Entscheidungsstichwort (Thema)

Beteiligungsverhältnis als Maßstab für die Zurechnung von im Schätzungswege ermittelten verdeckten Gewinnausschüttungen; Verfahrensmängel; Verwertung beigezogener Akten; kein Anspruch auf persönliche Ladung eines vertretenen Beteiligten

 

Leitsatz (NV)

1. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass es für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht zwangsläufig einer Rechtshandlung bedarf. Vielmehr genügen auch tatsächliche Handlungen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass ein “zusätzlicher Gewinn” an die Gesellschafter entsprechend ihrer Beteiligungsquote auszukehren ist.

2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör kann dadurch verletzt werden, dass das FG den Inhalt von Akten bei seiner Entscheidung verwertet, ohne diese Akten zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Das Gericht ist gehalten, den Beteiligten die Beiziehung von Akten (anderer) Gerichte und Behörden mitzuteilen und ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben, und zwar selbst dann, wenn diese Akten und Urkunden dem Kläger vollständig bekannt sind.

3. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird u.a. dadurch verwirklicht, dass die Beteiligten das Recht haben, die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten (insbesondere der beklagten Behörde) einzusehen. Damit wird gewährleistet, dass die Beteiligten zu den in den vorgelegten und beigezogenen Akten enthaltenen Tatsachen Stellung nehmen können, bevor das Gericht sie zur Grundlage seiner Entscheidung macht.

4. Zur schlüssigen Erhebung der Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gehört es, dass substantiiert dargelegt wird, wozu sich der Beteiligte nicht habe äußern können oder welches Vorbringen das FG bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen habe.

5. Ferner ist auszuführen, dass bei Berücksichtigung des nicht beachteten Sachvortrags eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre. Nur dann lässt sich prüfen, ob es sich um entscheidungserhebliche Einwendungen handelt, auf deren Nichtberücksichtigung das angefochtene Urteil beruhen kann. Das gilt jedenfalls dann, wenn die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs sich nur auf einzelne Feststellungen oder rechtliche Gesichtspunkte bezieht.

6. Insbesondere müssen die Beteiligten darlegen, inwieweit sie alle Möglichkeiten genutzt haben, sich das rechtliche Gehör auch vor dem FG zu verschaffen.

7. Das FG ist nicht gehalten, den Klägern mitzuteilen, welche Tatsachen die nach § 71 Abs. 2 FGO vorgelegten Steuerakten enthalten und wie es diese zu verwerten gedenkt; denn die Kläger haben die Möglichkeit, sich rechtliches Gehör dadurch zu verschaffen, dass sie Akteneinsicht beantragen und tatsächlich auch nehmen.

8. Ebenso wenig ist das FG gehalten, zur Verwertung beigezogener Akten einen Beweisbeschluss zu erlassen; denn ein förmlicher Beweisbeschluss ist nur dann erforderlich, wenn es sich um eine Beweisaufnahme im Rahmen eines besonderen Verfahrens handelt.

9. Es besteht kein Anspruch auf persönliche Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten vertreten ist.

10. Wird eine unzutreffende Beweiswürdigung gerügt, so handelt es sich allenfalls um einen materiell-rechtlichen Mangel, der indes nicht zur Zulassung der Revision führt.

 

Normenkette

KStG § 8 Abs. 3 S. 2; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2; FGO § 71 Abs. 2, § 78 Abs. 1, § 80 Abs. 1 S. 1, §§ 82, 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 116 Abs. 3 S. 3; GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 450

 

Verfahrensgang

FG Münster (Urteil vom 11.05.2005; Aktenzeichen 7 K 8161/97 E)

 

Gründe

Die Beschwerde ist offensichtlich unzulässig und deshalb durch Beschluss gemäß § 132 FGO zu verwerfen.

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargetan (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Mit der Behauptung, die Rechtsprechung habe sich, soweit ersichtlich, bislang nicht mit der Rechtsfrage abschließend befasst, ob die Beteiligungsverhältnisse von Gesellschaftern an einer GmbH --auch im Rahmen einer Schätzung-- ein geeigneter Maßstab für die Zurechnung von als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zu erfassenden Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) --unabhängig von konkreten Tatbeiträgen-- sei, haben die Kläger keinen Zulassungsgrund hinreichend substantiiert dargetan.

a) Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Bechwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinander setzen.

Ist über eine Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinander gesetzt hat.

Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; BFH-Beschluss vom 19. Januar 2006 VIII B 114/05, BFH/NV 2006, 709, m.w.N.).

b) Die Kläger tragen selbst vor, die aufgeworfene Rechtsfrage sei bislang noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt, ohne indes die offenbar vorliegende Rechtsprechung sowie Äußerungen im Schrifttum zu dieser Rechtsfrage überhaupt darzustellen und sich insbesondere hiermit in einer Weise auseinander zu setzen, dass zumindest ein weiterer, über den konkreten Streitfall hinausreichender Klärungsbedarf erkennbar würde.

Zum einen bedarf es nach der Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 14. Oktober 1992 I R 17/92, BFHE 169, 343, BStBl II 1993, 352) für die Annahme einer vGA nicht zwangsläufig einer Rechtshandlung. Vielmehr genügen auch tatsächliche Handlungen. Im Übrigen ist im Zweifel davon auszugehen, dass ein "zusätzlicher Gewinn" an die Gesellschafter entsprechend ihrer Beteiligungsquote auszukehren ist (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 2004 III R 9/03, BFHE 207, 549, BStBl II 2005, 160, 164).

2. Ebenso wenig haben die Kläger die behaupteten "eklatanten Verfahrensmängel" hinreichend substantiiert bezeichnet.

a) aa) Der Anspruch auf rechtliches Gehör kann dadurch verletzt werden, dass das Finanzgericht (FG) den Inhalt von Akten bei seiner Entscheidung verwertet, ohne diese Akten zum Gegenstand dieses Verfahrens zu machen. Das Gericht ist gehalten, den Beteiligten die Beiziehung von Akten und Urkunden (anderer) Gerichte und Behörden mitzuteilen und ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben, und zwar selbst dann, wenn diese Akten oder Urkunden dem Kläger vollständig bekannt sind (vgl. BFH-Beschluss vom 27. März 2000 III B 67/99, BFH/NV 2000, 1091, m.w.N.).

Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) wird für das finanzgerichtliche Verfahren u.a. dadurch verwirklicht, dass die Beteiligten das Recht haben, die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten (insbesondere der beklagten Behörde) einzusehen (§ 78 FGO). Damit wird gewährleistet, dass die Beteiligten zu den in dem vorgelegten und beigezogenen Akten enthaltenen Tatsachen Stellung nehmen können, bevor das Gericht sie zur Grundlage seiner Entscheidung macht (BFH-Beschluss vom 8. April 2005 V B 116, 117/03, juris, m.w.N.).

Zur schlüssigen Erhebung der Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gehört es indes, dass substantiiert dargelegt wird, wozu sich der Beteiligte nicht habe äußern können oder welches Vorbringen das FG bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen habe. Ferner ist auszuführen, dass bei Berücksichtigung des nichtbeachteten Sachvortrags eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre. Dies gilt jedenfalls dann, wenn --wie hier-- die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs sich nur auf einzelne Feststellungen oder rechtliche Gesichtspunkte bezieht. Insbesondere müssen aber die Beteiligten darlegen, inwieweit sie alle Möglichkeiten genutzt haben, sich das rechtliche Gehör auch vor dem FG zu verschaffen (BFH-Beschluss vom 8. März 2001 III B 94/00, BFH/NV 2001, 1036, m.w.N.).

bb) Ausweislich des Schreibens des Berichterstatters beim FG vom 4. Mai 2005, das den Prozessbevollmächtigten der Kläger am gleichen Tage entsprechend dem Sendebericht zugefaxt worden ist, sind die Prozessvertreter davon in Kenntnis gesetzt worden, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zwei Beweismittelordner der Steuerfahndung dem FG übersandt habe.

Nach der Sitzungsniederschrift vom 11. Mai 2005 haben die Prozessvertreter u.a. beantragt, das Original einer Verfügung von Todes wegen nach Abschluss des Verfahrens den Klägern wieder auszuhändigen. Die Sitzungsniederschrift enthält insoweit in Klammern gesetzt den Hinweis auf den Beweismittelordner II.

Die fachkundig vertretenen Kläger haben weder vorgetragen, dass sie bei Gericht Akteneinsicht gemäß § 78 FGO beantragt hätten oder weshalb ihnen das nicht möglich gewesen sein soll, noch haben sie dargetan, was sie bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätten. Nur dann lässt sich aber prüfen, ob es sich um entscheidungserhebliche Einwendungen handelt, auf deren Nichtberücksichtigung das angefochtene Urteil beruhen kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. April 1998 III B 3/98, BFH/NV 1999, 180; vom 25. Oktober 2005 VIII B 174/03, BFH/NV 2006, 749).

b) Das FG ist indes nicht gehalten, den Klägern mitzuteilen, welche Tatsachen die nach § 71 Abs. 2 FGO vorgelegten Steuerakten enthalten und wie es diese zu verwerten gedenkt; denn die Kläger haben die Möglichkeit, sich rechtliches Gehör dadurch zu verschaffen, dass sie gemäß § 78 Abs. 1 FGO Akteneinsicht beantragen und tatsächlich auch nehmen (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 180, m.w.N.).

c) Das FG ist ebenso wenig gehalten, zur Verwertung beigezogener Akten (§ 71 Abs. 2 FGO) einen Beweisbeschluss gemäß § 82 FGO i.V.m. § 358 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu erlassen; denn ein förmlicher Beweisbeschluss ist nur dann erforderlich, wenn es sich um eine Beweisaufnahme im Rahmen eines besonderen Verfahrens handelt (BFH-Beschluss vom 31. Januar 1989 VII B 162/88, BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 372).

d) Soweit die im Klageverfahren fachkundig vertretenen Kläger beanstanden, die Klägerin sei vom FG nicht angehört worden, dies sei indes notwendig gewesen, um sich von ihrer Glaubwürdigkeit eine Überzeugung zu bilden, tragen sie bereits nicht vor, weshalb sie --obwohl gerade die Zurechnung der vGA auch an die Klägerin streitig war und es mithin entscheidend auf den zugrunde liegenden Sachverhalt ankam (vgl. auch die Sitzungsniederschrift vom 11. Mai 2005)-- nicht von sich aus ihre Anhörung bzw. Vernehmung als Beteiligte gemäß § 82 FGO i.V.m. § 450 ZPO beantragt haben.

Im Übrigen besteht kein Anspruch auf persönliche Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung (§ 80 Abs. 1 Satz 1 FGO), wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten vertreten ist (BFH-Beschluss vom 23. März 2005 VI B 102/04, BFH/NV 2005, 1224).

e) Soweit die Kläger eine unzutreffende Beweiswürdigung rügen, handelt es sich allenfalls um einen materiell-rechtlichen Mangel, der indes nicht zur Zulassung der Revision führt (BFH-Beschluss vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1558381

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