Entscheidungsstichwort (Thema)

Mietvertrag über Eigentumswohnung mit unterhaltsberechtigtem Kind als Gestaltungsmißbrauch; Sachverhaltsermittlung im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung

 

Leitsatz (NV)

1. Vermietet die Mutter einen Teil ihrer Eigentumswohnung an die unterhaltsberechtigte studierende Tochter, die den Mietzins aus dem vom Vater gewährten Barunterhalt bezahlt, so liegt in dem Abschluß des Mietvertrags regelmäßig ein Gestaltungsmißbrauch (Anschluß an BFH-Urteil vom 22. 2. 1988 IX R 157 /84, BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604).

2. Im finanzgerichtlichen Verfahren der Aussetzung der Vollziehung ist es grundsätzlich Sache des Antragstellers, die entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen, und nicht des Gerichts, weitere Sachverhaltsermittlungen zu treffen.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1-2, § 21a; BGB §§ 1601-1602, 1612 Abs. 1-2; AO 1977 §§ 41-42; FGO §§ 69, 76

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Die Beschwerdeführerin zu 2 ist Eigentümerin einer Eigentumswohnung, die aus 4 Zimmern, Küche, Bad, WC und Diele besteht. Nach Angaben der Beschwerdeführer nutzte in den Streitjahren 1983 und 1984 der Beschwerdeführer zu 1 ein Zimmer (mit Loggia) sowie die Diele (teilweise) und das WC für seine psychotherapeutische Arztpraxis, während in den übrigen Räumen (insgesamt 77 qm) die - ohne eigene Einkünfte - an der Universität studierende Tochter der Beschwerdeführer gewohnt habe. Nach den dem Antrags- und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) vorgelegten undatierten Mietverträgen waren von dem Beschwerdeführer zu 1 monatliche Mietzahlungen in Höhe von 525 DM und von der Tochter in Höhe von 250 DM an die Beschwerdeführerin zu 2 zu erbringen. Die Tochter habe die monatliche Miete von 250 DM an die Beschwerdeführerin zu 2 aus ihrem Unterhaltswechsel bezahlt, den sie von ihrem Vater während der Dauer des Studiums beziehe.

Das FA ging bei den Einkommensteuerveranlagungen der Beschwerdeführer für die Streitjahre - ebenso wie bei der Einkommensteuerveranlagung für 1982 - hinsichtlich des nach Angaben der Beschwerdeführer von ihrer Tochter benutzten Teils der Eigentumswohnung von einer unentgeltlichen Überlassung aus und ermittelte den der Beschwerdeführerin zu 2 zugerechneten Nutzungswert nach § 21 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe eines Werbungskostenüberschusses von jeweils 8 573 DM. Gegen die dementsprechend ergangenen Einkommensteuerbescheide haben die Beschwerdeführer Einspruch eingelegt und nach erfolglosem Antrag bei dem FA beim Finanzgericht (FG) Aussetzung der Vollziehung in beschränkter Höhe beantragt.

Das FG wies den Antrag nach Beiziehung der FA-Akten sowie unter Bezugnahme auf das Vorbringen der Beteiligten in dem bei dem FG anhängigen Klageverfahren zum Veranlagungszeitraum 1982 als unbegründet zurück. Denn die Beschwerdeführerin zu 2 habe einen Teil der Eigentumswohnung ihrer Tochter als Unterhalt überlassen. Die Unterhaltsbedürftigkeit der Tochter stehe außer Frage. Dafür, daß die Beschwerdeführerin zu 2 ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts außerstande gewesen sei, einen Teil ihrer Eigentumswohnung ihrer Tochter zu überlassen (§ 1603 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -), beständen keine Anhaltspunkte. Wenn aber ein Teil der Wohnung an die Tochter als Unterhalt überlassen worden sei, könnten die monatlichen Zahlungen in Höhe von 250 DM nicht als Gegenleistung der Tochter an ihre Mutter für die Wohnungsüberlassung angesehen werden; denn dann hätte weder die Mutter an ihre Tochter einen Anspruch auf Bezahlung für die Wohnungsüberlassung (Unterhaltsgewährung) noch hätte die Tochter ihrem Vater gegenüber nach Bezug eines Teils der Eigentumswohnung insoweit noch einen Unterhaltsanspruch in Geld. Demzufolge seien die monatlichen Zahlungen in Höhe von 250 DM in Erfüllung des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs zwischen den Beschwerdeführern geleistet worden, wodurch die Beschwerdeführerin zu 2 in die Lage versetzt worden sei, auf ihrer Eigentumswohnung lastende Verbindlichkeiten (Schuldzinsen) zu tilgen, nachdem die Beschwerdeführer übereingekommen seien, einen Teil der Eigentumswohnung ihrer Tochter zu überlassen, statt ihn für eine angemessene Miete fremdzuvermieten.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde beantragen die Beschwerdeführer, zum Teil sinngemäß, unter Aufhebung des FG-Beschlusses die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1983 hinsichtlich eines Betrages von 10 250 DM und des Einkommensteuerbescheides 1984 hinsichtlich eines Betrages von 10 432 DM auszusetzen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Der Beschwerde muß der Erfolg versagt bleiben. Der erkennende Senat tritt dem FG im Ergebnis bei.

Gemäß § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit aussetzen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1967 III B 9 /66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, daß die Beschwerdeführerin zu 2 aus der Überlassung der Räume an die Tochter keine Einkünfte i. S. von § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt hat. Denn der zwischen ihr und der Tochter abgeschlossene Mietvertrag kann einkommensteuerrechtlich nicht anerkannt werden.

Der Senat läßt unerörtert, ob die Begründung der Vorentscheidung zutrifft, wonach die Überlassung der Räume offenbar aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Unterhaltsgewährung anzusehen sei. Denn nach dem inzwischen ergangenen Urteil des Senats vom 23. Februar 1988 IX R 157/84 (BFHE 152, 496) ist einem Mietvertrag über eine Eigentumswohnung zwischen Vater und unterhaltsberechtigtem Kind als Gestaltungsmißbrauch die steuerrechtliche Anerkennung zu versagen; auf die Begründung des Urteils wird im einzelnen Bezug genommen. Nach den in dieser Senatsentscheidung entwickelten Grundsätzen dient auch das im vorliegenden Fall zwischen der Beschwerdeführerin zu 2 und der Tochter vereinbarte Mietverhältnis der Umgehung der Pauschalierungsregelung für das eigengenutzte Einfamilienhaus, wonach Werbungskosten grundsätzlich nur im Rahmen des § 21 a Abs. 3 EStG abziehbar sind. Das FG hat sich rechtsfehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß auch die Beschwerdeführerin zu 2 gegenüber der Tochter zur Unterhaltsgewährung verpflichtet ist, wie das FA zutreffend dargelegt hat.

Wirtschaftliche oder sonstige nicht steuerliche Gründe für die Vereinbarung des ,,Mietverhältnisses" haben die Beschwerdeführer weder vorgetragen noch sind solche aus den dem Senat vorliegenden Akten ersichtlich. Soweit die Beschwerdeführer das Vorliegen einer Unterhaltspflicht der Beschwerdeführerin zu 2 mit dem Hinweis auf verschiedene Schriftsätze im Klageverfahren hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 1982 bestreiten, braucht dem der Senat im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung nicht nachzugehen und auch dem im Beschwerdeverfahren wiederholten Antrag auf Aktenbeiziehung nicht zu entsprechen. Denn im summarischen und eilbedürftigen Verfahren der Aussetzung der Vollziehung ist der Gegenstand der Nachprüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht eingeschränkt. Es ist grundsätzlich Sache des Antragstellers, die entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen sowie glaubhaft zu machen, und nicht des Gerichts, weitere Sachverhaltsermittlungen zu treffen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 15. Oktober 1986 VIII B 30/86, BFH / NV 1987, 44, und vom 28. Juli 1987 V B 68/86, BFH / NV 1988, 198, m. w. N.; Gräber / Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 69, Rdnr. 116 bis 117, sowie Beermann, Deutsches Steuerrecht 1986, 252, 255 f.). Dem ist mit der bloßen Verweisung auf das Vorbringen in einem anderen Verfahren, dessen Akten dem Senat nicht vorliegen, nicht genügt. Dies gilt hier um so mehr, als sich das FG bereits mit dem Vortrag der Beschwerdeführer auseinandergesetzt hat und diese mit der Beschwerde nur ihr früheres Vorbringen wiederholen (Beschluß in BFH /NV 1988, 198).

Es verstößt nicht gegen das aus Art. 6 GG abzuleitende Diskriminierungsverbot, daß Verträge unter nahen Angehörigen nach ständiger Rechtsprechung nur unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt werden (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 7. August 1985 1 BvR 707/85, Deutsche Steuerzeitung E 1985, 277). Gleiches hat für die Annahme einer Steuerumgehung zu gelten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415831

BFH/NV 1990, 97

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