Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustellung einer Rechtsbehelfsentscheidung an den nicht durch eine schriftliche Vollmacht legitimierten Berater

 

Leitsatz (NV)

1. Hat ein steuerlicher Berater ohne Vorlage einer schriftlichen Vollmacht im Namen und Auftrag eines Mandanten einen Rechtsbehelf eingelegt und besteht für das Finanzamt kein Anlaß, an der Bestellung des Beraters zum Bevollmächtigten zu zweifeln, darf das Finanzamt die Rechtsbehelfsentscheidung dem Berater zustellen.

2. Hat der Steuerpflichtige den Rechtsbehelf persönlich eingelegt und ergibt sich aus dem nachfolgenden Auftreten des steuerlichen Beraters im Rechtsbehelfsverfahren nicht eindeutig seine Bestellung zum Bevollmächtigten für das Verfahren und das daraus folgende mutmaßliche Interesse des Steuerpflichtigen an einer Zustellung der Rechtsbehelfsentscheidung an den Berater, muß die Entscheidung dem Steuerpflichtigen selbst zugestellt werden.

 

Normenkette

AO 1977 § 122 Abs. 5 S. 2; VwZG § 8 Abs. 1

 

Gründe

Die Beschwerde ist teils unzulässig, teils unbegründet. Sie war daher insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

1. Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache begehrt, ist die Beschwerde unzulässig.

Die Zulässigkeit der Beschwerde setzt insoweit u. a. voraus, daß der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage bezeichnet, die in dem von ihm angestrebten Revisionsverfahren seiner Ansicht nach zu klären ist, und daß er darlegt, warum deren Klärung für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen von Bedeutung ist (s. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 115 Rz. 61 m. w. N.). Hat der Bundesfinanzhof (BFH) bereits über die bezeichnete Rechtsfrage entschieden, muß der Beschwerdeführer eingehend darlegen, weshalb diese Rechtsprechung noch keine Klärung gebracht hat (s. BFH-Beschlüsse vom 26. November 1986 II B 112/86, BFH/NV 1988, 304; vom 27. Mai 1988 V B 82/86, BFH/NV 1989, 179; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 62).

Der Vortrag der Klägerin erfüllt nicht diese Voraussetzungen. Die Klägerin hat zwar vorgetragen, die BFH-Urteile vom 27. Februar 1986 IV R 72/85 (BFHE 146, 206, BStBl II 1986, 547) und vom 29. Juli 1987 I R 367, 379/83 (BFHE 152, 1, BStBl II 1988, 242) hätten "teilweise gewisse widersprüchliche Ergebnisse" zur Folge und es sei daher klärungsbedürftig, wann von einer Selbstbestellung auch unter den verschärften Voraussetzungen des letztgenannten Urteils auszugehen sei. Es fehlen aber Ausführungen, in welchen Fällen die Urteile nach Ansicht der Klägerin zu widersprüchlichen Ergebnissen führen und inwieweit sie noch keine Klärung der Rechtsfrage gebracht haben. Zu diesen Auführungen hätte insbesondere deshalb Anlaß bestanden, weil die Urteile klar erkennbar unterschiedliche Sachverhalte betreffen. Das Urteil in BFHE 146, 206, BStBl II 1986, 547 betrifft Fälle, in denen ein steuerlicher Berater ohne Vorlage einer schriftlichen Vollmacht im Namen und Auftrag eines Mandanten den Rechtsbehelf eingelegt hat und das Finanzamt keinen Anlaß hatte, an der Bestellung des Beraters zum Bevollmächtigten zu zweifeln. Das Urteil in BFHE 152, 1, BStBl II 1988, 242 betrifft dagegen den Fall, daß der Steuerpflichtige persönlich den Rechtsbehelf eingelegt hat und sich aus dem nachfolgenden Auftreten des steuerlichen Beraters im Rechtsbehelfsverfahren nicht eindeutig seine Bestellung zum Bevollmächtigten für das Verfahren und das daraus folgende mutmaßliche Interesse des Steuerpflichtigen an einer Zustellung der Rechtsbehelfsentscheidung an den Berater ergab. Nach den angeführten BFH-Urteilen darf das Finanzamt im ersten Fall die Rechtsbehelfsentscheidung dem Berater zustellen, im zweiten Fall muß es sie dem Rechtsbehelfsführer selbst zustellen. Der beschließende Senat vermag nicht zu erkennen, daß die beiden Urteile zu widersprechenden Ergebnissen führen können, und noch klärungsbedürftig ist, wann das Finanzamt einen Berater als zum Verfahrensbevollmächtigten bestellt ansehen darf.

2. Soweit die Klägerin die Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) und wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) begehrt, ist die Beschwerde unbegründet.

a) Das Finanzgericht (FG) ist nicht von dem BFH-Urteil in BFHE 152, 1, BStBl II 1988, 242 abgewichen.

Nach dem BFH-Urteil muß die Einspruchsentscheidung dem Einspruchsführer zugestellt werden, wenn dieser selbst den Einspruch eingelegt hat, dem Finanzamt keine schriftliche Vollmacht für einen Bevollmächtigten vorgelegt wurde und die besonderen Umstände des Einzelfalles nicht eindeutig erkennen lassen, daß die Zustellung der Einspruchsentscheidung an den am Verfahren mitwirkenden steuerlichen Berater im (mutmaßlichen) Interesse des Einspruchsführers liegt. Hat sich der Berater zum Vertreter des Einspruchsführers in dem Verfahren bestellt und besteht für das Finanzamt kein Anlaß, an der Bevollmächtigung zu zweifeln, ist nach dem Urteil die Annahme gerechtfertigt, daß die Zustellung der Einspruchsentscheidung an den Berater im mutmaßlichen Interesse des Einspruchsführers liegt.

Der Entscheidung des FG liegen diese Rechtssätze zugrunde. Das FG hat geprüft, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) aufgrund der besonderen Umstände des Streitfalles davon ausgehen konnte, daß die Klägerin mit der weiteren Bearbeitung der von ihrem Geschäftsführer eingelegten Einsprüche den Steuerberater B betraut und ihn zu ihrem Ver treter in den Einspruchsverfahren bestellt habe. Daß das FG diese Frage bejaht hat und somit aufgrund der besonderen Umstände des Streitfalles zu einem anderen Ergebnis als der BFH für den von ihm zu beurteilenden Sachverhalt gelangte, stellt keine Abweichung von den Rechtsausführungen des BFH dar.

Auch die Tatsache, daß das FG anders als der BFH im Urteil in BFHE 152, 1, BStBl II 1988, 242 nicht auf das Verhältnis zwischen § 8 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) und § 80 Abs. 3 Satz 3 der Abgabenordnung (AO 1977) eingegangen ist, stellt keine Abweichung von dem BFH-Urteil dar. Die Verweisung des § 122 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 auf das VwZG ist nach dem Urteil in BFHE 152, 1, BStBl II 1988, 242 eine abschließende Regelung, die § 80 Abs. 3 Satz 3 AO 1977 nicht einbezieht. Es bestand daher für das FG kein Anlaß, auf das Verhältnis zwischen beiden Vorschriften einzugehen, wenn es -- wie geschehen -- den Rechtsausführungen des BFH-Urteils folgte. Zudem betrifft § 80 Abs. 3 Satz 3 AO 1977 nur den Fall, daß sich das Finanzamt an den Verfahrensbeteiligten statt an dessen Bevollmächtigten wendet. Im Streitfall hat sich das FA während des Einspruchsverfahrens nicht an die Klägerin, sondern nur an B gewandt, den es aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles als Bevollmächtigten der Klägerin ansehen durfte.

b) Das Urteil des FG beruht nicht auf dem von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmangel. Daß die nach der Außenprüfung ergangenen und von der Klägerin mit den Einsprüchen angefochtenen Steuerbescheide an die Klägerin und nicht an B adressiert waren, läßt nicht erkennen, ob die Klägerin nach Einlegung der Einsprüche B zu ihrem Vertreter im Einspruchsverfahren bestellt hat oder nicht. Für das FG bestand daher kein Anlaß, die Adressierung der angefochtenen Bescheide bei der Würdigung der Umstände des Streitfalles zu berücksichtigen.

Der Streitwert ist unter Berücksichtigung des Antrags der Klägerin im Schriftsatz des B vom 9. Juni 1992 an das FG festgesetzt worden. Soweit das Verfahren die Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals betrifft, hat der Senat den Streitwert mit 10 v. H. des Streitwertes in der Körperschaftsteuersache angesetzt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420518

BFH/NV 1995, 852

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