Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozessuale Folgen der Löschung einer GmbH

 

Leitsatz (NV)

Wird eine GmbH infolge Löschung im Handelsregister prozeßunfähig, so sind gleichwohl vorgenommene Prozeßhandlungen (hier: Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde) unzulässig. Etwas anderes kann - wegen des Fortbestandes der Vollmacht - nur gelten, wenn der Prozeßbevollmächtigte die Streitsache im Zeitpunkt des Eintritts der Prozeßunfähigkeit bereits anhängig gemacht hatte.

Die Kosten der erfolglosen Nichtzulassungsbeschwerde hat der als Prozeßbevollmächtigter Auftretende zu tragen, auch wenn er eine Vollmacht des früheren Geschäftsführers der GmbH vorlegt, die dieser erst nach der Löschung der GmbH erteilt hat.

 

Normenkette

FGO § 58 Abs. 2 S. 1, § 135 Abs. 1, § 155; ZPO §§ 88, 246 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) hatte mit Umsatzsteuerbescheid vom 9. Dezember 1983, zugestellt am 16. Dezember 1983, gegen die . . .-Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) die Umsatzsteuer für den Veranlagungszeitraum 1983 festgesetzt. Im August 1984 wurde die GmbH im Handelsregister gelöscht. Der von der GmbH rechtzeitig eingelegte Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 1983 wurde vom FA als unzulässig verworfen, weil die GmbH ohne gesetzlichen Vertreter sei. Hiergegen erhob Rechtsanwalt J. namens der GmbH Klage und legte zum Nachweis seiner Bevollmächtigung eine am 26. März 1987 von Herrn R., einem Handlungsbevollmächtigten der GmbH, unterzeichnete Prozeßvollmacht vor.

Die Klage ist vom Finanzgericht (FG) als unzulässig abgewiesen worden, weil die Klägerin (GmbH) bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung, aber auch im Zeitpunkt der Entscheidung des FG keinen gesetzlichen Vertreter gehabt habe. Die Kosten der Klage wurden der GmbH als Klägerin auferlegt, weil der Prozeßbevollmächtigte seine Bevollmächtigung nachgewiesen habe und die Vollmacht des Handlungsbevollmächtigten weitergelte, da kein Konkurs eröffnet worden sei.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des FG hat Steuerberater K. namens der GmbH Beschwerde eingelegt; er hat eine von Herrn R. unterzeichnete Prozeßvollmacht der GmbH vom 12. Dezember 1988 vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist wegen Prozeßunfähigkeit der als Beschwerdeführerin bezeichneten GmbH unzulässig.

Gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) handeln rechtsfähige und nichtrechtsfähige Personenvereinigungen durch die nach dem bürgerlichen Recht dazu befugten Personen. Wird, wie im Streitfall, eine GmbH im Handelsregister gelöscht, so führt dies zwar nicht zum Wegfall der Fähigkeit, Beteiligter im finanzgerichtlichen Verfahren zu sein. Da die Löschung aber den Verlust der Geschäftsführerbefugnis des Geschäftsführers zur Folge hat, wird die GmbH mangels eines vertretungsberechtigten Organs prozeßunfähig (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. März 1980 I R 111/79, BFHE 130, 477, BStBl II 1980, 587; vom 5. Februar 1985 VIII R 223/79, BFH / NV 1985, 88, und BFH-Beschluß vom 23. Januar 1985 I B 36/83, BFH / NV 1986, 341, jeweils m. w. N.); gleichwohl vorgenommene Prozeßhandlungen sind unzulässig.

Dies trifft auch auf die vorliegende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zu, denn der als Prozeßbevollmächtigter aufgetretene Steuerberater hat die Nichtzulassungsbeschwerde für eine prozeßunfähige Person eingelegt. Infolge der Löschung der GmbH im Handelsregister hat der bis dahin bestellte Geschäftsführer seine Vertretungsbefugnis verloren; ein gesetzlicher Vertreter, insbesondere ein Nachlaßliquidator, ist auch später nicht bestellt worden. Diese Rechtsfolge des Verlustes der Prozeßfähigkeit der GmbH ist nicht deshalb unbeachtlich, weil dem als Prozeßbevollmächtigten der GmbH Auftretenden eine Prozeßvollmacht durch den (früheren) Handlungsbevollmächtigten der GmbH, R., erteilt worden ist. Der Senat braucht nicht dazu Stellung zu nehmen, ob die Handlungsvollmacht nach Löschung der GmbH und Einstellung des Handelsgeschäfts überhaupt noch fortbestanden hat (vgl. § 168 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches) und welchen Umfang sie hatte (vgl. § 54 des Handelsgesetzbuches). Durch die vorgelegte Vollmacht vom 12. Dezember 1988 ist weder der Mangel der Prozeßfähigkeit der GmbH geheilt worden, noch liegt ein Fall des Fortbestandes der Prozeßvollmacht gemäß § 86 der Zivilprozeßordnung (ZPO) vor mit der Folge, daß trotz der Prozeßunfähigkeit der GmbH gemäß § 246 Abs. 1 ZPO das gerichtliche Verfahren nicht berührt wird (vgl. BFH-Beschluß in BFH / NV 1986, 341). Die Sonderregelung der §§ 86, 246 ZPO setzt - was im Streitfall nicht gegeben ist - voraus, daß der Prozeßbevollmächtigte im Zeitpunkt des Eintritts der Prozeßunfähigkeit die Streitsache bereits anhängig gemacht hatte; die GmbH ist jedoch bereits im August 1984 mit der Eintragung der Löschung in das Handelsregister prozeßunfähig geworden.

2. Die Kosten des Verfahrens waren gemäß § 135 Abs. 1 FGO dem als Prozeßbevollmächtigten auftretenden Steuerberater aufzuerlegen, da er die erfolglose Prozeßführung veranlaßt hat. Eine Kostenpflicht der GmbH kommt nicht in Betracht; sie ist nicht Beteiligte des Prozeßrechtsverhältnisses geworden. Wegen des Mangels der Prozeßfähigkeit konnte die von dem Steuerberater vorgenommene Prozeßhandlung der Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde für und gegen die GmbH keine Wirkung entfalten. Ein Rechtsstreit um die Prozeßfähigkeit der GmbH, in dem sie als prozeßfähig zu behandeln wäre (vgl. BFH-Urteil vom 3. Dezember 1971 III R 44/68, BFHE 105, 230, BStBl II 1972, 541), liegt nicht vor.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416444

BFH/NV 1990, 796

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