Leitsatz (amtlich)

Trägt ein Steuerpflichtiger entscheidungserhebliche Tatsachen nicht vor, die nicht von untergeordneter Bedeutung sind und die er spätestens im Einspruchsverfahren vortragen konnte, sind ihm in der Regel die Kosten des Klageverfahrens aufzuerlegen, wenn sich der Rechtsstreit in der Hauptsache dadurch erledigt, daß das FA den Steuerbescheid aufgrund dieser Tatsachen nach § 94 AO sofort nach Kenntnis der Tatsachen berichtigt.

 

Normenkette

AO §§ 94, 238 Abs. 3 S. 3; FGO § 128 Abs. 3, §§ 137, 138 Abs. 2

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist auf die Beschwerde des Beklagten (FA), ob das FG den Klägern (Steuerpflichtigen) wegen verspäteten Vorbringens die Kosten nach § 138 Abs. 2 Satz 3, § 137 FGO auferlegen mußte, nachdem sich das Verfahren in der Einkommensteuer-Sache 1964 in der Hauptsache erledigt hatte.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde des FA mit der es begehrt, daß die Kosten des Verfahrens den Steuerpflichtigen auferlegt werden, und der das FG nicht abhalf, ist zulässig.

Ist eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen, findet gegen die Entscheidung über den Kostenpunkt die Beschwerde statt (§ 145 Abs. 2 FGO). Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Beschwerde ist, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 50 DM übersteigt (§ 128 Abs. 3 FGO). Diese Streitwertgrenze gilt auch für die Beschwerde gegen eine isolierte Kostenentscheidung (Beschluß des BFH V B 19/67 vom 22. Juni 1967, BFH 89, 116 -, BStBl III 1967,531).

Der Streitwert der Beschwerde des FA übersteigt 50 DM schon deshalb, weil die Gebühren des Prozeßbevollmächtigten des Steuerpflichtigen, die das FA nach § 139 Abs. 3 Satz 1 FGO aufgrund des Beschlusses des FG zu erstatten hätte, über diesem Betrag liegen. Gerichtskosten sind bei der Berechnung des Streitwerts nicht, wie es im Beschluß IV B 23/66 vom 14. April 1967 (BFH 88, 195, BStBl III 1967, 321) versehentlich geschehen ist, zu berücksichtigen, weil das FA als Landesbehörde von der Zahlung der Gerichtskosten befreit ist (§ 140 Abs. 1 FGO in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Die Beschwerde ist begründet.

Wird ein Rechtsstreit dadurch in der Hauptsache erledigt, daß dem Antrag des Steuerpflichtigen durch Änderung des angefochtenen Steuerbescheids stattgegeben wird, können ihm trotzdem die Kosten auferlegt werden, wenn die Änderung des Steuerbescheids auf Tatsachen beruht, die er früher hätte geltend machen können und sollen (§ 138 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit § 137 Satz 1 FGO). Das Gericht muß also nicht in jedem Fall dem Beteiligten, der Tatsachen verspätet vorbringt, die er früher hätte geltend machen können und sollen, die Kosten des Verfahrens auferlegen. Bei verspätetem Vorbringen in diesem Sinn darf aber nur in Ausnahmefällen von der Kostenfolge des § 137 Satz 1 FGO abgesehen werden. Es ist in aller Regel ungerechtfertigt, einem Beteiligten Kosten aufzuerlegen, die durch das Verschulden eines anderen Beteiligten entstanden sind (vgl. Klinger, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Auflage, Anm. E 1 zu § 155). Hierin liegt eine gewisse Verschärfung gegenüber dem Rechtszustand vor Inkrafttreten der FGO. Während nach § 307 Abs. 3 Satz 1 AO a. F. dem Steuerpflichtigen trotz Obsiegens die Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden konnten, wenn die Entscheidung auf Tatsachen beruhte, die er früher hätte geltend machen können und müssen, tritt diese Kostenfolge nach § 137 Satz 1 FGO bereits dann ein, wenn er die Tatsachen früher hätte geltend machen können und sollen. Diese Grundsätze hat das FG bei seiner Entscheidung, dem FA die Verfahrenskosten aufzuerlegen, nicht beachtet.

Die Steuerpflichtigen haben die Kosten der Klage zu tragen. Der Steuerpflichtige soll im Einspruchsverfahren die Tatsachen, die zur Begründung seines Einspruchs dienen, und die Beweismittel anführen (§ 238 Abs. 3 Satz 3 AO). Danach muß der Steuerpflichtige, wenn er vermeiden will, daß ihm die Kosten der Klage trotz Obsiegens auferlegt werden, alle Tatsachen und Beweismittel anführen, die in irgendeiner Weise für die Einspruchsentscheidung des FA von Bedeutung sein können. Die Tatsachen der Pachtzahlungen wären für die Entscheidung des FA über den Einspruch von Bedeutung gewesen. Der Steuerpflichtige hätte sie also im Sinne des § 137 Satz 1 FGO geltend machen sollen. Der Ansicht des FG, das FA habe deshalb die gesamten Verfahrenskosten zu tragen, weil der Steuerpflichtige die Pachtzahlungen nach dem Stand des Verfahrens nicht habe geltend zu machen brauchen und das FA "anläßlich der Nachschau vom 6. Juli 1966 die Ermittlungen auch auf die aus den Einnahmen zu bestreitetenden Kosten - z. B. auf die Pacht -" hätte ausdehnen können, kann nicht gefolgt werden. Denn abgesehen davon, daß das FA in der Regel nicht verpflichtet ist, vom Steuerpflichtigen unterlassene Zusammenstellungen der Betriebsausgaben vorzunehmen, schreibt § 238 Abs. 3 Satz 3 AO ausdrücklich vor, daß der Steuerpflichtige im Einspruchsverfahren alle - entscheidungserheblichen - Tatsachen und Beweismittel anführen soll.

Der Steuerpflichtige hätte die Pachtzahlungen im Einspruchsverfahren auch geltend machen können. Daß dem obsiegenden Beteiligten die Kosten nur auferlegt werden dürfen, wenn er entscheidungserhebliche Tatsachen und Beweismittel hätte früher anführen können, bedeutet, daß ihn an dem verspäteten Vorbringen ein Verschulden treffen muß (vgl. zu dem insoweit gleichlautenden § 307 Abs. 3 AO a. F. das Urteil des Senats IV 106/59 U vom 21. Mai 1959, BFH 69, 121, BStBl III 1959, 308). Das Erfordernis des Verschuldens stellt einen Ausgleich für die sehr weitgehende Darlegungslast dar. Ob ein Verschulden auch dann, wenn der Steuerpflichtige entscheidungserhebliche Tatsachen erst in der Klageschrift vorträgt, nur anzunehmen ist, wenn er diese grob nachlässig nicht bereits im Einspruchsverfahren geltend gemacht hat, wie der Senat für die Fälle des verspäteten Vorbringens im Einspruchsverfahren entschied (Urteile des Senats IV 554/53 U vom 28. Januar 1954, BFH 58, 470, BStBl III 1954, 90, und IV 196/63 vom 22. Juni 1967, BFH 89, 326, BStBl III 1967, 640), kann dahingestellt bleiben. Denn es stellte eine grobe Nachlässigkeit dar, daß der Steuerpflichtige die Pachtzahlungen, die nicht Betriebsausgaben von untergeordneter Bedeutung waren, nicht bereits im Einspruchsverfahren geltend gemacht hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67708

BStBl II 1968, 440

BFHE 1968, 557

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge