Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlende Entscheidungsgründe; Gewinnerzielungsabsicht bei der Veräußerung wissenschaftlicher Arbeiten

 

Leitsatz (NV)

1. Die Verfahrensrüge nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO darf nicht dazu führen, lediglich die Rüge der Verletzung materiellen Rechts zu verdecken.

2. Zur Gewinnerzielungsabsicht bei der Veräußerung und Verwertung wissenschaftlicher Arbeiten.

 

Normenkette

EStG § 18; FGO § 96 Abs. 2, § 116 Abs. 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie beziehen beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger hatte sich dienstlich mit wissenschaftlichen Arbeiten befaßt, die er zu veröffentlichen beabsichtigte. Mit dem Amt für ... schloß er am ... Januar/ ... Februar 1991 einen Vertrag, durch den dieses einen Teil der Rechte an den vom Kläger erstellten wissenschaftlichen Arbeiten für ein Entgelt in Höhe von ... DM (§ 4) erwarb (§ 1). U. a. war das Amt berechtigt, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu nutzen und sie ganz oder auszugsweise unter Nennung des Namens des Klägers zu veröffentlichen (§ 2). Auch der Kläger war berechtigt, die Arbeit für wissenschaftliche Zwecke zu verwerten und zu veröffentlichen (§ 5).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) erfaßte das gezahlte Entgelt ( ... DM) abzüglich geschätzter Betriebsausgaben ( ... DM) als Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Mit dem Einspruch machten die Kläger geltend, der Kläger habe die wissenschaftlichen Arbeiten aus persönlicher Neigung erstellt und nicht die Absicht gehabt, sie wirtschaftlich zu verwerten und Gewinne zu erzielen. Im übrigen fehle das Merkmal der Nachhaltigkeit, weil der Kläger die Rechte in nur einem einzigen Vorgang auf das Amt übertragen habe. Das Amt habe auch die nur handschriftliche Arbeit nicht verwerten können; allenfalls sei daher als Einlagewert der Verkaufserlös abzüglich der Aufwendungen für die Schreibarbeiten anzusetzen. Der Einspruch blieb erfolglos.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte u. a. aus, der Kläger habe die wissenschaftlichen Arbeiten angefertigt, um diese zu gegebener Zeit wissenschaftlich zu veröffentlichen. Er habe Entgelte erzielen wollen. Das sei ihm durch den Vertrag mit dem Amt auch gelungen. Er habe auch weiterhin zumindest latent die Absicht, mit seiner wissenschaftlichen Arbeit Einnahmen zu erzielen. Das habe er sich in § 5 des Vertrages ausdrücklich vorbehalten. Auch wenn er vorrangig beabsichtige, sich durch seine wissenschaftlichen Arbeiten zu habilitieren, schließe das eine wirtschaftliche Verwertung nicht aus.

Der Kläger habe im Streitjahr keine fertige Arbeit in seinen Betrieb einlegen können. Nach dessen Angaben seien die handschriftlichen Arbeiten nicht verwertbar gewesen. Die wissenschaftliche Arbeit sei erst mit ihrer Fertigstellung im Streitjahr entstanden.

Die Revision ließ das FG nicht zu.

Mit der Revision machen die Kläger geltend, das angefochtene Urteil sei nicht mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die mit der gleichzeitig eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Verfahrensmängel seien derart gravierend, daß eine zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO gegeben sei.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig (§ 124 Satz 1 FGO) und daher gemäß § 126 Abs. 1 durch Beschluß zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).

Die Kläger haben ihre Rüge, das Urteil sei nicht mit Gründen versehen, nicht schlüssig erhoben. Ein Mangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO liegt vor, wenn Gründe ganz oder zu einem wesentlichen Teil fehlen oder wenn das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 15. April 1986 VIII R 325/84, BFHE 147, 101, BStBl II 1987, 195, sowie BFH- Beschlüsse vom 17. Januar 1994 VIII R 50/93, BFH/NV 1994, 646, und vom 9. August 1995 VI R 48/95, BFH/NV 1996, 160). Die Rüge einer bloß lückenhaften oder einer fehlerhaften Begründung berechtigt dagegen nicht zu einer zulassungsfreien Revision. Denn die Verfahrensrüge nach § 116 Abs. 1 FGO darf nicht dazu führen, lediglich die Rüge der Verletzung materiellen Rechts zu verdecken (BFH-Beschluß in BFH/NV 1996, 160, m. w. N.).

Letzteres ist hier der Fall. Soweit die Kläger der Sache nach geltend machen, das FG habe sich in der mündlichen Verhandlung jeglicher Ausführungen zur Rechtslage enthalten und diese nicht mit den Beteiligten erörtert und dementsprechend ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO), betrifft das nicht das angefochtene Urteil selbst. Im übrigen steht dem bereits der Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem FG entgegen. Denn danach wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Den Antrag der Kläger auf Protokollberichtigung hat das FG zurückgewiesen. Es ist daher davon auszugehen, daß die Protokollierung in diesem Punkt richtig ist (vgl. BFH-Beschluß vom 15. November 1994 I B 34/94, BFH/NV 1995, 623). Selbst wenn man zugunsten der Kläger unterstellt, das FG habe trotz entsprechender Bitten der Kläger diesen auch in der mündlichen Verhandlung keine Fundstellen für seine Rechtsauffassung genannt, hätte das FG damit nicht den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör verletzt. Denn die Gewährung des rechtlichen Gehörs besteht -- wie im Wortlaut des § 96 Abs. 2 FGO zum Ausdruck kommt -- in der Verschaffung einer ausreichenden Gelegenheit zur Äußerung (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 96 Anm. 33). Die Kläger konnten sich in der mündlichen Verhandlung vor dem FG zu der vom FA in der Einspruchsentscheidung ausdrücklich bejahten Gewinnerzielungsabsicht äußern.

Im übrigen ist das FG im angefochtenen Urteil ausdrücklich darauf eingegangen, daß der Kläger die wissenschaftlichen Arbeiten im Lauf der Jahre angefertigt habe, um diese zu gegebener Zeit wissenschaftlich zu veröffentlichen. Zur Überzeugung des FG stand außer Zweifel, daß der Kläger "dabei, soweit sich dazu Möglichkeiten boten, Entgelte erzielen wollte. Dies ist ihm durch den Vertrag mit dem Amt auch gelungen". Das FG hat das auch daraus geschlossen, daß sich der Kläger in § 5 des Vertrages mit dem Amt ausdrücklich sogar für die veräußerten Teile das Recht vorbehalten hat, diese für wissenschaftliche Zwecke zu verwerten und zu veröffentlichen. Auch ist es auf die Absicht des Klägers eingegangen, sich mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten zu habilitieren, doch schließt diese Absicht eine wirtschaftliche Verwertung gerade nicht aus.

Die Rüge, das FG habe den Sachverhalt nicht aufgeklärt, führt nicht zur Annahme eines Mangels i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO, sondern kann nur im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde zur Zulassung der Revision führen.

Das angefochtene Urteil hat sich entgegen der Ansicht der Kläger auch mit dem Urteil des erkennenden Senats vom 23. Mai 1985 IV R 84/82, BFHE 144, 49, BStBl II 1985, 515 auseinandergesetzt; es weicht auch nicht davon ab. Der Senat hatte über sich auf einen längeren Zeitraum erstreckende Verluste aus einer schriftstellerischen und verlegerischen Tätigkeit zu entscheiden. Dem Steuerpflichtigen ging es dabei nicht darum, aus seinen Veröffentlichungen einen materiellen Nutzen zu ziehen, sondern seine Werke verbreitet zu sehen. Damit ist der Streitfall nicht vergleichbar. Denn hier war die sog. innere Tatsache der Gewinnerzielung anhand des unbestrittenen wirtschaftlichen Erfolges durch die Verwertung der wissenschaftlichen Arbeiten des Klägers zu beurteilen. Im Streitfall geht es auch nicht wie in dem von den Klägern angeführten BFH-Urteil vom 7. August 1967 VI R 25/67 (BFHE 90, 32, BStBl III 1967, 788) darum, ob Kosten für die Herstellung einer Habilitationsschrift als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzugsfähig sind, sondern um die wirtschaftliche Verwertung von wissenschaft lichen Arbeiten. Auch ein Universitätsassistent, der sich habilitieren will, erzielt mit den für Veröffentlichungen vereinnahmten Entgelten steuerpflichtige Einnahmen. Solche Entgelte werden erfaßt, und zwar unabhängig davon, ob der Assistent mit der Habilitation Einkünfte aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit erzielt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421636

BFH/NV 1997, 115

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