Leitsatz (amtlich)

Für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung zur Regelung eines Anspruchs auf Erteilung einer verbindlichen Zusage fehlt es regelmäßig an einem Anordnungsgrund.

 

Orientierungssatz

1. "Andere Gründe" i.S. von § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO rechtfertigen eine einstweilige Anordnung nur dann, wenn sie für die begehrte Regelungsanordnung ähnlich gewichtig oder bedeutsam sind wie "wesentliche Nachteile" oder "drohende Gewalt" (vgl. BFH-Beschluß vom 19.7.1978 I B 14/78). Die Gründe müssen so gravierend sein, daß sie den Erlaß einer einstweiligen Anordnung unabweisbar machen.

2. Für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist es erforderlich, daß der Antragsteller einen eigenen Rechtsanspruch und eine Beschwer darlegt. Die Darlegung eines eigenen Rechtsanspruchs erfordert den Vortrag von Tatsachen, aus denen sich der Rechtsanspruch schlüssig ergibt. Dabei muß der Antragsteller aus Gründen des § 40 Abs. 2 FGO eigene Rechte gegenüber der Verwaltung verfolgen (vgl. BFH-Beschluß vom 23.10.1985 VII B 28/84). Eine Beschwer ist nur dargelegt, wenn der Antragsteller Tatsachen vorträgt, aus denen sich --ihre Richtigkeit unterstellt-- ergibt, daß die Unterlassung einer einstweiligen Regelung zu einer Rechtsverletzung bzw. Rechtsgefährdung geführt hat (Literatur).

3. Ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zur Regelung des Anspruchs auf Erteilung einer verbindlichen Zusage darüber, daß der Steuerpflichtige, der beabsichtigt, sämtliche Anteile an einer GmbH zu erwerben (Mantelkauf) und sein Einzelunternehmen in die GmbH einzubringen, die von der GmbH in der Vergangenheit erzielten Verluste von den künftigen Gewinnen abgezogen werden können, ist unzulässig. Denn der Antragsteller verfolgt, indem er eine Auskunft über die künftige Besteuerung eines anderen Steuerpflichtigen begehrt, gegenüber dem FA keine eigenen Rechte. Im übrigen rechtfertigt das Risiko der steuerlichen Auswirkung seiner eigenen geschäftlichen Dispositionen noch nicht den Erlaß einer einstweiligen Anordnung.

 

Normenkette

FGO § 114 Abs. 1 S. 2, § 40 Abs. 2; EStG § 10d; KStG 1977 § 8 Abs. 4

 

Tatbestand

I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) beantragte am 23.Dezember 1987 beim Finanzgericht (FG), unter Aufhebung einer Verfügung vom Dezember 1987 im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) zu verpflichten, über den Antrag des Antragstellers vom 7.Oktober 1987 in Form einer verbindlichen Zusage zu entscheiden. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Antragsteller betreibt in K ein Einzelunternehmen. Er beabsichtigt, sämtliche Geschäftsanteile an der M-GmbH in R zu erwerben, sein Einzelunternehmen in die M-GmbH einzubringen und es fortan durch die M-GmbH betreiben zu lassen. Durch seinen Antrag vom 7.Oktober 1987 erbat er eine verbindliche Zusage darüber, daß die von der M-GmbH in der Vergangenheit erzielten Verluste gemäß § 8 Abs.4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 i.V.m. § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) von den künftig erwarteten Gewinnen abgezogen werden können. Das FA lehnte die begehrte verbindliche Zusage mit einem Schreiben aus dem Dezember 1987 ab, weil ein Gestaltungsmißbrauch i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) vorliegen könne und eine gesetzliche Regelung der Mantelkaufproblematik zu erwarten sei.

Aufgrund dieser ablehnenden Auskunft wandte sich der Antragsteller --wie dargelegt-- an das FG mit der Bitte um Erlaß einer einstweiligen Anordnung. Das FG lehnte den Antrag als unbegründet ab. Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht der Antragsteller geltend, das FG habe die Sach- und Rechtslage verkannt.

Der Antragsteller beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses des FG vom 29.Januar 1988 das FA zu verpflichten, über den Antrag vom 7.Oktober 1987 in der Form einer verbindlichen Zusage zu entscheiden.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist mit der Maßgabe unbegründet, daß der vom Antragsteller gestellte Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung unzulässig und nicht unbegründet ist. Die besonderen Voraussetzungen des § 114 Abs.1 Satz 2 und Abs.3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind nicht erfüllt. Deshalb war die Beschwerde zurückzuweisen.

1. Nach § 114 Abs.1 FGO kann das Gericht der Hauptsache unter im einzelnen näher umschriebenen Voraussetzungen eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf den Streitgegenstand oder in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen. Dazu ist erforderlich, daß der Antragsteller

1) einen eigenen Rechtsanspruch und

2) eine Beschwer

darlegt. Die Darlegung eines eigenen Rechtsanspruchs erfordert den Vortrag von Tatsachen, aus denen sich der Rechtsanspruch schlüssig ergibt. Dabei muß der Antragsteller aus Gründen des § 40 Abs.2 FGO eigene Rechte gegenüber der Verwaltung verfolgen (Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.Oktober 1985 VII B 28/84, BFHE 144, 404, BStBl II 1986, 26). Eine Beschwer ist nur dann dargelegt, wenn der Antragsteller Tatsachen vorträgt, aus denen sich --ihre Richtigkeit unterstellt-- ergibt, daß die Unterlassung einer einstweiligen Regelung zu einer Rechtsverletzung bzw. -gefährdung geführt hat (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, § 114 Anm.12, m.w.N.). Im Streitfall erfüllt der am 23.Dezember 1987 gestellte Antrag beide Voraussetzungen nicht.

2. An der schlüssigen Darlegung eines Rechtsanspruchs auf Erteilung einer verbindlichen Zusage durch den Antragsteller fehlt es schon deshalb, weil der Antragsteller eine Auskunft über die künftige Besteuerung eines anderen Steuerpflichtigen, nämlich der M-GmbH begehrt. Damit verfolgt er gegenüber dem FA keine eigenen Rechte. Es fehlt insoweit an den Voraussetzungen des § 40 Abs.2 FGO, der auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung gilt (Beschluß in BFHE 144, 404, BStBl II 1986, 26).

3. Es fehlt auch an einem Anordnungsgrund i.S. des § 114 Abs.1 Sätze 1 oder 2 FGO.

Der Antragsteller hat nicht schlüssig dargelegt, daß die Verwirklichung seines (vermeintlichen) Rechtsanspruchs auf Erteilung einer verbindlichen Zusage durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes vereitelt oder wesentlich erschwert würde (Sicherungsanordnung). Unterstellt man, daß der Antragsteller einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer verbindlichen Zusage hat, so kann er diesen durch Erhebung einer Klage geltend machen, ohne daß die Gefahr einer Vereitelung oder wesentlichen Erschwerung des Anspruchs zu erkennen wäre.

Der Antragsteller hat ebensowenig dargelegt, daß eine Regelung aus Gründen des § 114 Abs.1 Satz 2 FGO nötig erscheint (Regelungsanordnung). Er hat nicht vorgetragen, daß der Erlaß einer einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen ähnlich wichtigen und bedeutsamen Gründen nötig erscheint (vgl. BFH-Beschluß vom 14.Januar 1987 II B 102/86, BFHE 148, 440, BStBl II 1987, 269). Er hat lediglich geltend gemacht, nicht das Risiko der steuerlichen Auswirkungen seiner eigenen geschäftlichen Dispositionen tragen zu wollen. Dies rechtfertigt jedoch noch nicht den Erlaß einer einstweiligen Anordnung. Üblicherweise trägt jeder Steuerpflichtige das Risiko der steuerlichen Auswirkungen seiner geschäftlichen Dispositionen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 114 FGO Anm.17). Umgekehrt räumt § 114 Abs.1 Satz 2 FGO dem Gericht keine schrankenlose Befugnis zum Erlaß einer Regelungsanordnung ein. Die ausdrücklich genannten Gründe ("wesentliche Nachteile" und "drohende Gewalt") setzen Maßstäbe auch für die "anderen Gründe". "Andere Gründe" rechtfertigen eine einstweilige Anordnung nur dann, wenn sie für die begehrte Regelungsanordnung ähnlich gewichtig oder bedeutsam sind wie "wesentliche Nachteile" oder "drohende Gewalt" (BFH-Beschluß vom 19.Juli 1978 I B 14/78, BFHE 125, 351, BStBl II 1978, 598). Die Gründe müssen so gravierend sein, daß sie den Erlaß einer einstweiligen Anordnung unabweisbar machen. Davon kann im Streitfall keine Rede sein. Der Antragsteller ist auch ohne verbindliche Zusage nicht gehindert, die Anteile an der M-GmbH zu erwerben und sein Einzelunternehmen in die M-GmbH einzubringen. Die damit verbundenen steuerlichen Risiken sind weder ein "wesentlicher Nachteil" noch ein bedeutsamer "anderer Grund" i.S. des § 114 Abs.1 Satz 2 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62337

BStBl II 1988, 585

BFHE 153, 2

BFHE 1989, 2

DStR 1988, 509 (ST1)

HFR 1988, 458 (LT1)

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