Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlehensgewährung und Provisionszahlungen an im Ausland ansässige Empfänger

 

Leitsatz (NV)

Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Pflichten gem. § 90 Abs. 2 AO 1977 und ist der Sachverhalt nicht anderweitig aufklärbar, so können FA oder FG zum Nachteil des Steuerpflichtigen von einem Sachverhalt ausgehen, für den unter Berücksichtigung der Beweisnähe des Steuerpflichtigen und seiner Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhalts eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht.

 

Normenkette

AO 1977 § 90 Abs. 2, § 160

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Das Hessische Finanzgericht (FG) hat dem Antrag der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) gegen den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) auf Aussetzung der Vollziehung der Körperschaftsteuerbescheide 1990 und 1991 nur in Höhe eines geringen Teilbetrages stattgegeben und ihn im übrigen abgelehnt. Es hat die Beschwerde zugelassen. Der gesondert gefaßte Zulassungsbeschluß wurde der Antragstellerin am 18. September 1995 zugestellt. Sie legte am 20. September 1995 Beschwerde ein, der das FG nicht abgeholfen hat und der folgender Sachverhalt zu Grunde liegt:

Die Antragstellerin ist eine GmbH, die den Handel mit Baumaschinen betreibt. Zu Beginn des Jahres 1990 waren an der Antragstellerin X und Y zu je 49,10 v. H. sowie M zu 1,8 v. H. beteiligt. X und Y waren auch zu Geschäftsführern berufen. Am 7. März 1991 teilte M ihren Geschäftsanteil je zur Hälfte auf und übertrug je einen neuen Geschäftsanteil auf X und Y, die seitdem zu je 50 v. H. an der Klägerin beteiligt waren.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellte das FA fest, daß die Antragstellerin nach eigener Darstellung in 1989 und 1990 vier Darlehensverträge über Beträge zwischen 90 000 DM und 400 000 DM, ingesamt über 800 000 DM mit dem Ägypter Z abgeschlossen hatte. Die Darlehensbeträge sollen bar ausbezahlt worden sein. Die Darlehensverträge liegen nur noch in Fotokopie vor. Die beiden ersten Darlehensverträge vom 1. November bzw. 15. Dezember 1989 über insgesamt 310 000 DM enthalten keine Vereinbarung über die Rückzahlung der Darlehen. In den beiden letzten Verträgen ist als Rückzahlungstermin der 31. Dezember 1990 vereinbart. Für die vier Verträge war eine Verzinsung von 10 v. H. vorgesehen. Weitere Vereinbarungen enthielten die Verträge nicht.

Die Antragstellerin wies in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1989 eine Darlehensforderung "an Auslandsvermittler für Gebrauchtmaschinen" in Höhe von 310 000 DM aus. In der Bilanz zum 31. Dezember 1990 erhöhte sich diese Forderung um zwei weitere Darlehen über insgesamt 490 000 DM sowie um eine Kaufpreisforderung von 18 333,30 DM. Sie minderte sich um eine angebliche Darlehensrückzahlung des Z in Höhe von 30 000 DM. Auf den Differenzbetrag von 788 334,60 DM nahm die Antragstellerin eine Teilwertabschreibung in Höhe von 50 v. H. = 394 167,30 DM vor, da die Durchsetzung der Forderung in Ägypten sehr schwierig sei. In der Bilanz zum 31. Dezember 1991 nahm die Antragstellerin eine weitere Teilwertabschreibung in Höhe von 344 167,30 DM auf nur noch 50 000 DM vor.

Das FA behandelte den Ausfall der Darlehensverträge als eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Es rechnete für das Wirtschaftsjahr 1990 einen Betrag von 403 332 DM und für das Jahr 1991 einen Betrag von 385 001,30 DM hinzu, nachdem es zuvor die Forderung in vollem Umfang als uneinbringlich angesetzt hatte.

Für das Wirtschaftsjahr 1991 machte die Antragstellerin Provisionszahlungen in Höhe von 46 500 DM an die Firma A-Ltd in London geltend. Der Betrag soll einem Vertreter der Gesellschaft bar ausgehändigt worden sein. Das FA zog Erkundigungen über die A-Ltd ein. Danach existiert die Gesellschaft nicht unter der angegebenen Adresse. Die ausgewiesene Telefonnummer kann wegen Umstellung des Vorwahlsystems nicht richtig sein. Das FA versagte deshalb den Betriebsausgabenabzug unter Berufung auf § 160 der Abgabenordnung (AO 1977).

Das FA erließ am 18. November 1994 geänderte Körperschaftsteuerbescheide 1990 und 1991, gegen die die Antragstellerin Einspruch einlegte, über den -- soweit bekannt -- noch nicht entschieden ist. Das FA lehnte einen gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.

Die Antragstellerin beantragte anschließend die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide beim FG. Dieses entsprach dem Antrag nur hinsichtlich eines Teilbetrages von rd. 50 v. H. von 18 333,30 DM = 9 164,70 DM. Insoweit ist der Antrag nicht mehr streitbefangen. Der im übrigen ablehnende Beschluß des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 451 veröffentlicht.

Mit ihrer fristgerecht eingelegten Beschwerde bestreitet die Antragstellerin die Annahme einer vGA aus Rechts- und aus tatsächlichen Gründen.

Sie beantragt, unter Änderung der angefochtenen Entscheidung den ursprünglich gestellten Anträgen stattzugeben.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines Bescheides aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen sie sprechende Gründe zutage treten, die eine Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182). Solche Gründe sind im Streitfall nicht gegeben.

2. Nach § 90 Abs. 2 AO 1977 haben die Beteiligten einen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen, wenn derselbe sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereiches der AO 1977 bezieht. Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Pflichten gemäß § 90 Abs. 2 AO 1977 und ist der Sachverhalt anderweitig nicht aufklärbar, so kann das FA zum Nachteil des Steuerpflichtigen von einem Sachverhalt ausgehen, für den unter Berücksichtigung der Beweisnähe des Steuerpflichtigen und seiner Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhaltes eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (vgl. BFH-Urteil vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462). Insbesondere dann, wenn die Mitwirkungspflicht sich auf Tatsachen und Beweismittel aus dem alleinigen Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen bezieht, kann das FA aus der Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen sogar für ihn nachteilige Schlußfolgerungen ziehen. Vor diesem steuerrechtlichen Hintergrund sind die tatsächlichen Feststellungen des FG zu sehen. Danach ist im Streitfall eine Vermögensminderung dadurch eingetreten, daß die Antragstellerin in den Jahren 1989 und 1990 angeblich Geld darlehenshalber an den Ägypter Z verausgabte und später die angeblichen Darlehensforderungen in den Bilanzen zum 31. Dezember 1990 und 1991 teilwertberichtigte. Die Existenz der Darlehensverträge ist letzlich nicht nachgewiesen. Sie liegen nur in Fotokopie vor. Ihre Echtheit ist damit nicht nachprüfbar. Die Darlehensbeträge sollen dem Z in bar übergeben worden sein. Die Übergabe ist jedoch durch kein zusätzliches Beweismittel belegt. Die in Fotokopie vorliegenden Darlehensverträge enthalten nur teilweise Vereinbarungen über die Fälligkeit und Rückzahlung der Darlehen. Das Verhalten, das die Antragstellerin bei der von ihr behaupteten Darlehensvergabe an den Tag legte, entspricht auch im übrigen nicht dem eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Dies gilt einmal bezüglich des Fehlens jeder Sicherheit. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter würde kein Darlehen in einer Gesamthöhe von 800 000 DM ohne jede Sicherheit ins außereuropäische Ausland geben, wenn die dort bestehenden äußeren Verhältnisse die Durchsetzung des Darlehensrückforderungsanspruches unmöglich machen. Dies gilt um so mehr, als die Darlehensgewährung durch die Antragstellerin als solche nicht ohne weiteres plausibel erscheint. Die Klägerin betrieb keine Bank. Darlehensgewährungen gehörten nicht zu ihren normalen Geschäften. Es ist auch nicht dargelegt, daß der durch den Aufbau einer Repräsentanz in Ägypten erwartete Zuwachs an Geschäften die Übernahme des Risikos rechtfertigte, einen Betrag von 800 000 DM zu verlieren. Schließlich entspricht es nicht dem Verhaltensmaßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, daß die Antragstellerin nicht die Verwendung des Darlehens zu dem vereinbarten Zweck überprüfte und das Darlehen nicht nur in dem Umfang ausbezahlte, wie es für den vereinbarten Zweck erforderlich war.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen kann einerseits nicht ausgeschlossen werden, daß die Darlegungen der Antragstellerin zutreffend sind. Es spricht jedoch eine mindestens ebenso große Wahrscheinlichkeit dafür, daß der behauptete Geschehensablauf nur einen anderen verdeckt. Insoweit sind mehrere alternativ in Betracht kommende andere Geschehensabläufe denkbar. Zum einen ist die Möglichkeit nicht auszuschließen, daß das Geld nie an Z, sondern unmittelbar an einen oder mehrere Gesellschafter der Antragstellerin bzw. an eine ihnen nahestehende Person ausbezahlt wurde oder daß Z alsbald nach Darlehenshingabe die Beträge wieder an die genannten Personen zurückzahlte. Dabei kann die Auszahlung an Gesellschafter der Antragstellerin bzw. ihnen nahestehende Personen dar lehens- oder ausschüttungshalber vorgenommen worden sein. Ebenso kann der wirtschaftliche Anlaß einer unterstellten Geldhingabe nicht in einem Darlehen, sondern in einer anderweitigen Investition in Ägypten bestanden haben. Schließlich muß sowohl eine unterstellte Darlehenshingabe als auch eine unterstellte andere Investition in Ägypten nicht im Interesse der Antragstellerin, sie kann ebenso im Interesse eines oder mehrerer Gesellschafter der Antragstellerin gelegen haben. Es ist der Sinn des § 90 Abs. 2 AO 1977, daß die Antragstellerin den Nachteil des insoweit nicht aufgeklärten und durch das FG allein nicht aufklärbaren Sachverhaltes tragen soll. Sie war gemäß § 90 Abs. 2 AO 1977 verpflichtet, von Anfang an für die erforderlichen Beweismittel Sorge zu tragen. Sie ist dieser Verpflichtung nicht nachgekommen. Angesichts der durch die Verletzung des § 90 Abs. 2 AO 1977 für das FG eingetretenen Minderung der Sachaufklärungspflicht ist es letztlich ohne Bedeutung, daß das FG eine andere Sachverhaltsdeutung als das FA in den Vordergrund seiner Überlegungen gestellt hat. Es reicht aus, daß die vom FG angenommene Deutung nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegt. Im Kern geht es stets um die Möglichkeit, daß ein oder mehrere Gesellschafter mit dem Darlehensbetrag von 800 000 DM eigene höchstpersönliche Zwecke verfolgten. Dabei kann zwar nicht ausgeschlossen werden, daß in Höhe von 310 000 DM eine vGA schon in 1989 anzunehmen und die damals aktivierte Darlehensforderung zu berichtigen ist. Dies würde jedoch eine Bilanzberichtigung auch für 1990 und 1991 mit der Folge nach sich ziehen, daß die dort vorgenommenen Teilwertabschreibungen rückgängig zu machen sind. Für 1989 wäre lediglich ein zusätzlicher Aufwand von 310 000 DM anzusetzen, der durch eine vGA in gleicher Höhe neutralisiert würde. Im Ergebnis hat deshalb das FG zutreffend (nur) die Körperschaft steuerbescheide 1990 und 1991 korrigiert.

3. Was den Betriebsausgabenabzug der Provisionszahlung in Höhe von 46 500 DM anbelangt, so gilt im Kern Entsprechendes, auch wenn zusätzlich auf § 160 Abs. 1 AO 1977 hinzuweisen ist. Danach sind Betriebsausgaben steuerlich regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen des FA nicht nachkommt, den Empfänger genau zu benennen. Dazu hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Existenz der A-Ltd nicht nachgewiesen ist. Die von ihr angeblich erbrachte Vermittlungsleistung ist unklar geblieben. Es besteht kein Vermittlungsvertrag. Die Höhe der Provision ist nicht nachvollziehbar. Der Zahlungsvorgang als solcher ist nicht nachgewiesen. Demgegenüber macht die Antragstellerin lediglich geltend, allen Verpflichtungen nachgekommen zu sein. Das FG hat jedoch den Sachverhalt nach seiner freien Überzeugung zu würdigen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Solange auf dieser Grundlage beim FG Zweifel an der Richtigkeit des vom Steuerpflichtigen behaupteten Sachverhaltes verbleiben, muß es §§ 90 Abs. 2 und 160 Abs. 1 AO 1977 anwenden (§§ 76 Abs. 1 Satz 4, 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Beweiswürdigung des FG ist durch den BFH nur sehr eingeschränkt nachprüfbar. Da die Schlußfolgerungen des FG weder gegen allgemeine Erfahrungssätze noch gegen Denkgesetze sprechen, ist auch insoweit von Pflichtverletzungen der Antragstellerin i. S. des § 90 Abs. 2 AO 1977 auszugehen. Auch insoweit entspricht es dem Zweck der Vorschrift, für die Besteuerung von dem Sachverhalt auszugehen, der möglicherweise verschleiert werden soll.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422181

BFH/NV 1997, 730

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