Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Vernehmung des Konkursverwalters als Zeugen bei Geltendmachung eines Auflösungsverlusts i.S. des § 17 EStG vor Abschluss des Konkursverfahrens; Zeitpunkt der Realisierung des Auflösungsverlusts; Zuordnung der Beweiswürdigung zum materiellen Recht

 

Leitsatz (NV)

1. Das Finanzgericht begeht keinen Verfahrensfehler, wenn es für die Richtigkeit der Behauptung des Klägers, der Auflösungsverlust sei bereits vor Abschluss des Konkursverfahrens entstanden, den vom Kläger dazu als Zeugen benannten Konkursverwalter nicht vernimmt.

2. Die Realisierung eines Auflösungsverlusts setzt kumulativ voraus, dass mit einer Auskehrung von Gesellschaftsvermögen nicht zu rechnen ist und dass die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten feststeht.

3. Die Beweiswürdigung des Finanzgerichts ist revisionsrechtlich dem materiellen Recht und nicht dem Verfahrensrecht zuzuordnen.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3; EStG § 17

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Urteil vom 20.11.2003; Aktenzeichen 16 K 14117/01)

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.

1. Das Finanzgericht (FG) hat dadurch, dass es dem Beweisantrag des Klägers nicht entsprochen und den Konkursverwalter nicht als Zeugen vernommen hat, nicht gegen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 FGO) verstoßen. Bei der Prüfung, ob das FG einen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begangen hat, kommt es auf dessen materiell-rechtlichen Standpunkt an (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Juli 1999 VIII R 12/98, BFHE 189, 148, BStBl II 1999, 731, m.w.N.). Im Streitfall ist das FG in materiell-rechtlicher Hinsicht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH davon ausgegangen, ein Auflösungsverlust i.S. des § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) könne nur dann bereits vor Abschluss des Konkursverfahrens entstanden sein, wenn aufgrund des Inventars und der Konkurseröffnungsbilanz "ohne weitere Ermittlungen" mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen sei, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken werde und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen erscheine. Auf der Grundlage dieser materiell-rechtlichen Auffassung des FG wäre die Vernehmung des Konkursverwalters als Zeugen "eine weitere Ermittlung" gewesen. Da dann, wenn eine solche weitere Ermittlung erforderlich ist, nach der Rechtsprechung des BFH die Voraussetzungen für die Annahme, der Auflösungsverlust sei ausnahmsweise bereits vor Abschluss der Liquidation entstanden, gerade nicht vorliegen, war die Zeugenvernehmung aus materiell-rechtlicher Sicht nicht geboten.

2. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

a) Das FG ist mit seiner Rechtsauffassung, ein Auflösungsverlust sei nur dann bereits vor Abschluss des Liquidationsverfahrens realisiert, wenn aufgrund des Inventars und der Konkurseröffnungsbilanz oder einer Zwischenrechnungslegung "ohne weitere Ermittlungen" mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen sei, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken werde und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen erscheine, nicht von der Rechtsprechung des BFH abgewichen. Vielmehr entspricht diese Rechtsansicht den Rechtsgrundsätzen, die der BFH in seinen Urteilen vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/97 (BFH/NV 2001, 761, unter II.4. der Gründe) und vom 25. Januar 2000 VIII R 63/98 (BFHE 191, 115, BStBl II 2000, 343, unter II.2.c der Gründe) aufgestellt hat. An dieser Rechtsprechung hat der BFH auch in dem vom Kläger zitierten Urteil vom 25. März 2003 VIII R 24/02 (BFH/NV 2003, 1305) festgehalten. In diesem Verfahren war jedoch die Frage, ob "ohne weitere Ermittlungen" mit Auskehrungen seitens der Gesellschaft nicht mehr zu rechnen und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen gewesen sei, nicht entscheidungserheblich. Denn der BFH hat die Realisierung eines Auflösungsverlusts vor Abschluss des Konkursverfahrens mit der Begründung abgelehnt, dass sich die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten noch nicht habe absehen lassen.

b) Das angefochtene Urteil weicht entgegen der Rüge des Klägers auch nicht dadurch von dem Urteil in BFH/NV 2003, 1305 ab, dass es keine Feststellungen zur Vermögenslage auf der Ebene des Gesellschafters getroffen hat. Für das FG war die Frage, ob absehbar gewesen sei, in welcher Höhe dem Kläger noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende Veräußerungs- oder Aufgabekosten anfallen würden, nicht entscheidungserheblich. Denn die Realisierung eines Auflösungsverlustes setzt kumulativ voraus, dass mit einer Auskehrung von Gesellschaftsvermögen nicht zu rechnen ist und dass die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten feststeht (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 1305). Ist --wie im Streitfall nach Auffassung des FG-- bereits die erste Voraussetzung nicht erfüllt, ist die zweite nicht mehr entscheidungserheblich.

3. Das FG hat auch nicht gegen seine Verpflichtung verstoßen, seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Kläger trägt selbst vor, dass sich das FG in den Entscheidungsgründen seines Urteils mit dem Schreiben des Konkursverwalters vom 13. Juni 2003 auseinander gesetzt und es somit bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat. Die Rüge des Klägers, das FG habe diesem Schreiben nicht die richtige Bedeutung beigemessen, betrifft die Beweiswürdigung durch das FG. Diese ist revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht überprüfbar (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 22. Juni 1999 X B 25/99, BFH/NV 1999, 1612).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1401879

BFH/NV 2005, 1810

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