Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückweisung eines Prozeßbevollmächtigten wegen unbefugter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Hilfeleistung in Steuersachen ist geschäftsmäßig, wenn sie selbständig und in Wiederholungsabsicht erfolgt. Die Geschäftsmäßigkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Hilfeleistung nebenberuflich und unentgeltlich geschieht.

2. Bei unbefugter geschäftsmäßiger Hilfeleistung haben Finanzamt und Finanzgericht keine Ermessensbefugnis, von der Zurückweisung des unbefugten Bevollmächtigten abzusehen.

 

Normenkette

AO 1977 § 80 f.; FGO § 62 Abs. 2 S. 2; StBerG § 2 Abs. 2 S. 2, §§ 3-4, 6 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und gelegentlich auch Einkünfte aus selbständiger Arbeit sowie negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die auf erhöhten Absetzungen auf die Anschaffungskosten einer Eigentumswohnung beruhen. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) besteht in dem beim Finanzgericht (FG) anhängigen Klageverfahren wegen Einkommensteuer 1981 bis 1984 Streit über die Höhe des Anteils, mit dem der Grund und Boden in den Anschaffungskosten der Eigentumswohnung enthalten ist. In dem Klageverfahren ist der künftige Schwiegervater des Klägers als dessen Prozeßbevollmächtigter aufgetreten. Der Prozeßbevollmächtigte hat dem FG auf Anfrage mit Schreiben vom 22. November 1985 mitgeteilt, daß er den Kläger seit 1981 im Zusammenhang mit dem Kauf der Eigentumswohnung in steuerlichen Angelegenheiten unterstützt und daß er unterschiedlich ,,in allen Steuersachen" für ihn tätig geworden sei.

Das FG hat den Einkommensteuerakten des FA im einzelnen folgende Tätigkeiten des Prozeßbevollmächtigten für den Kläger entnommen: Fertigung und Unterzeichnung (,,im Auftrag") einer Einspruchsschrift vom 4. November 1983 wegen Einkommensteuer 1981 und 1982, Fertigung und Unterzeichnung (,,in Vertretung") einer Dienstaufsichtsbeschwerde vom 28. November 1983 in der Einkommensteuersache 1981 und 1982, Fertigung einer Einspruchsschrift vom 18. Oktober 1984 wegen Einkommensteuer 1983, Fertigung und Unterzeichnung eines Schreibens vom 22. Oktober 1984 wegen Umbuchung eines Einkommensteuerguthabens 1982.

Das FG hat den Prozeßbevollmächtigten wegen unbefugter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen für den Kläger gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückgewiesen.

Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht der Kläger geltend, die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO lägen nicht vor, da die Hilfeleistung nicht geschäftsmäßig gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde, die auch vom Kläger erhoben werden konnte (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Februar 1979 VI B 160/78, BFHE 127, 136, BStBl II 1979, 341, m.w.N.), ist unbegründet.

1. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs für den zurückgewiesenen Prozeßbevollmächtigten ist nicht schlüssig vorgetragen, da nicht der zurückgewiesene Prozeßbevollmächtigte, sondern der Kläger Beschwerde eingelegt hat. Im übrigen hat das FG in seinem Beschluß vom 12. Februar 1986, durch den es der Beschwerde nicht abhalf, zutreffend darauf hingewiesen, daß die in der gerichtlichen Aufforderung vom 10. Dezember 1985 gestellten Fragen zum Umfang der Tätigkeit des zurückgewiesenen Bevollmächtigten in dessen Schriftsatz vom 27. Januar 1986 nicht konkret beantwortet worden sind.

2. Die Voraussetzungen für die Zurückweisung des Prozeßbevollmächtigten nach § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO waren erfüllt.

Nach § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO sind Bevollmächtigte und Beistände, die geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, ohne dazu nach den Vorschriften des StBerG befugt zu sein, zurückzuweisen.

a) Der zurückgewiesene Bevollmächtigte hat dem Kläger geschäftsmäßig Hilfe in dessen Steuersachen geleistet. Eine Hilfeleistung in Steuersachen ist geschäftsmäßig, wenn sie selbständig und in der Absicht erfolgt, die Betätigung in gleicher Art zu wiederholen. Die Geschäftsmäßigkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Hilfeleistung nebenberuflich und unentgeltlich erfolgt. Dies ergibt sich aus § 2 Satz 2 StBerG i. d. F. vom 4. November 1975 (BGBl I, 2735, BStBl I, 1082). Danach gilt § 2 Satz 1 StBerG, wonach geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen nur von hierzu befugten Personen und Vereinigungen ausgeübt werden darf, ,,ohne Unterschied für hauptberufliche, nebenberufliche, entgeltliche oder unentgeltliche Tätigkeit". Nicht geschäftsmäßig ist die Hilfeleistung somit nur dann, wenn sie aus Anlaß eines besonderen Einzelfalles geleistet wird (BFH-Urteil vom 24. Juli 1973 VII R 58/72, BFHE 110, 7, BStBl II 1973, 743). Davon kann jedoch im vorliegenden Fall keine Rede sein. Der zurückgewiesene Prozeßbevollmächtigte hat nämlich gegenüber dem FG ausdrücklich erklärt, er sei in ,,allen Steuersachen" für den Kläger tätig geworden. Damit stimmt es überein, daß der zurückgewiesene Prozeßbevollmächtigte die Einsprüche wegen Einkommensteuer 1981, 1982 und 1983 nicht nur wegen der behaupteten unzutreffenden Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen auf die Eigentumswohnung, sondern auch wegen anderer Punkte erhoben und begründet hat. So ist z. B. mit dem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1981 außerdem geltend gemacht worden, das FA habe wegen der erheblichen Abweichungen von der Steuererklärung dem Kläger zuvor Gelegenheit zur Äußerung geben müssen und, da dies nicht geschehen sei, § 91 AO 1977 und das Recht auf Gehör verletzt, die Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit betrügen nicht 4 214 DM, sondern 4 394 DM, und die Sonderausgaben hätten nicht von 13 022,50 DM auf 3 600 DM gekürzt werden dürfen. In die Wertung, ob der zurückgewiesene Prozeßbevollmächtigte geschäftsmäßig gehandelt hat, hat das FG zu Recht auch einbezogen, daß der Bevollmächtigte eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die in der Steuersache des Klägers tätig gewordenen Beamten des FA erhoben und für den Kläger in einer Umbuchungssache tätig geworden ist. Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 28. Juli 1981 VII R 14/79, BFHE 134, 206, BStBl II 1982, 43), der sich der erkennende Senat anschließt, ist der Begriff der Hilfeleistung in Steuersachen angesichts des Zwecks der gesetzlichen Regelung, die geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen im Interesse des Steueraufkommens, der Steuermoral und des Schutzes unkundiger Bürger vor Falschberatung durch unfähige und ungeeignete Berater auf solche Berater zu beschränken, die dazu die erforderliche sachliche und persönliche Zuverlässigkeit besitzen (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 18. Juni 1980 I BvR 697/77, BVerfGE 54, 301, 314 ff., BStBl II 1980, 706, 710 ff., m.w.N.), nicht eng zu fassen und umfaßt auch die Beratung in weniger bedeutsamen Steuerangelegenheiten. Danach gehören zu der vom zurückgewiesenen Bevollmächtigten ausgeübten Hilfeleistung auch die Einlegung der Dienstaufsichtsbeschwerde (Urteil in BFHE 134, 206, BStBl II 1982, 43) und die Beratung bzw. Vertretung des Klägers im Zusammenhang mit der Umbuchung eines Steuerguthabens. Angesichts der vielfältigen und sich über einen mehrere Jahre umfassenden Zeitraum erstreckenden Hilfeleistungen des zurückgewiesenen Bevollmächtigten bedarf es unter diesen Umständen nicht der Entscheidung, ob nicht schon die Beratung und Vertretung des Klägers in der Frage der zutreffenden Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen als geschäftsmäßige Hilfeleistung anzusehen ist. Zutreffend hat das FG auch als unerheblich angesehen, ob der zurückgewiesene Bevollmächtigte auch noch weitere, vom Kläger selbst unterzeichnete Schriftsätze angefertigt hat.

b) Die Hilfeleistung erfolgte auch unbefugt. Der zurückgewiesene Bevollmächtigte gehört nicht zum Kreis der nach § 3 oder § 4 StBerG zur Hilfeleistung in Steuersachen befugten Personen. Die Voraussetzung des § 6 Nr. 2 StBerG, wonach das Verbot der geschäftsmäßigen Hilfeleistung für andere als die in §§ 3 und 4 StBerG bezeichneten Personen und Vereinigungen nicht für die unentgeltliche Hilfeleistung in Steuersachen für Angehörige gilt, waren, wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, nicht erfüllt, da der Kläger als Verlobter der Tochter des Bevollmächtigten nicht zu dessen Angehörigen gehört.

c) Sind die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO erfüllt, so muß das FG den Bevollmächtigten zurückweisen. Ein Ermessensspielraum besteht nicht (vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 62 FGO Tz. 7 a). Der Einwand des Klägers, das FA habe mit seinem ,,Antrag", den Bevollmächtigten zurückzuweisen, rechtsmißbräuchlich gehandelt, kann der Beschwerde schon aus diesem Grunde nicht zum Erfolg verhelfen. Das FG mußte bei dem festgestellten Sachverhalt, unabhängig von einem Antrag des FA, den unbefugten Bevollmächtigten von Amts wegen zurückweisen. Daß möglicherweise das FA rechtsfehlerhaft eine nach § 80 Abs. 5 AO 1977 gebotene Zurückweisung im Veranlagungs- und im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren unterlassen hat, ist für die Entscheidung des FG ohne Bedeutung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414747

BFH/NV 1987, 83

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