Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen einer zulassungsfreien Revision

 

Leitsatz (NV)

Ein Urteil ist nicht schon dann nicht mit Gründen versehen im Sinn des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO, wenn die Entscheidung in einem Zeitraum von deutlich weniger als einem Jahr nach der Beratung abgefaßt wurde.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Umstritten ist die Rechtzeitigkeit der Klagen gegen Einspruchsentscheidungen des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -).

Das Finanzgericht (FG) hat die Klagen der Kläger und Revisionskläger (Kläger) abgewiesen. Seiner Ansicht nach waren die Klagen unzulässig, da sie verspätet erhoben worden sind und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren war.

Mit der Revision machen die Kläger geltend, die Vorentscheidung sei nicht mit Gründen versehen (§ 119 Nr. 6 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zwar sei das Rubrum und der Tenor der Vorentscheidung binnen zwei Wochen (vgl. § 104 Abs. 2 FGO) nach der mündlichen Verhandlung vom 26. April 1985 der zuständigen Geschäftsstelle übergeben worden. Die Entscheidungsgründe seien jedoch erst am 9. Januar 1986 bei dieser Geschäftsstelle eingegangen. Die Zustellung sei erst weitere drei Wochen später erfolgt.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

1. Gemäß Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) in der Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985 (BGBl I 1985, 1274, BStBl I 1985, 496) findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn sie das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen oder wenn ein Fall der zulassungsfreien Revision gemäß § 116 FGO gegeben ist. Die Neuregelung ist gemäß Art. 5 des Gesetzes vom 4. Juli 1985 (a. a. O.) am Tag nach der Verkündung, mithin am 17. Juli 1985, in Kraft getreten. Die mündliche Verhandlung fand im Streitfall zwar vor diesem Zeitpunkt statt. Da das Urteil jedoch nicht verkündet wurde, ist der Zeitpunkt der Zustellung maßgebend. Diese erfolgte im Streitfall nach Inkrafttreten der Neuregelung.

2. Entgegen der Auffassung der Kläger liegen die Voraussetzungen einer zulassungsfreien Revision gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht vor.

Verzögert sich die Übergabe der schriftlichen Urteilsbegründung an die Geschäftsstelle in erheblichem Umfang, so kann der Zusammenhang der schriftlichen Urteilsgründe mit der mündlichen Verhandlung und der Beratung aufgehoben sein mit der Folge, daß die Entscheidung nicht mehr als mit Gründen versehen angesehen werden kann. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ist dies dann der Fall, wenn ein Urteil erst mehr als ein Jahr nach seiner Verkündung zugestellt wird und der persönliche Eindruck von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung (z. B. in Kriegsdienstverweigerungsfällen) von entscheidender Bedeutung ist (Urteil vom 19. März 1976 VI C 81.75, BVerwGE 50, 278). Ein derartiger Sachverhalt liegt hier nicht vor. Die angefochtene Entscheidung wurde in einem Zeitraum von deutlich weniger als einem Jahr nach der Beratung abgefaßt. Überdies kam es im Streitfall nicht auf den persönlichen Eindruck von den Klägern an. In vergleichbaren Fällen hat auch das BVerwG die Rüge, die Entscheidung sei nicht mit Gründen versehen, nicht durchgreifen lassen (vgl. Beschluß vom 23. November 1979 4 CB 78/79, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1981, 185; Urteil vom 7. Februar 1980 6 CB 101/78, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 116 Abs. 1 Nr. 5, Rechtsspruch 7).

3. Die von den Klägern eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde III B 55/86 hat der Senat durch Entscheidung vom heutigen Tag als unbegründet zurückgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414706

BFH/NV 1987, 102

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