Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnungsgesuch; Anhörungsrüge und Gegenvorstellung wegen Zurückweisung einer NZB

 

Leitsatz (NV)

1. Die pauschale Ablehnung der Richter, die einen Beschluss über die Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde gefasst haben, ist rechtsmissbräuchlich und daher offensichtlich unzulässig, wenn keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen werden, die auf eine Befangenheit aller Mitglieder des Spruchkörpers hindeuten.

2. Mit der Anhörungsrüge gemäß § 133a FGO kann nur die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht werden, nicht jedoch die inhaltliche Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung.

3. Es kann offen bleiben, ob eine Gegenvorstellung als außerordentlicher Rechtsbehelf neben der Anhörungsrüge statthaft ist. Die Gegenvorstellung ist jedenfalls nur in Ausnahmefällen eröffnet, insbesondere bei schwerwiegenden Grundrechtsverstößen oder wenn die angegriffene Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar erscheint und jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt. Nur in einem solchen Ausnahmefall käme eine Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung in dem Verfahren des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB 3/07) in Betracht.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 2, § 133a; ZPO § 42; GG Art. 103 Abs. 1

 

Gründe

Das Ablehnungsgesuch, die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung der Klägerin, Beschwerdeführerin und Rügeführerin (Klägerin) haben keinen Erfolg.

1. Der Senat entscheidet in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung unter Mitwirkung der wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richter.

Die pauschale Ablehnung der Richter, die den Beschluss vom 30. März 2009 XI B 96/08 über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde gefasst haben, ist rechtsmissbräuchlich und daher offensichtlich unzulässig. Die Klägerin hat keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen, die auf eine Befangenheit aller Mitglieder des Spruchkörpers i.S. von § 51 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung hindeuten würden. Sie stützt ihr Ablehnungsgesuch darauf, dass die Mitglieder des erkennenden Senats, wie schon aus der Begründung zu 1. des Beschlusses vom 30. März 2009 XI B 96/08 ersichtlich sei, eine vorgefasste Rechtsmeinung gehabt hätten, weil sie nach unzulässiger Sachaufklärung hinsichtlich des Datums des angefochtenen Urteils des Finanzgerichts (FG) von einer offenbaren Unrichtigkeit i.S. von § 107 FGO ausgegangen seien. Damit wird kein für die Befangenheit sprechender Grund substantiiert dargelegt. Eine (vermeintlich) unrichtige Entscheidung kann für sich allein nicht die Annahme rechtfertigen, dass der Senat den Verfahrensbeteiligten gegenüber unsachlich oder parteilich eingestellt ist (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ‐-BFH-- vom 31. August 1999 V B 53/97, V S 13/99, BFH/NV 2000, 244; vom 16. September 1999 VII B 231/99, BFH/NV 2000, 331). Eine dienstliche Äußerung der abgelehnten Richter war deshalb entbehrlich.

2. Die Anhörungsrüge ist jedenfalls unbegründet.

a) Nach § 133a Abs. 1 FGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Die Rüge muss das Vorliegen der genannten Voraussetzungen darlegen (§ 133a Abs. 2 Satz 6 FGO).

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes und § 96 Abs. 2 FGO) verlangt von dem erkennenden Gericht vornehmlich, dass es die Beteiligten über den Verfahrensstoff informiert, ihnen Gelegenheit zur Äußerung gibt, ihre Ausführungen sowie Anträge zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 2005 VII S 17/05, BFH/NV 2005, 1614; vom 27. Dezember 2006 V S 24/06, BFH/NV 2007, 1667).

b) Der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör ist durch die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht verletzt worden.

Die Klägerin rügt, der Senat sei davon ausgegangen, das FG habe aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Rechnungsberichtigung eine Gefährdungslage bejaht. Dies widerspreche den tatsächlichen Feststellungen des FG zu den Rechnungsempfängern und der protokollierten Erklärung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) zum Zugang berichtigter Rechnungen im Jahr 2005. Die Annahme des Senats könne nur damit erklärt werden, dass ihr tatsächliches Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen worden sei.

Dieser Einwand ist unzutreffend. Das FG hat im angefochtenen Urteil die Klage wegen Änderung des Umsatzsteuerbescheids für das Streitjahr 2002 abgewiesen, weil die Klägerin die in Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 in der für 2002 geltenden Fassung (UStG) schulde und nicht nachgewiesen habe, dass den Leistungsempfängern im Streitjahr 2002 berichtigte Rechnungen zugegangen seien. Es hat darauf abgestellt, dass eine Berichtigung der Umsatzsteuer nach § 17 Abs. 1 UStG erst in dem Jahr erfolgen könne, in dem die Voraussetzungen einer Rechnungsberichtigung nebst Zugang der Berichtigungserklärung gegeben seien, im Streitfall also allenfalls im Jahr 2005 (vgl. FG-Urteil, S. 9 unten, S. 10 oben). Auch wenn es damit auf die Frage nach der Beseitigung einer durch den unrichtigen Steuerausweis eingetretenen Gefährdung des Steueraufkommens nicht mehr ankomme, habe die Klägerin diesbezüglich nichts Konkretes vorgetragen. Der bloße Hinweis, dass es sich bei den Leistungsempfängern "teilweise" um nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Privatpersonen gehandelt habe, reiche nicht aus (vgl. FG-Urteil, S. 11). Aus den Urteilsgründen ist deshalb deutlich zu entnehmen, dass das FG ‐-ohne dass es bei der Entscheidung noch darauf angekommen wäre―- eine Gefährdungslage bejaht hat.

c) Soweit sich die Klägerin mit ihren Rügen gegen die inhaltliche Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung wendet, ohne eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend zu machen, kann sie damit im Anhörungsrügeverfahren nicht gehört werden (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Mai 2006 VI S 5/06, BFH/NV 2006, 1337).

d) Ein Gehörsverstoß liegt auch insoweit nicht vor, als in der angegriffenen Entscheidung zu einem geltend gemachten Verfahrensfehler nicht Stellung genommen wurde. Nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO soll der Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Es besteht keine Verpflichtung des Gerichts, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 24. Februar 2009  1 BvR 189/09, nicht veröffentlicht --n.v.--, unter II.1.a). Auf den behaupteten Verfahrensfehler war schon deshalb nicht besonders einzugehen, weil er offensichtlich nicht vorlag.

e) Weitere Rügen sind nicht in der erforderlichen Weise gemäß § 133a Abs. 2 Satz 6 FGO dargelegt worden.

3. Die Gegenvorstellung ist unzulässig.

Ob die Gegenvorstellung gegen gerichtliche Entscheidungen einfachrechtlich statthaft ist, ist umstritten (vgl. zum Streitstand BVerfG-Beschluss vom 25. November 2008  1 BvR 848/07, Neue Juristische Wochenschrift 2009, 829, unter A.III.1. und B.I.1.b bb (1) (b)). Die Gegenvorstellung gegen gerichtliche Entscheidungen genügt zwar nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit, ist jedoch von Verfassungs wegen nicht als generell unzulässig anzusehen. Der Senat kann indes offenlassen, ob eine Gegenvorstellung als außerordentlicher Rechtsbehelf neben der Anhörungsrüge gemäß § 133a FGO statthaft ist. Einer Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung in dem Verfahren des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB 3/07) bedurfte es nicht, da die Gegenvorstellung jedenfalls nur in Ausnahmefällen eröffnet ist, insbesondere bei schwerwiegenden Grundrechtsverstößen oder wenn die angegriffene Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar erscheint und jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. September 2006 X S 13/06, BFH/NV 2006, 2304; vom 11. Juni 2007 IX S 4/07, BFH/NV 2007, 1535; vom 14. November 2006 IX S 14/06, BFH/NV 2007, 474; vom 11. März 2009 VI S 14/08, n.v., jeweils m.w.N). Dem Vortrag der Klägerin ist nicht zu entnehmen, dass dem Beschluss des Senats vom 30. März 2009 XI B 96/08 ein derart schwerwiegender Verstoß anhaftet.

4. Die Kostenpflicht hinsichtlich der Anhörungsrüge ergibt sich aus Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz --GKG-- (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG i.d.F. des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004, BGBl I 2004, 3220). Es fällt eine Festgebühr von 50 € an.

Hinsichtlich der Gegenvorstellung entstehen keine Gerichtsgebühren.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2196834

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