Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Kindergeldanspruch bei ausländerrechtlicher Duldung

 

Leitsatz (NV)

1. An der Auffassung, dass geduldete Ausländer keinen Kindergeldanspruch haben, hält der Senat auch nach erneuter Prüfung und unter Einbeziehung der hiervon abweichenden Entscheidungen des FG Köln vom 9.5.2007 10 K 983/04 und 10 K 1690/07 fest.

2. § 62 Abs. 2 EStG, der auf alle noch offenen Fälle anzuwenden ist, ist verfassungsgemäß und zwar auch insoweit, als er in bestimmten Fällen voraussetzt, dass sich der Ausländer seit mindestens drei Jahren rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhält und darüber hinaus berechtigt erwerbstätig ist (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG).

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 2; AuslG § 55 Abs. 2; FGO § 142; ZPO § 114

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Antragstellerin (Klägerin) begehrt sinngemäß die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines Rechtsvertreters für eine beabsichtigte Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) wegen Kindergeld, die das Finanzgericht (FG) zugelassen hat.

Die Klägerin ist aserbaidschanische Staatsangehörige und Mutter eines 1991 geborenen Kindes. Sie hält sich seit Mai 2001 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Zeitweise war sie geringfügig beschäftigt. Im September 2004 stellte sie einen Antrag auf Kindergeld. Zu diesem Zeitpunkt war sie im Besitz einer Duldung gemäß § 55 Abs. 2 des Ausländergesetzes 1990 (AuslG 1990), die im Mai 2004 ausgestellt und bis zum August 2004 befristet war. Weiter heißt es in der Verfügung des Ausländeramtes, die Duldung erlösche, sobald die Betroffene im Besitz der zur Einreise in das Heimatland berechtigenden Dokumente sei oder wenn diese Dokumente der Ausländerbehörde vorlägen und dies dem Betroffenen bekannt gemacht worden sei. Die Duldung erlösche mit der Ausreise. Die Beklagte (Familienkasse) lehnte die Festsetzung von Kindergeld ab. Ausländischen Staatsangehörigen stehe nur dann Kindergeld zu, wenn sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung seien. Die Klägerin erfülle diese Voraussetzungen nicht. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Das FG wies die Klage unter Hinweis auf die jüngere Senatsrechtsprechung ab, wonach Ausländer, die im Rahmen einer ausländerrechtlichen Duldung (hier gemäß § 55 Abs. 2 AuslG 1990) auch nach der Neuregelung des § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) keinen Anspruch auf Kindergeld haben.

 

Entscheidungsgründe

II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsvertreters wird abgelehnt.

1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In dem Antrag ist das Streitverhältnis darzustellen (§ 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Dem Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Der Antrag ist bereits deshalb abzulehnen, weil das Revisionsverfahren keine hinreichenden Erfolgsaussichten bietet.

Der BFH hat in seinem Grundsatzurteil vom 15. März 2007 III R 93/03 (BFHE 217, 443, BFH/NV 2007, 1234) entschieden, dass Ausländer, die sich im Rahmen einer ausländerrechtlichen Duldung im Inland aufhalten, auch nach der in allen noch offenen Fällen anwendbaren Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG i.d.F. des Art. 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2915, BStBl I 2007, 62) keinen Anspruch auf Kindergeld haben. Diese Rechtsprechung hat der Senat in weiteren Entscheidungen, worauf das FG zutreffend Bezug genommen hat, bestätigt (s. insbesondere BFH-Urteil vom 22. November 2007 III R 54/02, BFH/NV 2008, 457; ferner BFH-Beschluss vom 15. November 2007 III S 15/07 (PKH), mit dem der Senat in einem vergleichbaren Fall auch mit teilweise geringfügiger Beschäftigung des Ausländers den PKH-Antrag abgelehnt hat).

An dieser Auffassung hält der Senat auch nach erneuter Prüfung unter Einbeziehung der hiervon abweichenden Entscheidungen des FG Köln vom 9. Mai 2007  10 K 983/04 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2007, 1254) und 10 K 1690/07 (EFG 2007, 1247), die insoweit keine neuen Gesichtspunkte enthalten, fest.

§ 62 Abs. 2 EStG, der auf alle noch offenen Fälle abzuwenden ist, ist verfassungsgemäß (s. im Einzelnen BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 457). Das gilt auch für die Regelung in § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 EStG, nach welcher der Kindergeldanspruch in bestimmten Fällen z.B. bei einer Aufenthaltsgenehmigung aus humanitären Gründen i.S. des § 25 Abs. 3 bis Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes voraussetzt, dass sich der Ausländer seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG) und darüber hinaus berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bezieht oder Elternzeit nach §§ 15 ff. des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes vom 5. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2748) in Anspruch nimmt (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG). Das Gesetz stellt zutreffend auf die Integration von Ausländern in den deutschen Arbeitsmarkt ab. Damit ist der Gesetzgeber den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nachgekommen (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 457).

2. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 FGO, § 1 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. dem Kostenverzeichnis).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2010414

BFH/NV 2008, 1330

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