Entscheidungsstichwort (Thema)

Ort der Leistung bei Vercharterung von HochseeSegelyachten

 

Leitsatz (NV)

1. Umsätze aus der Vercharterung von Hochsee-Segelyachten werden an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Hochsee-Segelyachten sind Beförderungsmittel (§ 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG 1980). Umsätze aus der Vercharterung von Hochsee-Segelyachten werden deshalb nicht dort ausgeführt, wo diese Gegenstände genutzt werden.

2. Keine Verpflichtung zur Vorlage an den EuGH gemäß Art. 177 EWGVtr im Aussetzungsverfahren.

 

Normenkette

UStG 1980 § 3a Abs. 2 Nr. 4 i.d.F. vor dem Steuerbereinigungsgesetz 1985; EWGVtr Art. 177

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) hat im Streitjahr (1980) u.a. drei Hochsee-Segelyachten an private Segler verchartert. Diese übernahmen die Yachten in A, verließen unverzüglich die Hoheitsgewässer der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) und segelten auf offener See. In deutsche Hoheitsgewässer kehrten die Charterer erst zurück, um unverzüglich die Yacht in A dem Antragsteller zurückzugeben.

In der Umsatzsteuerjahreserklärung für 1980 erklärte der Antragsteller die Umsätze aus der Vercharterung als steuerfreie Umsätze. Dementsprechend erließ der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) einen Umsatzsteuerjahresbescheid für 1980 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977).

Im Anschluß an eine Außenprüfung erließ das FA einen nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderten Umsatzsteuerbescheid 1980 vom 30. August 1984, wobei es davon ausging, daß die Umsätze aus der Vercharterung von Segelyachten steuerbar und steuerpflichtig seien. Das FA ist der Auffassung, Segelyachten seien als Beförderungsmittel i.S. von § 3a Abs. 2 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 anzusehen. Gemäß § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG 1980 seien die Umsätze aus der Vercharterung von Segelyachten mithin im Erhebungsgebiet ausgeführt worden, weil der Antragsteller sein Unternehmen vom Erhebungsgebiet aus betreibe.

Der Einspruch blieb erfolglos.

Über die vom Antragsteller eingelegte Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden.

Nachdem das FA dem Antragsteller mitgeteilt hatte, daß es eine Aussetzung der Vollziehung nicht gewähren würde, beantragte der Antragsteller beim FG, die Vollziehung des angefochtenen Bescheides auszusetzen.

Das FG gab dem Antrag statt. Zur Begründung führte es aus, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides sei ernstlich zweifelhaft. Gemäß § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG 1980 werde eine sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibe. Abweichend hiervon werde nach § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG 1980 die Vermietung beweglicher körperlicher Gegenstände - ausgenommen Beförderungsmittel - dort ausgeführt, wo die Gegenstände genutzt werden. Das FG halte die in seinen Urteilen vom 29. September 1983 IV 78 + 80/83 (IV 78/83 abgedruckt in Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1984, 33) zum Ausdruck gekommene Auffassung - trotz der im Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. Dezember 1983 V S 13/83 (UR 1984, 122) dargelegten Meinung - für vertretbar, daß die vom Antragsteller vercharterten Segelyachten keine Beförderungsmittel i.S. des § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG 1980 seien, so daß die aus der Vercharterung erzielten Umsätze als nichtsteuerbar zu betrachten seien. Im Einklang mit der Auffassung des Bundesministers der Finanzen (BMF) in seinem Erlaß vom 4. Juni 1981 IV A 2 - S 7117 - 32/81 Rdnr. 8 (BStBl I 1981, 481, 482) könnten als Beförderungsmittel solche Gegenstände angesehen werden, deren Hauptzweck auf die Beförderung von Personen und Gütern gerichtet sei und die sich auch tatsächlich fortbewegten. Entgegen der Ansicht des BMF gehörten hierzu Segelboote grundsätzlich nicht. Zwar sei zuzugestehen, daß Segelboote auch zu dem Zweck benutzt werden könnten, Personen und/ oder Güter von einem Ort zum anderen fortzubewegen und daß dies bei ihrem Einsatz regelmäßig auch geschehe. Die Beförderung des Seglers oder der Segler bzw. von deren Ausrüstung und Ladung zu anderen Orten sei indes grundsätzlich nur das faktische Ergebnis, nicht aber der Zweck oder gar der Hauptzweck des Segelns. Hauptzweck des Segelns einer seegehenden Segelyacht sei die sportliche Betätigung und/oder Erholung durch das Segeln. Das Segelboot sei also in erster Linie ein Sport- und Freizeitgerät und damit kein Beförderungsmittel i.S. des § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG 1980.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde, der vom FG nicht abgeholfen worden ist, beantragt das FA unter Aufhebung der Vorentscheidung, den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzuweisen.

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Beschwerde des FA wird die Vorentscheidung aufgehoben; der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Antragstellers wird abgelehnt.

Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil entgegen der Annahme des FG im vorliegenden Fall nicht die Voraussetzungen gegeben sind, unter denen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides für ernstlich zweifelhaft gehalten werden könnte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Voraussetzungen wären unter den gegebenen Umständen nur dann erfüllt, wenn ernstlich in Betracht zu ziehen wäre, daß die umstrittenen Umsätze nicht steuerbar seien, weil die Vercharterung der Segelyachten durch den Antragsteller als eine Vermietung von solchen beweglichen körperlichen Gegenständen zu beurteilen sei, die nicht zu den Beförderungsmitteln gehörten (vgl. § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG 1980). Das ist indessen nicht der Fall.

In seinem Beschluß in UR 1984, 122 hat der Senat ausgeführt, der Ort einer sonstigen Leistung durch Vermietung von Beförderungsmitteln bestimme sich nach § 3a Abs. 1 UStG 1980. Dies folge aus § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG 1980. Yachten seien Wasserfahrzeuge. Sie dienten nicht anders als Land- und Luftfahrzeuge der Beförderung von Menschen und Gegenständen und seien daher Beförderungsmittel. Ein Befördern liege nicht nur dann vor, wenn andere Personen - sei es mit oder ohne gewerbliche Zielsetzung - von einem Ort zum anderen transportiert würden. Auch der Eigentransport falle unter den Begriff der Beförderung. Beförderung sei eine Folge der Bewegung des Fahrzeugs. Die Tatsache der Beförderung durch ein dafür geeignetes Fahrzeug entfalle nicht, wenn das Motiv nicht in dem wirtschaftlichen Nutzen einer Beförderung gesehen werde, sondern in der sportlichen Betätigung oder in anderen Gründen der Freizeitgestaltung. In seinem nicht zur Veröffentlichung bestimmten Beschluß vom 28. September 1987 V B 106/86, hat der Senat ausgeführt, daß er an der im Beschluß in UR 1984, 122, dargelegten Rechtsauffassung auch nach Überprüfung aufgrund der Entscheidungen des Schleswig-Holsteinischen FG in UR 1984, 33 und vom 4. März 1985 IV 44/84 (UR 1986, 125) festhalte.

Nach diesen Rechtsgrundsätzen bestehen auch im Streitfall keine ernstlichen Zweifel daran, daß der Antragsteller die Vermietung von Segelyachten im Erhebungsgebiet ausgeführt hat. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Antragstellers war mithin unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen.

2. Der Vorlage an den EuGH gemäß Art. 177 EWGVtr bedarf es schon deshalb nicht, weil im vorliegenden Fall in einem summarischen Eilverfahren zu entscheiden ist und die Frage der Auslegung des Gemeinschaftsrechts noch im anhängigen Hauptverfahren der Beteiligten einer Klärung durch den EuGH zugeführt werden kann (Urteil des EuGH vom 27. Oktober 1982 - Elestina Esselina Kristina Morson - Rs. 35 u. 36/82, EuGHE 1982, 3723, 3734, Rdnr. 7 und 8; Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. März 1984 8 TG 588/84, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern 1984, 183, 185; Grabitz, Kommentar zum EWG- Vertrag, Art. 177 Rdnr. 52, m.w.N.; Groeben/Boeckele/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag, 3. Aufl., 1983, Art. 177 Rdnr. 44).

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 52

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