Entscheidungsstichwort (Thema)

NZB: Kapitalerhöhung gegen Einlage als entgeltlicher Erwerb, Spekulationsfristberechnung, zur Darlegung einer Sachaufklärungsrüge, Billigkeitserwägung als neues Vorbringen

 

Leitsatz (NV)

1. Die BFH-Rechtsprechung geht bei einer durchgeführten Kapitalerhöhung gegen Einlage von einem entgeltlichen Erwerb, also von einem Anschaffungsvorgang i.S. von § 23 Abs. 1 EStG aus.

2. Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung ist bei einem schwebend unwirksamen (genehmigungsbedürftigen) Rechtsgeschäft (vgl. § 177 Abs. 1, § 184 Abs. 1 BGB) auf den Zeitpunkt der Genehmigung und nicht auf den der zivilrechtlich rückwirkenden Wirksamkeit des Vertragsabschlusses abzustellen, weil frühestens vom Zeitpunkt der Genehmigung an alle Folgerungen aus dem bisher schwebend unwirksamen Vertrag gezogen werden können.

3. Verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich mit Blick auf den Vorlagebeschluss des BFH in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, zu § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 1999/2000/2002 dann nicht, wenn ‐ wie im Streitfall ‐ die im Zeitpunkt des Erwerbs (Ende 1998) gültige sechsmonatige Spekulationsfrist noch nicht abgelaufen und der Stpfl. zudem in Kenntnis der auf ein Jahr verlängerten Spekulationsfrist hinreichend hätte reagieren können.

4. Die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht erfordert ‐ neben genauen Angaben zu bestimmten Punkten ‐ insbesondere Ausführungen dazu, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können bzw. sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen.

5. Billigkeitserwägungen (hier: mögliche Privatinsolvenz infolge Besteuerung eines Veräußerungsgeschäfts) sind in dem vom Billigkeitsverfahren unabhängigen Steuerfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Neues tatsächliches Vorbringen bleibt auch im NZB-Verfahren angesichts der Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des FG von vornherein unbeachtlich.

 

Normenkette

BGB § 177 Abs. 1, § 184 Abs. 1; AO 1977 § 41 Abs. 1; FGO §§ 56, 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2, § 118 Abs. 2; GmbHG § 17 Abs. 1-2; EStG § 23 Abs. 1 Nrn. 1a, 2

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Urteil vom 26.07.2005; Aktenzeichen III 375/04)

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zulassungsgründe i.S. von § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind, soweit geltend gemacht, nicht gegeben.

Hinsichtlich der Versäumung der Begründungsfrist durch den Prozessbevollmächtigten der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wird diesen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO gewährt. Der Prozessbevollmächtigte hatte anlässlich seines Aufenthaltes in England dem aufgrund ca. einjähriger Zusammenarbeit als zuverlässig bekannten persönlichen Mitarbeiter des besuchten englischen Mandanten eine konkrete Einzelanweisung zur Übersendung des Begründungsschriftsatzes erteilt, die dieser allerdings hinsichtlich der ordnungsgemäßen Überprüfung der Versendung trotz entsprechender Instruktion nicht befolgte. Dieses Versäumnis ist indes unverschuldet, denn ein Rechtsanwalt oder Steuerberater darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass ein zuverlässiger Mitarbeiter seinen konkreten Anweisungen folgt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Februar 2004 XI R 62/03, BFHE 205, 9, BStBl II 2004, 564, m.w.N.)

1. Soweit die Kläger rügen, bei der durchgeführten Kapitalerhöhung fehle es mangels Gegenleistung an einem Anschaffungsvorgang und mithin an einem entgeltlichen Erwerb, wird kein Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO bezeichnet. Mit diesem (konkludent) behaupteten bloßen Rechtsanwendungsfehler kann --selbst wenn er vorläge-- die Zulassung der Revision aber nicht erreicht werden. Im Übrigen geht auch der BFH bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlage von einem Anschaffungsvorgang aus (vgl. BFH-Urteil vom 21. September 2004 IX R 36/01, BFHE 207, 543, BStBl II 2006, 12).

2. Entgegen der Ansicht der Kläger weicht die Vorentscheidung nicht vom BFH-Urteil vom 2. Oktober 2001 IX R 45/99 (BFHE 196, 567, BStBl II 2002, 10) ab.

Grundsätzlich sind für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung die Zeitpunkte maßgebend, in denen die obligatorischen Verträge abgeschlossen wurden (vgl. BFH-Urteile vom 8. April 2003 IX R 1/01, BFH/NV 2003, 1171; vom 30. November 1999 IX R 70/96, BFHE 190, 425, BStBl II 2000, 262; vom 15. Dezember 1993 X R 49/91, BFHE 173, 144, BStBl II 1994, 687, m.w.N.); in seinem Urteil in BFHE 196, 567, BStBl II 2002, 10, hat der BFH bei einem (wegen vollmachtloser Vertretung auf der Erwerberseite) schwebend unwirksamen --genehmigungsbedürftigen-- Rechtsgeschäft (vgl. § 177 Abs. 1, § 184 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) indes auf den Zeitpunkt der Genehmigung und nicht auf den Zeitpunkt der zivilrechtlich rückwirkenden Wirksamkeit des Vertragsabschlusses abgestellt; denn frühestens vom Zeitpunkt der Genehmigung an können tatsächlich und rechtlich alle Folgerungen aus dem bisher schwebend unwirksamen Vertrag gezogen werden.

Von diesen Grundsätzen ist auch das Finanzgericht (FG) ausgegangen. Es hat den Verkauf der Anteile mit Vertrag vom 5. November 1999 als maßgebendes Veräußerungsgeschäft i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) angesehen, da mit diesem Vertrag "rechtswirksam bereits alle bindenden Abmachungen hinsichtlich des Eigentumsübergangs getroffen" waren; nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) geschah dies "unter Mitwirkung des GmbH-Geschäftsführers" und der Zustimmung aller Gesellschafter auf der gleichen Tags stattfindenden Gesellschafterversammlung. Damit lagen --anders als im Fall des BFH-Urteils in BFHE 196, 567, BStBl II 2002, 10-- schon zu diesem Zeitpunkt bindende Vertragserklärungen beider Vertragspartner vor. Dem stehen weder die nicht eingehaltenen Formalien des Beschlusses der Gesellschafterversammlung entgegen noch der Einwand der (vermeintlich) fehlenden, vom Geschäftsführer der Gesellschaft zu erteilenden Zustimmung der Gesellschaft (vgl. § 17 Abs. 1, 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--); denn zum einen wurde nicht vorgetragen, dass dieser Vertragsvorgang wegen der vom Kläger aufgezeigten Mängel angefochten wurde, zum anderen wurde der Kaufpreis dem Kläger schon vor dem vereinbarten Rechtsübergang überwiesen, und die Vertragsbeteiligten haben "am wirtschaftlichen Ergebnis festgehalten" (vgl. § 41 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO 1977--).

3. Soweit der Kläger "erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken" (Verlängerung der Spekulationsfrist durch das Steuerentlastungsgesetz --StEntlG-- 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl I 1999, 402, als Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot) gegen die angefochtene --insoweit vorläufige-- Steuerfestsetzung geltend macht, hat die Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls keinen Erfolg.

Insoweit ist kein Zulassungsgrund gegeben (vgl. auch BFH-Beschluss vom 15. Juli 2004 IX B 116/03, BFHE 206, 358, BStBl II 2004, 1000); denn nach dem Vorlagebeschluss des BFH vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02 (BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284) wird die Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/ 2002 mit dem Grundgesetz (GG) insoweit als unvereinbar angesehen, als danach auch private Grundstücksveräußerungsgeschäfte nach dem 31. Dezember 1998, bei denen zu diesem Stichtag die zuvor geltende Spekulationsfrist von zwei Jahren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG a.F.) bereits abgelaufen war, übergangslos der Einkommensbesteuerung unterworfen werden. Im Streitfall hingegen war die bis zum Stichtag 31. Dezember 1998 gültige sechsmonatige Spekulationsfrist noch nicht abgelaufen, zudem hätte der Kläger in Kenntnis der auf ein Jahr verlängerten Spekulationsfrist hinreichend reagieren können.

4. Soweit die Kläger die Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) durch Übergehen eines Beweisantrags oder von Amts wegen erforderlicher Sachaufklärung rügen, ist nicht ersichtlich, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des FG (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. April 2006 X B 162/05, BFH/NV 2006, 1332; vom 18. Mai 2005 IX B 168/04, BFH/NV 2005, 1829) zu einer anderen Entscheidung hätte führen können oder weshalb sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 18. März 2004 VII B 53/03, BFH/NV 2004, 978; vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43, jeweils m.w.N.). Das FG hatte im Streitfall nämlich die weitere Sachaufklärung und angestrebte Beweisaufnahme auf der Basis seines Rechtsstandpunktes gerade für entbehrlich gehalten (FG-Urteil S. 13). Entsprechend ist auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) gegeben.

5. Der Gesichtspunkt der möglichen Privatinsolvenz bei Besteuerung des Veräußerungsgeschäfts kann als Billigkeitserwägung in diesem vom Billigkeitsverfahren unabhängigen Steuerfestsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden (vgl. BFH-Urteile vom 20. November 1987 VI R 140/84, BFHE 152, 310, BStBl II 1988, 402; vom 30. März 1995 V R 22/94, BFHE 177, 545, BStBl II 1995, 567); zudem handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das auch im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision angesichts der Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) von vornherein unbeachtlich bleibt (vgl. BFH-Beschluss vom 16. September 2002 IX B 20/02, BFH/NV 2003, 186, m.w.N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1626754

BFH/NV 2007, 31

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