Leitsatz (amtlich)

1. Die Revision kann nur beim zuständigen FG wirksam eingelegt werden (vgl. Beschluß des BFH vom 12. Januar 1968 VIR 278/67, BFHE 91, 341, BStBl II 1968, 350).

2. Zur Bestellung eines Bevollmächtigten im Sinne von § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt schlüssige oder ausdrückliche Handlung des Vollmachtgebers. Nachträgliche Bestellung heilt frühere Zustellung an den noch nicht Bestellten.

2. Zur wirksamen Zustellung eines Urteils genügt es, wenn zumindest eine von mehreren Ausfertigungen mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehen ist.

2. Gibt der Bevollmächtigte eine ihm zusätzlich zugestellte, mit einer Rechtsmittelbelehrung nicht versehene Urteilsausfertigung an den Vollmachtgeber weiter, so stehen diesem Nachsichtsgründe selbst dann nicht zur Seite, wenn der Bevollmächtigte seinen Auftraggeber über Möglichkeit und Einzelheiten einer Rechtsmitteleinlegung nicht unterrichtet hat.

 

Normenkette

FGO §§ 55-56, 62 Abs. 3 S. 3, § 115 Abs. 1, § 120 Abs. 1, § 124

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 25.07.1973; Aktenzeichen 2 BvR 194/73)

 

Tatbestand

Das Teilurteil des FG vom 20. Juli 1971 wurde dem Rechtsanwalt Dr. H. lt. Empfangsbekenntnis am 25. September 1971, zugestellt.

Hiergegen legte der Kläger und Revisionskläger (Kläger) in einem an den BFH gerichteten Schreiben vom 22. Oktober 1971, eingegangen beim BFH am 23. Oktober 1971, das als Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel ein. Die Beschwerdeschrift wurde vom BFH mit Verfügung vom 25. Oktober 1971 dem FG lt. Absendevermerk am 26. Oktober 1971 übersandt.

 

Entscheidungsgründe

Die als Revision zu behandelnde Beschwerde muß wegen deren verspäteter Einlegung als unzulässig verworfen werden.

Das FG hat die für den Kläger bestimmte Ausfertigung der Vorentscheidung wirksam an den Rechtsanwalt Dr. H. gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO bestimmt für den Fall der Bestellung eines Bevollmächtigten, daß die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an diesen zu richten sind. Dabei hat die Bestellung in diesem Sinne mit der Vollmachtserteilung selbst nichts zu tun. Es genügt hierfür, daß jemand durch ausdrückliche oder schlüssige Handlung dem Gericht gegenüber als Bevollmächtigter gekennzeichnet ist. Selbst eine nachträgliche Bestellung heilt eine frühere Zustellung an den noch nicht Bestellten (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Anm. 18 zu § 62 FGO; Baumbach-Lauterbach, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 30. Aufl., Anm. B zu § 176). Es kann im Streitfall dahingestellt bleiben, ob die "Bestellung" des Rechtsanwalts Dr. H. als Bevollmächtigter gemäß § 62 Abs. 3 FGO bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem FG erfolgt ist. Denn der Kläger hat im Schriftsatz vom 11. Mai 1972 selbst vorgetragen, daß Dr. H. Vollmacht erteilt worden sei und daß schriftliche Vollmacht nachgereicht werden könne. Diese hat Dr. H. mit Schreiben vom 29. Mai 1972, eingegangen beim FG am 31. Mai 1972, zur Führung des Rechtsstreits beim FG nachgereicht. Ausweislich der zu den Senatsakten übersandten Fotokopie dieser Prozeßvollmacht ist diese vom Kläger unterzeichnet. Wenn auch der Name des Prozeßbevollmächtigten selbst in der Vollmacht fehlt, so kann doch im Zusammenhang mit dem erwähnten Überreichungsschreiben des Rechtsanwalts Dr. H. darauf geschlossen werden, daß nur dieser als vom Kläger zum Bevollmächtigten "Bestellter" in Betracht kommt. Die Bestellung heilt jedenfalls die Zustellung der Vorentscheidung an Dr. H. selbst dann, wenn er im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung etwa noch nicht bestellt gewesen sein sollte. Hieraus folgt, daß mit Rücksicht auf die am 25. September 1971 an den Rechtsanwalt Dr. H. wirksam erfolgte Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils die Frist zur Einlegung der Revision gem. § 120 FGO am 25. Oktober 1971 endete. Die vom Kläger dem BFH eingereichte Rechtsmittelschrift, die bei diesem erst am Samstag, den 23. Oktober 1971 einging, wurde lt. Absendevermerk vom 26. Oktober 1971 dem zuständigen FG übermittelt, so daß das Rechtsmittel verspätet beim FG eingegangen sein muß. Es genügt für die Einhaltung der in § 120 Abs. 1 FGO vorgesehenen Monatsfrist jedenfalls nicht, daß die Rechtsmittelschrift beim Revisionsgericht rechtzeitig eingeht. Die Revision hätte vielmehr innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem FG eingehen müssen. Die Einlegung der Revision beim BFH ist wirkungslos, sie wahrt nicht die Revisionsfrist. Leitet der BFH die bei ihm eingehende Revisionsschrift an das zuständige FG weiter, so ist für die Einhaltung der Frist der Eingang beim FG maßgebend. Die hierdurch etwa eintretenden Fristversäumnisse, Fehlleitungen usw. gehen zu Lasten des Klägers (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12. Januar 1968 VI R 140/67 BFHE 90, 395, BStBl II 1968, 121, und vom 12. Januar 1968 VI R 278/67, BFHE 91, 341, BStBl II 1968, 350).

Dem Kläger stehen auch Wiedereinsetzungsgründe gem. § 56 FGO nicht zur Seite. So kann er sich nicht darauf berufen, daß die ihm von seinem Bevollmächtigten übersandte Urteilsausfertigung eine Rechtsmittelbelehrung nicht enthalten habe. Im Schriftsatz vom 18. Februar 1972 räumt der Kläger selbst ein, daß seinem Bevollmächtigten eine ordnungsgemäße, mit Rechtsmittelbelehrung versehene Ausfertigung des angefochtenen Urteils zugestellt worden sei. Dies entspricht der in § 62 Abs. 3 FGO normierten Verpflichtung des FG, nach der alle Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts dem Bevollmächtigten und nicht etwa dem Vollmachtgeber zugestellt werden müssen. Eine Pflicht des FG darüber hinaus, etwa eine weitere Ausfertigung für den Kläger der zugestellten, mit ordnungsmäßiger Rechtsmittelbelehrung versehenen Urteilsausfertigung beizufügen, besteht nach der FGO nicht. Dies geschah im Streitfall offenbar nur deshalb, um dem Bevollmächtigten die Erfüllung seiner Informationspflicht gegenüber seinem Vollmachtgeber technisch zu erleichtern; nicht aber um ihn etwa auch nur teilweise von dieser zu entbinden. Wenn der Prozeßbevollmächtigte dem Kläger lediglich die für diesen bestimmte Abschrift des Urteils übersandte, so ändert das nichts daran, daß dieser mittels der Ausfertigung in den Händen seines Prozeßbevollmächtigten über die ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung verfügte. Es war Sache des Klägers, sich von seinem Prozeßbevollmächtigten die Ausfertigung aushändigen zu lassen oder sich nach dem Inhalt der Rechtsmittelbelehrung zu erkundigen. Im übrigen hätte der Kläger ein etwaiges Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten auch für den Fall zu vertreten, daß dieser ihn nicht über den vollständigen Inhalt der Ausfertigung unterrichtet haben sollte. Der Kläger war jedenfalls nicht ohne sein Verschulden verhindert, die Revisionsfrist einzuhalten. Die Revision war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 124 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 70172

BStBl II 1973, 246

BFHE 108, 18

BFHE 1973, 18

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