Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwertbemessung bei Verfahren nach Art. 3 § 5 VGFGEntlG

 

Leitsatz (NV)

1. Für die Bestimmung des Streitwerts einer Instanz ist der Sachantrag, d.h. das prozessuale Begehren, maßgebend, über den das Gericht nach dem eindeutigen Vorbringen des Klägers entscheiden soll.

2. Zur Frage der Präzisierung oder Änderung des für das prozessuale Begehren maßgebenden Klagevorbringens.

3. Die Zulassung der Revision kann im Wege der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mit der Begründung erreicht werden, das im Verfahren nach Art. 3 § 5 VGFGEntlG ergangene Urteile des FG habe nicht ohne mündliche Verhandlung ergehen dürfen, da diese ausdrücklich beantragt worden sei.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 1 Nr. 3; VGFGEntlG Art. 3 § 5

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) erhob beim Finanzgericht (FG) Klage mit der Bitte ,,um einen möglichst nahen Verhandlungstermin", in dem er beantragen werde, den Bescheid des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt - FA -) vom über die Festsetzung von Vollstreckungskosten in Höhe von 480 DM und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben. Das FG entschied über die Klage nach Art. 3 § 5 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) ohne mündliche Verhandlung und wies sie ab.

Der Beschwerdeführer legte gegen das Urteil des FG Beschwerde ein mit dem Antrag, die Revision gegen das Urteil zuzulassen. Zur Begründung führte er im wesentlichen folgendes aus: Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung sei schon deshalb nicht zulässig gewesen, weil der Streitwert 500 DM übersteige. Nach der Einspruchsentscheidung betrage der Streitwert 640 DM. Mit ihr sei der Einspruch gegen den Kostenansatz über 480 DM sowie gegen die mit der Pfändungsverfügung festgesetzten Pfändungsgebühren in Höhe von 155 DM und Auslagen in Höhe von 5 DM zurückgewiesen worden.

Mit der Äußerung der Bitte ,,um einen möglichst nahen Verhandlungstermin" in der Klageschrift sei deutlich zum Ausdruck gebracht worden, daß mündliche Verhandlung beantragt werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist nicht begründet. Der Beschwerdeführer strebt die Zulassung der Revision wegen geltend gemachter Verfahrensmängel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an. Dieses Begehren kann keinen Erfolg haben.

1. Mit der Rüge, der Streitwert der Klage übersteige 500 DM, so daß schon deshalb eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht zulässig gewesen sei, kann der Beschwerdeführer zumindest deshalb nicht durchdringen, weil entgegen seiner Auffassung die Pfändungsgebühren und Auslagen in die Bestimmung des Streitwerts nicht einzubeziehen sind.

a) Für die Bestimmung des Streitwerts einer Instanz ist der Sachantrag - das ist das prozessuale Begehren - maßgebend (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -, vgl. Beschluß vom 25. August 1976 II B 25/73, BFHE 119, 405, BStBl II 1976, 685). Als Sachantrag ist danach das Begehren anzusehen, über das das Gericht nach dem Vorbringen des Rechtsbehelfsführers (Klägers oder Antragstellers) entscheiden soll (vgl. Beschluß des BFH vom 26. November 1979 GrS 1/78, BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99).

Den Ausführungen in der Klageschrift muß entnommen werden, daß der Beschwerdeführer mit der Klage eine Entscheidung des FG angestrebt hat, mit der die Festsetzung der Vollstreckungskosten in Höhe von 480 DM aufgehoben werden sollte. Das folgt nicht nur aus der ausdrücklichen Bezeichnung dieses Betrages in der Klageschrift im Zusammenhang der Ausführungen über das Klagebegehren. Zu diesem Ergebnis führt vielmehr auch die Erkenntnis, daß der Beschwerdeführer eine Anfechtungsklage erhoben hat und daß diese Klage ausdrücklich gegen die Festsetzung der Vollstreckungskosten in Höhe von 480 DM in dem Bescheid vom . . . gerichtet ist. Das entspricht der Vorschrift in § 44 Abs. 2 FGO, nach der Gegenstand der Anfechtungsklage - auch nach einem Vorverfahren - der ursprüngliche Verwaltungsakt ist.

Maßgebend ist nach dieser Vorschrift zwar der Verwaltungsakt in der Gestalt, die die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf, im Streitfall also durch die Einspruchsentscheidung, erhalten hat. Aus dieser Regelung können für den Streitfall aber keine Folgerungen hergeleitet werden, da der vorgenannte Bescheid über die Vollstreckungskosten durch die Einspruchsentscheidung nicht geändert worden ist.

b) Die Einspruchsentscheidung enthält zwar auch eine Entscheidung über den Einspruch gegen die Festsetzung der Pfändungsgebühren und des Auslagenersatzes. Das rechtfertigt aber nicht, diese Kosten in die Bemessung des Streitwerts einzubeziehen. Der Beschwerdeführer hat in der Klageschrift weder zu erkennen gegeben, daß er auch die Aufhebung der Festsetzung dieser Kosten anstrebe, noch hat er zum Ausdruck gebracht, daß die Klage auch die Pfändungsverfügung als den ursprünglichen Verwaltungsakt, in dem die genannten Kosten festgesetzt sind, zum Gegenstand haben soll. Mit Rücksicht auf die Bezeichnung des festgesetzten Vollstreckungsbetrages von 480 DM und die Angabe des Bescheids, in dem diese Kosten festgesetzt sind, wäre es aber erforderlich gewesen, in der Klage eindeutig zum Ausdruck zu bringen, daß auch eine Aufhebung der Festsetzung der Pfändungsgebühren und des Auslagenersatzes angestrebt werde, um diese Kosten als Gegenstand des Verfahrens ansehen zu können.

Es mag zwar grundsätzlich zulässig sein, die Angaben zur Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts auch nach Ablauf der Klagefrist zu präzisieren oder gar nachzuholen (Urteil des BFH vom 12. Mai 1989 III R 132/85, BFHE 157, 296, 300, BStBl II 1989, 846). Die Präzisierung oder Nachholung darf sich dabei aber allenfalls in dem Bereich bewegen, der durch die am Ende der Klagefrist vorliegenden Angaben noch offen bleibt, mit der Folge, daß grundsätzlich neben einem bereits eindeutig bezeichneten angefochtenen Verwaltungsakt nicht weitere Verwaltungsakte zum Gegenstand der Anfechtungsklage gemacht werden können, sofern das Klagevorbringen bis zum Ablauf der Klagefrist nicht erkennen läßt, daß die Klage weitere Anfechtungsgegenstände haben könnte (Urteil des BFH vom 1. April 1981 II R 38/79, BFHE 133, 151, BStBl II 1981, 532). Daran fehlt es im Streitfall aber, wie bereits dargelegt. Bei dieser Sachlage braucht nicht entschieden zu werden, ob Angaben zur Bezeichnung weiterer Verwaltungsakte als Präzisierung oder Ergänzung der Ausführungen in der Klageschrift nicht auch deshalb wirkungslos sind, weil das FG bereits - wenn auch ohne mündliche Verhandlung - über die Klage entschieden hat. Grundsätzlich ist eine derartige Präzisierung oder Ergänzung bis zur mündlichen Verhandlung zulässig (vgl. BFHE 157, 296, 300, BStBl II 1989, 846).

2. Mit dem Einwand, die Entscheidung des FG habe nicht ohne mündliche Verhandlung ergehen dürfen, da eine solche beantragt worden sei (Art. 3 § 5 Satz 2 VGFGEntlG), kann der Beschwerdeführer die Zulassung der Revision schon deshalb nicht erreichen, weil mit ihr ein Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO geltend gemacht wird, der mit der zulassungsfreien Revision gerügt werden kann, so daß eine Zulassung der Revision dazu nicht erforderlich ist (vgl. Beschluß des BFH vom 9. Juni 1986 IX B 90/85, BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679).

3. Eine Umdeutung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in eine Revision ist nicht möglich (vgl. BFHE 146, 395, 397, BStBl II 1986, 679).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416878

BFH/NV 1990, 588

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