Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde; Darlegung der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör; Bedeutung des Protokolls

 

Leitsatz (NV)

1. Wird ein Verstoß gegen verzichtbare Vorschriften des Prozeßrechts gerügt, so ist der Verfahrensmangel nur dann ausreichend bezeichnet, wenn auch vorgetragen wird, daß die Rechtsnormverletzung bereits in der Vorinstanz gerügt wurde.

2. Die Verfahrensrüge fehlenden rechtlichen Gehörs setzt voraus, daß unzureichendes rechtliches Gehör für den Rügenden selbst (nicht für den Verfahrensgegner) gerügt wird.

3. Die Beachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden.

4. Die Rüge verspäteter Erstellung des Protokolls (§ 160 a ZPO) ist unbegründet, wenn aus den dem Protokoll beigehefteten stenografischen Notizen eine zeitnahe Erstellung ersichtlich wird.

 

Normenkette

FGO §§ 94, 115 Abs. 3; ZPO § 160 Abs. 3 Nr. 1, § 162 Abs. 1, §§ 165, 295 Abs. 1

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht begründet. Sie war zurückzuweisen.

1. a) Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) rügt das Übergehen der von ihm im Schriftsatz vom 14. September 1993 gestellten Anträge auf Vernehmung der Ehefrau des Prozeßbevollmächtigten des Klägers, ferner des Sachbearbeiters bei der X-Bank, Y, und schließlich eines Sachbearbeiters der Z-Bank.

Die Rüge ist nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form erhoben worden (§ 115 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Wird ein Verstoß gegen verzichtbare Vorschriften des Prozeßrechts gerügt, so ist der Verfahrensmangel nur dann i. S. von § 115 Abs. 3 FGO bezeichnet, wenn auch vorgetragen worden ist, daß die Rechtsnormverletzung bereits in der Vorinstanz gerügt wurde (§ 155 FGO i. V. m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --; Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 29. September 1988 V R 53/83, BFHE 154, 395, BStBl II 1988, 1022; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 120 Rz. 38). Das Übergehen eines Beweisangebots gehört zu den verzichtbaren Mängeln und kann mit Erfolg nur geltend gemacht werden, wenn es spätestens in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt wurde, in der der Rügeberechtigte erschienen ist (BFH in BFHE 154, 395, BStBl II 1988, 1022).

Da der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht vorgetragen hat, daß und weshalb die Voraussetzungen des § 295 Abs. 1 ZPO nicht erfüllt sind, fehlt es an einer formgerechten Rüge (BFH-Urteil vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Tz. 65, § 120 Tz. 38).

2. Auch die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs entspricht nicht den Erfordernissen des § 115 Abs. 3 FGO.

Der Kläger rügt, das Finanzgericht (FG) habe den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) darauf hinweisen müssen, daß die vom FA vorgenommene Vermischung der Darlehen gegen die Rechtsprechung des BFH verstieß. Bei gemischten Konten seien die Geldeingänge vorweg mit fiktiven Privatkrediten zu verrechnen.

Die Rüge ist unbegründet, weil der Kläger fehlendes rechtliches Gehör für den Ver fahrensgegner rügt. Die Verfahrensrüge fehlenden rechtlichen Gehörs setzt jedoch voraus, daß dem Rügenden kein ausreichendes Gehör gewährt wurde.

3. Das FG-Urteil stellt keine Überraschungsentscheidung dar. Die Entscheidung des FG erging zunächst als Gerichtsbescheid, so daß der Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme hatte.

4. Der Kläger rügt ferner mangelndes rechtliches Gehör wegen unzureichender Erörterung des Sachverhalts in der mündlichen Verhandlung. Auch habe der Berichterstatter des FG entgegen § 92 Abs. 2 FGO den Akteninhalt nicht vorgetragen. Soweit das Protokoll einen Verzicht seines Bevollmächtigten auf den Aktenvortrag enthalte, sei es unrichtig. Trotz seines Berichtigungsantrags vom 19. Januar 1994 sei das Protokoll nicht berichtigt worden. Schließlich sei das Protokoll erst nach der mündlichen Verhandlung erstellt worden. Das angefochtene Urteil beruhe auf diesen Mängeln.

Die Rüge ist unbegründet.

Die Beachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden (§ 165 ZPO, § 94 FGO). Gegen den die Förmlichkeiten der mündlichen Verhandlung betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung möglich (§ 165 Satz 2 ZPO, § 94 FGO).

Nach dem Protokoll haben die Beteiligten auf den Vortrag der Akten verzichtet. Außerdem hat nach dem Protokoll der Prozeßbevollmächtigte des Klägers

--eine Einführung in den Sachverhalt gegeben,

--ausgeführt, es habe in der Buchführung eine strikte Trennung der betrieblichen und der privaten Baukonten gegeben und

--seinen Antrag im Sinne des bisherigen schriftsätzlichen Vortrags und seiner Ausführungen in der mündlichen Verhandlung begründet.

Das Protokoll enthält ferner den Hinweis, daß die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert wurde.

Da der Kläger den Nachweis der Fälschung nicht führt, ist davon auszugehen, daß die im Protokoll beurkundeten Förmlichkeiten der mündlichen Verhandlung beachtet wurden.

Die Rüge verspäteter Erstellung des Protokolls (§ 160 a ZPO) ist unbegründet. Im Beschluß vom 2. Februar 1994 führt das FG aus, daß das Protokoll während der Sitzung in gebräuchlicher Kurzschrift nebst maschinenschriftlicher Anlage aufgezeichnet worden sei. Dem entspricht die dem Protokoll beigefügte Kurzschrift-Anlage. Der Vortrag des Klägers in der Nichtzulassungsbeschwerde, wegen der zur Verfügung stehenden Zeit habe das Protokoll erst nach der mündlichen Verhandlung er stellt werden können, schließt eine vorläufige Aufzeichnung in Kurzschrift oder durch gebräuchliche Abkürzungen nicht aus.

5. Der Kläger rügt ferner, das Protokoll über die mündliche Verhandlung sei entgegen § 162 Abs. 1 ZPO den Beteiligten nicht vorgelesen worden, soweit es Feststellungen nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 ZPO enthalte. Auch dieser Verfahrensfehler sei für das Urteil ursächlich gewesen.

Die Rüge ist teils unbegründet, teils nicht schlüssig erhoben. Nach § 94 FGO, § 162 Abs. 1 ZPO sind u. a. Feststellungen nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO und die zu Protokoll erklärten Anträge vorzulesen oder den Beteiligten zur Durchsicht vorzulegen.

Die Anträge der Beteiligten wurden nach dem Protokoll "laut dikiert und genehmigt". Dieses Verfahren entspricht dem § 162 Abs. 1 ZPO. Der im Protokoll beurkundete Verzicht des Klägers auf den Vortrag des Akteninhalts gehört nicht zu den in § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO erwähnten und zu verlesenden Prozeßhandlungen. Insoweit ist die Rüge nicht schlüssig.

6. Soweit der Kläger in seinen Schriftsätzen vom 31. Januar (eingegangen am 2. Februar), 10. Februar, 28. Februar und 7. Juni 1994 weitere Verfahrensmängel rügt, ist dies verspätet, da die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde am 31. Januar 1994 abgelaufen ist (§ 115 Abs. 3 FGO).

7. Die Divergenzrügen sind nicht formgerecht erhoben.

a) Der Kläger trägt vor, das FG habe gegen die Rechtsprechung zum Zweikonten- Modell verstoßen, wenn es annehme, der Kläger hätte sich durch raschere Rechnungserteilung die Mittel zu einer Verminderung der betrieblichen Darlehen verschaffen können.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist insoweit nicht formgerecht begründet. In der Begründung sind keine Rechtssätze des Beschlusses des Großen Senats Rechtssätzen des FG-Urteils gegenübergestellt (vgl. BFH-Beschluß vom 18. Januar 1991 VI B 140/89, BFHE 163, 204, BStBl II 1991, 309). Der Kläger hat seine Divergenzrüge im Schriftsatz vom 7. Juni 1994 zwar ergänzt. Gleichwohl kann die Rüge nicht durchgreifen. Dabei kann dahinstehen, ob die Ergänzung noch fristgerecht war. Jedenfalls ist die Rüge unbegründet.

Das FG ist entgegen der Annahme des Klägers nicht von einer betrieblichen Veran lassung der Kreditaufnahmen der in den Streitjahren aufgenommenen Kredite ausgegangen. Es hat vielmehr eine private Veranlassung bereits bei Kreditaufnahme vermutet.

b) Nach Auffassung des Klägers ist das FG bei der Aufteilung der betrieblich und privat genutzten Flächen vom BFH-Urteil vom 18. Oktober 1983 VI R 68/83 (BFHE 139, 520, BStBl II 1984, 112) abgewichen. In diesem Urteil habe der BFH entschieden, daß die Nutzflächen nicht in die Berechnung des Aufteilungsmaßstabes einzubeziehen seien.

Auch diese Rüge ist unbegründet. Das FG hat keinen Rechtssatz des vom Kläger behaupteten Inhalts aufgestellt. Es hat lediglich ausgeführt, daß es die klägerische Aufteilungsberechnung in der Grundstücksbeschreibung vom 24. November 1981 übernommen und nach der Ortsbesichtigung mit weitgehender Zustimmung des Klägers modifiziert habe. Das FG weist im übrigen auf das BFH-Urteil vom 5. September 1990 X R 3/89 (BFHE 161, 549, BStBl II 1991, 389) hin, wonach bei Einbeziehung der betrieblich genutzten Nebenräume (Garage) die betrieblich genutzten Räume ins Verhältnis zur Gesamtfläche zu setzen seien.

8. Soweit der Kläger rügt, daß nach der Betriebsprüfung keine Schlußbesprechung stattgefunden habe, wird damit nicht das Verfahren vor dem FG gerügt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420387

BFH/NV 1995, 623

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