Leitsatz (amtlich)

1. Der Streitwert beträgt bei Streitigkeiten über den Einheitswert des Betriebsvermögens 20 v. T. des Unterschieds zwischen dem festgestellten und dem begehrten Einheitswert. Das gilt auch dann, wenn der beantragte Einheitswert negativ ist.

2. Eine Einzelberechnung der steuerlichen Auswirkungen der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens ist nicht durchzuführen. Durch die Pauschalierung ist der Geltungsbereich für die Einzelsteuern abgegolten.

2. Wirkt sich die Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens nur für ein Jahr aus, so ist der Streitwert nur mit 10 v. T. des strittigen Unterschiedsbetrags nach Nr. 1 zu bemessen.

 

Normenkette

FGO § 140 Abs. 3

 

Tatbestand

In der Hauptsache hatte die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) Herabsetzung des vom Beklagten und Beschwerdeführer (FA) auf 2 354 000 DM festgestellten Einheitswert des Betriebsvermögens auf minus 796 000 DM begehrt. Die Klägerin hatte den Ansatz eines Geschäftswerts mit 150 000 DM und den Ansatz von verdecktem Stammkapital mit 3 000 000 DM bestritten. Im Laufe des Klageverfahrens entsprach das FA dem Klagebegehren im vollen Umfang, woraufhin die Beteiligten die Hauptsache für erledigt erklärten. Durch Beschluß vom 18. Dezember 1973 hat das FG die Kosten dem FA auferlegt und den Streitwert auf 93 760 DM festgesetzt. Diesen Streitwert errechnete es in der Weise, daß es die vermögensteuerliche Auswirkung mit dem zweifachen Jahressteuerbetrag in Höhe von je 23 340 DM = 46 680 DM und hinsichtlich des Bescheids über die Feststellung des gewerblichen Betriebsvermögens mit 20 v. T. aus 2 354 000 DM = 47 080 DM ermittelte und die beiden Werte zusammenzählte. Hierbei verwies das FG auf die Entscheidung des RFH vom 28. Februar 1935 III A 289/34 (RStBl 1935, 486), wonach das Interesse des Steuerpflichtigen dann, wenn sich bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens einer juristischen Person durch die Geltendmachung von Schulden ein Minusvermögen ergeben würde, lediglich bis zur Feststellung von 0 DM reiche. Zur Frage der Zusammenrechung der beiden Streitwerte bezog sich das FG auf den nichtveröffentlichten Beschluß des erkennenden Senats vom 21. April 1972 III B 41/71.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des FA, das Festsetzung des Streitwerts auf 49 680 DM begehrt. Das FA verweist zur Begründung seiner Auffassung auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 29. Mai 1951 III 77/50 U (BFHE 55, 351, BStBl III 1951, 138), wonach in der Regel der Streitwert bei Einheitswertfeststellungen mit einem Pauschsatz anzusetzen sei. Der BFH habe aber ausdrücklich ausgesprochen, daß dann, wenn im Einzelfall ein abweichender Wert des Streitgegenstandes nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werde, dieser Wert berücksichtigt werden müsse. Die beiden geltend gemachten Beträge - Geschäftswert und verdecktes Stammkapital - würden bei der Gewerbesteuer zur Verminderung des Gewerbekapitals um den Geschäftswert von 150 000 DM führen, während das als verdecktes Stammkapital behandelte Gesellschafterdarlehen in jedem Fall als Dauerschuld hinzugerechnet würde. Die steuerliche Auswirkung betrage bei einem Hebesatz von 300 v. H. bei der Gewerbesteuer nur 2 v. T. aus 150 000 DM (= 300 DM) x 3 (300 v. H.) = 900 DM. Bei der Vermögensteuer ergebe sich wegen der Auswirkung nur für ein Jahr ein Streitwert von 23 540 DM abzüglich 200 DM Mindeststeuer = 23 340 DM.

Ein "Regelfall" mit den üblichen Auswirkungen auf die Gewerbesteuer und Vermögensteuer sei aber bei der Streitwertermittlung für die Klage einer GmbH gegen den Einheitswertbescheid des Betriebsvermögens nicht gegeben, wenn in einem zusammengefaßten Rechtsstreit gleichzeitig der auf der Grundlage der angefochtenen Einheitswertfeststellung beruhende Vermögensteuerbescheid angefochten und hierfür ein gesonderter Streitwert festgestellt werde. Es könne bei der Gewerbesteuer nur hinsichtlich des Betrages von 150 000 DM eine Regelfallberechnung durchgeführt werden. Der Streitwert sei deshalb wie folgt zu ermitteln:

20 v. T. aus 150 000 DM = 3 000 DM

beantragte Minderung der Vermögensteuer: 2 x 23 340 DM = 46 680 DM

zusammen 49 680 DM.

Die Klägerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie hält die Streitwertberechnung des FG für fehlerfrei.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluß aufgehoben.

Bei der Einheitsbewertung wird der Streitwert pauschal nach einem Tausendsatz des streitigen Einheitswertes berechnet. Von dieser pauschalen Berechnung ging schon der RFH "grundsätzlich und in der Regel" aus. In dem Erlaß des Finanzministers für Württemberg-Baden vom 16. November 1950 (BStBl II 1951, 26) sind unter grundsätzlicher Aufrechterhaltung der pauschalen Streitwertberechnung im Rechtsmittelverfahren gegen Einheitswertfeststellungen als Streitwerte bei land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken 25 v. T., bei sonstigem Grundbesitz 40 v.T. und bei Betriebsvermögen 20 v. T. des strittigen Wertunterschiedes für richtig angesehen worden. Die Rechtsprechung hat sich ebenfalls für die pauschale Streitwertberechnung ausgesprochen und sich der vorgenannten Verwaltungsregelung weitgehend angeschlossen (vgl. BFH-Urteile vom 20. September 1951 III 136/50 U, BFHE 55, 490, BStBl III 1951, 198; vom 22. Februar 1957 III 314/56 U, BFHE 64, 336, BStBl III 1957, 128; vom 14. Februar 1964 III 194/63 U, BFHE 79, 5, BStBl III 1964, 235 u. a. ). Der BFH hat sich erneut in dem Beschluß vom 19. November 1971 III B 29/71 (BFHE 103, 316, BStBl II 1972, 85) für die pauschale Streitwertermittlung ausgesprochen. Er hat dies damit begründet, daß den Gerichten bei der Bestimmung des Streitwerts im Interesse der Vereinfachung ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt sei (vgl. § 140 Abs. 3 FGO). Der Vereinfachung bei der Streitwertbemessung würde es aber widersprechen, die an den jeweiligen Einheitswertbescheid anknüpfenden Steuern einzeln zu berechnen. Damit würden bei der Streitwertermittlung in Streitigkeiten über Einheitswertfeststellungen Rechtsfragen mitentschieden, die nicht Gegenstand des Verfahrens sein könnten, für das der Streitwert zu ermitteln sei (siehe auch Beschluß des III. Senats vom 31. Oktober 1974 III B 31/73, BFHE 114, 9, BStBl II 1975, 145). Im Gegensatz zu den Ausführungen des FA in der Beschwerde ist deshalb eine Einzelberechnung der steuerlichen Auswirkung der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens der Klägerin weder möglich noch zulässig.

Nach § 114 Abs. 3 BewG 1965 ist das gewerbliche Betriebsvermögen der Klägerin bei der Ermittlung des Gesamtvermögens mit dem Einheitswert anzusetzen, der gemäß § 214 Nr. 1 AO gesondert festzustellen ist. Es ist in der Praxis üblich, den Bescheid über die Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens und den Bescheid über die Vermögensteuer bei juristischen Personen miteinander zu verbinden. Trotz dieser formalen Verbindung bleibt die rechtliche Selbständigkeit der beiden Bescheide erhalten. Im Streitfall richten sich die Einwendungen der Klägerin ausschließlich gegen die im Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1970 getroffenen Feststellungen. Ihre Einwendungen, es dürfe kein Firmenwert angesetzt und das Betriebsvermögen sei um das Gesellschafterdarlehen zu vermindern, können ausschließlich im Rahmen der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens der Klägerin geprüft werden. Deshalb ist davon auszugehen, daß die Klägerin nur den Einheitswertbescheid angefochten hat. Nach Klärung der streitigen Rechtsfrage hat das FA den Einheitswertbescheid antragsgemäß berichtigt, wodurch das Verfahren seine Erledigung gefunden hat. Eine selbständige Anfechtung des Vermögensteuerbescheids für 1970 wäre mit der von ihr gegebenen Begründung nicht zulässig gewesen (vgl. § 232 Abs. 2 AO, § 42 Abs. 2 FGO). Da durch die Pauschalierung der Geltungsbereich des Einheitswerts des Betriebsvermögens für andere Steuern abgegolten ist, kann dem Antrag des FA auf Zusammenrechnung eines pauschalierten Streitwerts für die Einheitswertfeststellung und einer weiteren pauschalierten Streitwertermittlung für die Vermögensteuer nicht gefolgt werden. Das FA hat sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf den nicht veröffentlichten Beschluß des Senats III B 41/71 berufen. In diesem Fall waren nämlich Einwendungen nicht nur gegen die Zulässigkeit des Erlasses eines Einheitswertbescheids für Betriebsvermögen, sondern auch gegen den Vermögensteuerbescheid im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung (§ 6 VStG a. F.) erhoben worden. Da somit beide Bescheide angefochten waren, war die Zusammenrechnung der beiden Streitwerte geboten.

Das FA hat außerdem übersehen, daß sich die Einheitswertfeststellung (wie auch der Vermögensteuerbescheid) nur für ein Jahr auswirkt. In Fällen, in denen sich das steuerliche Interesse an den umstrittenen Einheitswerten nur auf ein Jahr erstreckt, ist nicht der volle Pauschsatz von 20 v. T. anzusetzen, sondern nur 1/2 dieses Pauschsatzes = 10 v.T. (BFH-Urteile vom 13. März 1964 III 208/61 U, BFHE 79, 179, BStBl III 1964, 297 und vom 23. Juli 1965 III 330/63 U, BFHE 83, 377, BStBl III 1965, 636 [639]).

Da der angefochtene Beschluß von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, ist er aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Streitwert berechnet sich pauschal mit 10 v.T. aus dem strittigen Wertunterschied zwischen dem festgesetzten (positiven) und dem beantragten (negativen) Einheitswert. Diese Differenz beträgt 3 150 000 DM. Zwar geht das vermögensteuerliche Interesse der Klägerin nur bis zu einer Einheitswertfeststellung von 0 DM, weil sie im Gegensatz zu einer natürlichen Person mit einem negativen Einheitswert des Betriebsvermögens nicht positive Werte anderer Vermögensarten ausgleichen kann. Indessen rechtfertigt die Auswirkung auf die Gewerbekapitalsteuer auch den negativen Einheitswert in die Streitwertermittlung einzubeziehen. Soweit die Rechtsprechung von einer anderen Berechnung ausgegangen ist, wird hieran nicht festgehalten. Der Streitwert war hiernach auf 10 v.T. aus 3 150 000 DM = 31 500 DM festzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71103

BStBl II 1975, 548

BFHE 1975, 304

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