwei Wochen, sondern erst etwa einen Monat nach Erhalt des Schriftsatzes des FA beim BFH eingegangen, so daß die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 FGO auch hinsichtlich der Frist nicht erfüllt wären. Angesichts der strengeren Formvorschriften der FGO gegenüber dem früheren Verfahrensrecht der Reichsabgabenordnung kann sich der Revisionskläger nicht darauf berufen, er sei überfordert, wenn man von ihm erwarten würde, die schwierige Materie gerade auch der Streitwertberechnung zu beherrschen. Der Revisionskläger hätte, wenn er sich nicht dazu imstande fühlte, seinen Prozeß auch vor dem Revisionsgericht selbst zu führen, sich eines sachkundigen Prozeßbevollmächtigten bedienen müssen.

Die gleichzeitig auch von der Ehefrau des Revisionsklägers eingelegte Revision war allein schon deshalb unzulässig, weil die Ehefrau im finanzgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt gewesen ist, gemäß § 115 Abs. 1 FGO aber nur den Beteiligten die Revision gegen das finanzgerichtliche Urteil zusteht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67704

BStBl II 1968, 383

BFHE 1968, 460

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge