Entscheidungsstichwort (Thema)

Erforderlichkeit eines Feststellungsbescheids im Gesamtvollstreckungsverfahren

 

Leitsatz (NV)

  1. Es ist nicht klärungsbedürftig, dass ein Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO 1977 "erforderlich" ist, wenn der Konkursverwalter die vom Finanzamt zur Konkurstabelle angemeldete Steuerforderung bestreitet. Entsprechendes muss auch für das Gesamtvollstreckungsverfahren gelten, wenn in der Beschwerdeschrift nicht geltend gemacht wird, die Lage sei bei der Gesamtvollstreckung anders als im Konkurs.
  2. Die "Unverhältnismäßigkeit" oder Rechtswidrigkeit von Steuerbescheiden folgt nicht aus Zweifeln an der Beitreibbarkeit der festgesetzten Steuern.
 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; AO 1977 § 251 Abs. 3

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Gesamtvollstreckungsverwalter des Vermögens der W GmbH (Schuldnerin). Das Gesamtvollstreckungsverfahren war am 1. März 1996 eröffnet worden.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) meldete zum Forderungsverzeichnis u.a. eine Umsatzsteuerschuld für 1996 an, deren Besteuerungsgrundlagen er durch Schätzung ermittelt hatte.

Da die Forderung im Prüfungstermin bestritten wurde, erließ das FA einen auf § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Feststellungsbescheid. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage, mit der er die Berechtigung des FA zum Erlass eines derartigen Feststellungsbescheides bestritt. Den während des Klageverfahrens ergangenen Änderungsbescheid machte er zum Gegenstand der Klage. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Beschwerde, die er auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdeschrift muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sich auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG in dem angestrebten Revisionsverfahren eine konkrete Rechtsfrage stellt, welche der höchstrichterlichen Klärung bedarf (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 15. März 1999 VII B 243/98, BFH/NV 1999, 1059). Die für die Entscheidung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig sein. Das ist nicht der Fall, wenn sich die Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt (vgl. BFH-Beschluss vom 5. April 1995 I B 126/94, BFHE 177, 231, BStBl II 1995, 496). Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit ist auszuführen, dass, in welchem Umfang und aus welchen Gründen die Beantwortung der vom Beschwerdeführer für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Frage umstritten ist; dabei ist ggf. auf die unterschiedlichen Meinungen in Literatur und Rechtsprechung einzugehen (vgl. BFH-Beschluss vom 24. Februar 1999 IV B 74/98, BFH/NV 1999, 1115). Diesen Anforderungen ist der Kläger nicht nachgekommen.

1. Der Senat kann der Beschwerdeschrift nicht entnehmen, warum sich im Streitfall die vom FG "überhaupt nicht behandelte Frage hinsichtlich der Klassifizierung von zur Gläubigertabelle angemeldeten Forderungen in Form von Bestreiten, vorläufigem Bestreiten und Anerkennen durch die Verwalter" stellen soll.

2. Entgegen der Ansicht des Klägers ist auch "die Frage der Erforderlichkeit im Sinne des § 251 Abs. 3 AO und der Bedeutung dieser Erforderlichkeit beim vorläufigen Bestreiten" nicht klärungsbedürftig. Nach § 251 Abs. 3 AO 1977 stellt die Finanzbehörde (im Konkursverfahren) erforderlichenfalls die Konkursforderung und ein Konkursvorrecht durch schriftlichen Verwaltungsakt fest, wenn sie im Konkursverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis geltend macht. Nach dem Senatsurteil vom 17. Mai 1984 V R 80/77 (BFHE 141, 7, BStBl II 1984, 545) erweist sich ein derartiger Bescheid als erforderlich, wenn der Konkursverwalter die vom FA zur Konkurstabelle angemeldete Steuerforderung bestreitet. Die Ansicht des Klägers, hierzu gebe es keine höchstrichterliche Rechtsprechung des BFH, trifft also nicht zu. Der Kläger macht in der Beschwerdeschrift auch nicht geltend, die Lage sei bei der Gesamtvollstreckung anders als im Konkurs. Im Übrigen ist nicht jede Frage klärungsbedürftig, solange sie vom BFH noch nicht beantwortet ist.

3. Letzteres gilt auch "für den Komplex des Verhältnisses von Erforderlichkeit im Sinne des § 251 Abs. 3 AO gegenüber dem Zusammenfallen von vorläufigem Bestreiten und Verursachen von unverhältnismäßig hohen Kosten und sonstigem Aufwand auf Seiten der Finanzbehörden und des Steuerpflichtigen". Der Senat kann der Beschwerdeschrift nicht entnehmen, warum das "vorläufige Bestreiten" einer Steuerschuld das FA daran hindern könnte, seine Steuerforderung gemäß § 251 Abs. 3 AO 1977 festzusetzen.

4. Der Kläger hat die grundsätzlich Bedeutung der Rechtssache auch nicht mit der "Frage der allgemeinen Verhältnismäßigkeit" dargelegt. Die Rechtsprechung hat es mit zahlreichen Steuerbescheiden zu tun, bei denen die Beitreibbarkeit der festgesetzten Steuer zweifelhaft sein mag. Hieraus folgt aber keineswegs die "Unverhältnismäßigkeit" und Rechtswidrigkeit dieser Steuerbescheide. Aus der Beschwerdeschrift ergibt sich nicht, warum dies im Streitfall anders sein könnte.

5. Von der Bekanntgabe einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424795

BFH/NV 2000, 548

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