Entscheidungsstichwort (Thema)

Unrichtigkeiten im Tatbestand des FG-Urteils; mangelnde Sachaufklärung

 

Leitsatz (NV)

  1. Unrichtigkeiten im Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils können nicht im Rechtsmittelverfahren beim BFH, sondern nur mit einem fristgebundenen Antrag auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) beim FG geltend gemacht werden.
  2. Wird als Verfahrensmangel gerügt, das FG habe gestellte Beweisanträge übergangen (Rüge mangelnder Sachaufklärung gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), so ist in der Beschwerdebegründung substantiiert darzulegen,
  1. welche (genauen) Tatfragen aufklärungsbedürftig sind,
  2. welche Beweise zu welchem Beweisthema das FG nicht erhoben hat,
  3. die genauen Fundstellen, in denen die Beweismittel und Beweisthemen angeführt worden sind,
  4. das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme,
  5. inwiefern das angefochtene Urteil ‐ unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des FG ‐ auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann und
  6. dass die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem gerügt werden konnte.
  1. Die schlüssige Rüge, das FG habe den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen näher aufklären müssen, setzt u.a. den substantiierten Vortrag darüber voraus,
  1. aus welchen (genau bezeichneten) Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung (Beweiserhebung) auch ohne entsprechenden Antrag aufdrängen musste,
  2. welche (entscheidungserheblichen) Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten und
  3. inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.
 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3, § 108

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes (Urteil vom 11.09.2003; Aktenzeichen 2 K 252/01)

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Ihre Begründung entspricht nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. Soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) mit der Beschwerde vorträgt, das Finanzgericht (FG) habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt im Tatbestand des angefochtenen Urteils unvollständig bzw. teilweise unzutreffend dargestellt, hätte er diesen Mangel in einem anderen Verfahren rügen müssen. Unrichtigkeiten im Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils sind nicht im Rechtsmittelverfahren beim Bundesfinanzhof (BFH), sondern grundsätzlich nur mit einem (fristgebundenen) Antrag auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) beim FG geltend zu machen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 12. März 2002 VIII B 2/01, BFH/NV 2002, 1273, m.w.N.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 108 FGO Rz. 4 f.).

2. Die formgerechte Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) durch Nichterhebung angebotener Beweise setzt voraus, dass der Kläger darlegt (vgl. dazu grundlegend BFH-Urteil vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66, unter II. A. 1.; ferner BFH-Urteil vom 9. Juli 1998 V R 68/96, BFHE 186, 161, BStBl II 1998, 637):

Die ermittlungsbedürftigen Tatsachen (Beweisthemen),

die angebotenen Beweismittel,

die genauen Fundstellen (Schriftsatz oder Terminprotokoll), in denen die Beweismittel benannt worden sind, die das FG nicht erhoben hat,

das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme,

inwieweit das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann

und dass ―sofern die Voraussetzungen des § 295 der Zivilprozessordnung (ZPO) gegeben sind― bei nächster sich bietender Gelegenheit die Nichterhebung der Beweise gerügt worden ist oder dass die Absicht des FG, die angebotenen Beweise nicht zu erheben, nicht so rechtzeitig erkennbar war, um dies noch vor dem FG rügen zu können.

Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Es fehlt schon an den gebotenen substantiierten Angaben darüber, welche Beweise dem FG schriftsätzlich oder in der mündlichen Verhandlung angeboten worden sind. Zudem hat der Kläger nicht vorgetragen, dass er ―obwohl er in der mündlichen Verhandlung vor dem FG fachkundig vertreten war― die Nichterhebung von angebotenen Beweisen gerügt habe oder weshalb eine solche Rüge nicht möglich gewesen sei. Auch aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung ergibt sich nicht, dass der Kläger eine entsprechende Rüge erhoben hat.

3. Die vom Kläger erhobene Sachaufklärungsrüge ist aber auch dann unschlüssig, wenn man sie in der Weise auffasst, dass das FG den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen hätte weiter aufklären müssen. In diesem Zusammenhang fehlt es jedenfalls an den gebotenen substantiierten Ausführungen darüber,

aus welchen (genau bezeichneten) Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung (Beweiserhebung) auch ohne entsprechenden Antrag aufdrängen musste,

welche (entscheidungserheblichen) Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten und

inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können

(ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. die Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 120 Rz. 70).

4. Im Kern erschöpfen sich die Einwände des Klägers ―nach Art einer Klagebegründung― in kritischen Äußerungen darüber, dass und warum die vom FG vorgenommene rechtliche Beurteilung und tatsächliche Würdigung des Streitfalles unrichtig sei. Hinweise gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen sind im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren jedoch unbeachtlich (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2000 XI B 128/99, BFH/NV 2001, 800). Im Übrigen verkennt der Kläger in der Beschwerdebegründung, dass nicht nur neue Erkenntnisse des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) in die erstmalige Schätzung der Besteuerungsgrundlagen einfließen bzw. bei einer Änderung nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) berücksichtigt werden können. Dass eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO 1977 auch zum Nachteil des Steuerpflichtigen möglich ist, ohne dass es eines Hinweises auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung bedarf, hat das FG zutreffend unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH und Stimmen in der Literatur ausgeführt.

5. Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1129527

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