Leitsatz (amtlich)

1. Im Beschwerdeverfahren gegen die Streitwertfestsetzung eines FG ist der BFH an die Anträge des Beschwerdeführers nicht gebunden, wenn die Entscheidung bis zum Ablauf des Kalenderjahres ergeht, das auf die rechtskräftige Erledigung der Hauptsache folgt.

2. Zur Streitwertfestsetzung bei Zurückverweisung der Sache an das FG im ersten Rechtsgang und erneutem Revisionsverfahren im zweiten Rechtsgang.

 

Normenkette

FGO § 96 Abs. 1 S. 2, § 113 Abs. 1, § 140 Abs. 1, 3, § 146 Abs. 2; GKG § 11 Abs. 3, § 31 Abs. 1, § 33 Abs. 2

 

Tatbestand

Das FG hat in dem Rechtsstreit der Klägerin und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin) gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (FA) wegen Vermögensabgabe durch Beschluß vom 4. Juni 1973 den Streitwert für das gesamte Verfahren auf 174 769 DM festgesetzt. Die Beschwerdeführerin beantragt mit der Beschwerde, den Streitwert wie im Urteil des FG vom 14. Dezember 1971 für die Klage auf 32 859 DM und nur für die Revision auf 174 769 DM festzusetzen. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Der Rechtsstreit ist wie folgt verlaufen: Im ersten Rechtsgang hat die Beschwerdeführerin nach erfolglosem Einspruch beantragt, den Vermögensabgabebescheid vom 15. August 1963, durch den der ursprüngliche Vierteljahrsbetrag auf 2 056,45 DM festgesetzt worden war, aufzuheben und den Vermögensabgabebescheid vom 30. Juni 1961, durch den der ursprüngliche Vierteljahrsbetrag auf 0 DM festgesetzt worden war, aufrechtzuerhalten. Das FG-Urteil im ersten Rechtsgang führte zu einer Verböserung. Das FG setzte den ursprünglichen Vierteljahrsbetrag auf 4 580,95 DM fest. Mit der Revision gegen dieses Urteil beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung des FG-Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das FG. Aus der Revisionsbegründung geht hervor, daß sie nach wie vor die Aufrechterhaltung des Vermögensabgabebescheids vom 30. Juni 1961 erstrebte. Der Senat hob im ersten Rechtsgang das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Im zweiten Rechtsgang beantragte die Beschwerdeführerin, den Antrag des FA auf Herabsetzung des in dem angefochtenen Vermögensabgabebescheids vom 15. August 1963 vorläufig mit 2 000 000 DM berücksichtigten Vertreibungsschadens zurückzuweisen. Sie begehrte damit die Aufrechterhaltung des Bescheids vom 15. August 1963 mit dem ursprünglichen Vierteljahrsbetrag von 2 056,45 DM. Das FG wies durch Urteil vom 14. Dezember 1971 die Klage ab. Gegen dieses Urteil legte das FA Revision ein und beantragte, mit Rücksicht darauf, daß sich die Hauptsache durch einen Bescheid des Ausgleichsamts über die Höhe des Vertreibungsschadens erledigen werde, die Revisionsbegründungsfrist um zwei Monate zu verlängern. Nachdem das Lastenausgleichsamt durch einen Bescheid vom 15. März 1972 den Antrag auf Schadenfeststellung abgelehnt hatte, erließ das FA einen endgültigen Bescheid vom 24. April 1972, in dem der ursprüngliche Vierteljahrsbetrag wieder auf 4 580,95 DM festgesetzt wurde. Dieser Bescheid wurde nach § 68 FGO auf Antrag der Beschwerdeführerin zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Der BFH hob das Urteil des FG vom 14. Dezember 1971 auf, wies die Klage gegen den endgültigen Vermögensabgabebescheid vom 24. April 1972 ab und legte die Kosten des gesamten Verfahrens der Beschwerdeführerin auf.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet.

1. Das FG war befugt, den Streitwert für das gesamte Verfahren festzusetzen. Dabei braucht der Senat nicht darüber zu entscheiden, ob die mit dem Urteil des FG vom 14. Dezember 1971 verbundene Streitwertfestsetzung durch das Urteil des BFH im zweiten Rechtsgang ebenfalls aufgehoben worden ist. Denn selbst wenn man davon ausgeht, daß das nicht der Fall ist, ergibt sich die Berechtigung des FG, diese Streitwertfestsetzung zu ändern, aus § 146 Abs. 2 FGO. Es ist dem FG darin zuzustimmen, daß die in § 146 Abs. 2 Satz 2 FGO genannte Frist bei Ergehen des Beschlusses vom 4. Juni 1973 noch nicht abgelaufen war, weil die Entscheidung in der Hauptsache erst durch das BFH-Urteil vom 2. Februar 1973 im zweiten Rechtsgang Rechtskraft erlangt hat.

2. Die Festsetzung des Streitwerts für die Klage auf 174 769 DM ist jedoch sachlich unrichtig. Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß nach § 33 Abs. 2 GKG, der nach § 140 Abs. 1 FGO sinngemäß Anwendung findet, im Fall der Zurückverweisung an das Gericht der unteren Instanz das weitere Verfahren mit dem früheren Verfahren vor diesem Gericht im Sinne des § 31 Abs. 1 GKG eine Instanz bildet. Das bedeutet jedoch entgegen der Auffassung des FG nicht, daß der höhere Streitwert der Revisionsinstanz auch den im Verfahren vor dem FG entstehenden Kosten zugrunde zu legen ist. Die Vorschrift hat nur zur Folge, daß die beiden Rechtsgänge vor dem FG kostenrechtlich eine Einheit bilden (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 1963 VI 304/60 S, BFHE 76, 746, BStBl III 1963, 272).

3. Der Streitwert ist nach § 140 Abs. 3 FGO unter Berücksichtigung der Sachanträge der Beteiligten nach freiem Ermessen zu bestimmen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist in Lastenausgleichsveranlagungsfällen der Wert des Streitgegenstandes unter Zugrundelegung des Ablösungswertes zu ermitteln. Dabei ist der maßgebende Vervielfältiger der bis zum 31. Dezember 1955 geltenden Ablösungstabelle zu entnehmen (vgl. BFH-Urteil vom 16. Juni 1967 III 191/64, BFHE 89, 249). Nach dem im ersten Rechtsgang vor dem FG gestellten Antrag war der volle durch den Bescheid vom 15. August 1963 festgesetzte ursprüngliche Vierteljahrsbetrag von 2 056,45 DM streitig. Nach dem im zweiten Rechtsgang vor dem FG gestellten Antrag war dagegen der Unterschiedsbetrag zwischen dem vom FG im Urteil des ersten Rechtsgangs festgesetzten ursprünglichen Vierteljahrsbetrag von 4 580,95 DM und den im Bescheid vom 15. August 1963 festgesetzten Vierteljahrsbetrag von 2 056,45 DM, also ein Vierteljahrsbetrag von 2 524,50 DM streitig. Der Senat schließt sich der Auffassung des VI. Senats in dem Urteil VI 304/60 S an, daß in Fällen der Zurückverweisung der weitergehende Antrag für die Bemessung des Streitwerts maßgebend ist. Der Streitwert war daher für das Klageverfahren auf 2 524,50 DM X 38,1 513 DM = 96 312 DM festzusetzen. Die Streitwertfestsetzung für das Klageverfahren im Urteil des FG vom 14. Dezember 1971 auf 32 859 DM war unrichtig. Das FG hat diesen Streitwert aus dem Urteil des ersten Rechtsgangs vom 23. Februar 1965 übernommen. Aus diesem Urteil ergibt sich, daß er entgegen der ständigen Rechtsprechung des Senats zwar nach der bis zum 31. Dezember 1955 gültig gewesenen Ablösungstabelle, aber unter Zugrundelegung von 20 Ablösungsraten berechnet worden ist. Zur Änderung dieses falsch festgesetzten Streitwerts bedarf es, auch wenn man von dem Fortbestand der Streitwertfestsetzung im FG-Urteil vom 14. Dezember 1971 ausgeht, nicht der Voraussetzung des § 11 Abs. 3 GKG.

4. Die Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren auf 174 769 DM ist für die Revision des ersten Rechtsgangs nicht zu beanstanden. Dieser Betrag entspricht dem Ablösungswert des Vierteljahrsbetrags von 4 580,95 DM, der nach dem im Revisionsverfahren des ersten Rechtsgangs gestellten Antrag in vollem Umfang streitig war. Im zweiten Rechtsgang war dagegen nach dem gestellten Antrag wiederum nur der Unterschiedsbetrag von 2 524,50 DM streitig, so daß sich ein Streitwert für das Revisionsverfahren im zweiten Rechtsgang von 96 312 DM ergibt. Eine Zusammenfassung der beiden Revisionen zu einem Verfahren in einem Rechtsgang kommt nach dem BFH-Urteil VI 304/60 S, dem sich der Senat auch insoweit anschließt, nicht in Betracht. Einer Herabsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren des zweiten Rechtsgangs auf den Streitwert von 96 312 DM steht auch nicht entgegen, daß die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde die Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren nicht angegriffen hat. Nach § 113 Abs. 1 in Verbindung mit § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO darf das Gericht zwar auch im Beschlußverfahren nicht über das Begehren des Beschwerdeführers hinausgehen. Nach § 146 Abs. 2 FGO hat jedoch der BFH, wenn das Verfahren wegen der Entscheidung über den Streitwert bei ihm schwebt, die Befugnis, den Streitwert innerhalb der Frist des § 146 Abs. 2 letzter Satz FGO von Amts wegen zu ändern. Er ist dabei, wie der Senat bereits in dem Beschluß vom 19. November 1971 III B 29/71 (BFHE 103, 316, BStBl II 1972, 85, 86 rechte Spalte, letzter Absatz) ausgeführt hat, an die Anträge des Beschwerdeführers nicht gebunden. Da die Frist des § 146 Abs. 2 letzter Satz FGO auch jetzt noch nicht abgelaufen ist (vgl. die Ausführungen oben zu 1 am Ende), war der angefochtene Beschluß dahin zu ändern, daß der Streitwert für das Klageverfahren auf 96 312 DM, für das Revisionsverfahren im ersten Rechtsgang auf 174 769 DM und für das Revisionsverfahren im zweiten Rechtsgang auf 96 312 DM festzusetzen war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70643

BStBl II 1974, 141

BFHE 1974, 495

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