Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Bedeutung der Bescheinigung nach § 73 Abs. 1 Nr. 2 UStDV

 

Leitsatz (NV)

Für die Zulässigkeit der Änderung einer Steuerfestsetzung ist unerheblich, ob dem Umsatzsteuersonderprüfer eine Bescheinigung nach § 73 Abs. 1 Nr. 2 UStDV vorgelegen hat, wenn aufgrund des abgeschlossenen Geschehensablaufs feststeht, daß die Voraussetzungen der in § 26 Abs. 5 Satz 3 UStG genannten Steuerbefreiung nicht gegeben waren.

 

Normenkette

AO § 164 Abs. 4 S. 1, § 173 Abs. 1-2; UStG § 26 Abs. 5 S. 3; UStDV 1980 § 73 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erwarb mit notariell beurkundeten Verträgen vom 20. Juni 1987 drei Mietwohngrundstücke von einem Bauträger (GmbH). Diese hatte bereits 1986 mit der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesvermögensamt, Mietverträge abgeschlossen. Danach sollte der Miet gegenstand den US-Streitkräften zur ausschließlichen Benutzung zur Verfügung gestellt und von diesen für Wohnzwecke verwendet werden. Im Hinblick auf diese nach Art. 67 Abs. 3 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen -- NATOZAbk -- steuerfreien Vermietungsleistungen, die gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 den Vorsteuerabzug nicht ausschließen, machte die Klägerin in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für die streitigen Zeiträume die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer von insgesamt ... DM als Vorsteuer geltend. Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung für die Zeiträume August bis Dezember 1987 im April/Mai 1988 stimmte das Finanzamt (FA) den Umsatzsteuervoranmeldungen zu. Am 30. August 1988 erklärte die GmbH ihren Rücktritt von den Verträgen. Das FA erließ am 24. Januar 1989 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Bescheide für die streitigen Voranmeldungszeiträume, in denen es die Erstattungsbeträge jeweils mit 0 DM festsetzte.

Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Klage ist beim Finanzgericht (FG) anhängig.

Das FG hat der Klägerin die Prozeßkosten hilfe (PKH) für das Klageverfahren versagt, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspreche. Es führt im wesentlichen aus, die Klägerin sei unstreitig niemals Eigentümerin der gekauften Grundstücke geworden. Sie sei nach Aktenlage auch niemals in die Mietverträge eingetreten, die die GmbH mit dem Bundesvermögensamt abgeschlossen gehabt habe. Wie die GmbH dem FA mit Schreiben vom 6. Mai 1988 mitgeteilt habe, habe sie mit dem Bundesvermögensamt die Absprache getroffen, daß unmittelbar nach Eigentumsumschreibung ein Mietvertragsnachtrag vorgenommen werden sollte, durch den die Klägerin Vermieterin habe werden sollen. Auf Anfrage habe das Bundesvermögensamt dem FA mitgeteilt, daß ein Mietvertragsnachtrag mit der Klägerin nicht abgeschlossen worden sei und der Mietzins für die auf den Grundstücken errichteten Wohnungen zunächst auf ein Konto der GmbH und später an den Zwangsverwalter überwiesen worden sei. Es sei mithin davon auszugehen, daß die Klägerin selbst niemals Vermietungsleistungen an die Angehörigen der US-Streitkräfte erbracht habe und daß das Bundesvermögensamt auch niemals Veranlassung gehabt habe, der Klägerin eine Bescheinigung i. S. des § 73 Abs. 1 Nr. 2 der Umsatzsteuer- Durchführungsverordnung (UStDV) zu erteilen. Mangels Ausführung von Umsätzen sei die Klägerin auch nicht Unternehmerin i. S. des § 2 UStG geworden und erfülle nicht die persönlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG. Verfahrensrechtlich sei das FA zur Änderung der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerfestsetzungen (§ 168 AO 1977) befugt gewesen; insbesondere habe die Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 im Anschluß an die Umsatzsteuersonderprüfung den vorgenommenen Änderungen nicht entgegengestanden.

Mit der Beschwerde macht die Klägerin im wesentlichen geltend, sie habe -- wie sich aus dem beigefügten Besitzübergabeprotokoll ergebe -- die Vermietungsobjekte abgenommen und damit die Verfügungsmacht darüber erhalten; denn nach § 8 der Kaufverträge gingen mit der jeweiligen Übergabe Besitz, Nutzungen, Gefahren und Lasten des Kauf objekts auf die Käuferin über. Dementsprechend habe sie auch Umsätze mit den Vermietungsobjekten ausgeführt. Sie habe im übrigen die Bescheinigung i. S. des § 73 Abs. 1 Nr. 2 UStDV dem Umsatzsteuersonderprüfer vorgelegt. Das FA hätte darüber hinaus aus verfahrensrechtlichen Gründen die Vorbehaltsfestsetzungen nicht ändern dürfen. Da sie im Besitz der erbauten Hausgrundstücke gewesen sei, seien sämtliche Voraussetzungen zum Vorsteuerabzug erfüllt, selbst wenn sie später trotz der eingetragenen Auflassungsvormerkung ihr Anwartschaftsrecht auf Eigentumsverschaffung wegen Zwangsversteigerung nicht zur Eigentumsübertragung habe vollziehen können. Eigentumsverschaffung sei jedoch nach dem UStG nicht Voraussetzung für den Vorsteuerabzug.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Zu Recht hat das FG die hinreichende Aussicht auf Erfolg der von der Klägerin beabsichtigten Rechtsverfolgung als Voraussetzung für die Bewilligung von PKH (§§ 142 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --) verneint.

Das FA war befugt, die gemäß § 168 Satz 1 AO 1977 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuervoranmeldungen trotz der vorangegangenen Umsatzsteuersonderprüfung zu ändern. Solange ein Vorbehalt der Nachprüfung wirksam bleibt, kann nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Die gemäß § 173 Abs. 2 AO 1977 nach einer Außenprüfung bestehende Änderungssperre findet nur auf beabsichtigte Änderungen i. S. des § 173 Abs. 1 AO 1977 Anwendung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 14. September 1993 VIII R 9/93, BFH/NV 1994, 519 m. w. N.).

Unerheblich ist, ob eine Bescheinigung des Bundesvermögensamts gemäß § 73 Abs. 1 Nr. 2 UStDV 1980 den Umsatzsteuersonderprüfer vorgelegen hat. Nach Aktenlage ist davon auszugehen, daß die Klägerin nicht Vermieterin der Grundstücke geworden ist; sie kann es -- wie sie selbst einräumt -- auch nicht mehr werden. Die Steuerfestsetzungen in den Voranmeldungen der streitigen Zeiträume waren demgemäß unabhängig vom Vorliegen der Bescheinigung zu ändern, weil die Klägerin die Grundstücke nicht in der beabsichtigten Weise verwendet hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1987 V R 1/79, BFHE 149, 307, BStBl II 1987, 521).

Vermieterin der Grundstücke war kraft Vertrags mit dem Bundesvermögensamt die GmbH. Diese Verträge wurden nicht auf die Klägerin umgeschrieben. Die Klägerin ist auch nicht kraft Gesetzes in die Vermieterstellung eingetreten. Der Eintritt nach § 571 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetz buches (BGB) setzt den Eigentumsübergang voraus (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 571 Tz. 2). Die Abnahme der Bauvorhaben führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar gingen dadurch Besitz, Nutzungen, Gefahren und Lasten der Kaufobjekte auf die Klägerin über. Dafür, daß sie daraufhin die Nutzungen aus den Grundstücken selbst gezogen hätte und zwischen ihr und dem Bundesvermögensamt ein Leistungsaustausch stattgefunden hätte, gibt es aber keinerlei Anhaltspunkte. Abgesehen vom Mangel der rechtlichen Stellung der Klägerin als Vermieterin hat das Bundesvermögensamt nach seinen Angaben die Mieten zunächst auf ein Konto der GmbH und anschließend an den Zwangsverwalter überwiesen. Die Umsätze aus der Vermietung durch den Zwangsverwalter sind der GmbH als Grundstückseigen tümerin zuzurechnen. Nach allem deutet nichts darauf hin, daß die Klägerin mit den Grundstücken Vermietungsumsätze ausgeführt hätte. Der Vorsteuerabzug steht ihr deshalb schon mangels Unternehmereigenschaft nicht zu (vgl. BFH-Urteil vom 6. Mai 1993 V R 45/88, BFHE 171, 138, BStBl II 1993, 564).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420255

BFH/NV 1995, 462

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