Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzliche Bedeutung; Rechtsfortbildung; Divergenz/Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuchs

 

Leitsatz (NV)

1. Mit Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils wird kein Zulassungsgrund geltend gemacht. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein können; denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten.

2. Gleiches gilt hinsichtlich einer vermeintlich unzulänglichen Beweiswürdigung, die revisionsrechtlich ebenfalls dem materiellen Recht zuzuordnen ist.

3. Mit der Behauptung, das FG habe die von ihm zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung zur Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuches unzutreffend angewandt und infolgedessen zu Unrecht die private Nutzung des geleasten Pkw nach Maßgabe der so genannten 1%-Regelung angesetzt, wird dementsprechend weder die grundsätzliche Bedeutung noch die Erforderlichkeit einer Rechtsfortbildung durch den BFH dargetan.

4. Der BFH hat mehrfach festgestellt, die Rechtsfrage, welche Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellen seien, sei in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt.

5. Danach muss ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zeitnah und in geschlossener Form geführt werden. Die zu erfassenden Fahrten müssen, einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstandes, im Fahrtenbuch vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden. Dabei ist jede einzelne berufliche Verwendung grundsätzlich für sich und mit dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeuges aufzuzeichnen.

6. Darüber hinaus müssen die Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit überprüfbar sein. Weist das Fahrtenbuch inhaltliche Unregelmäßigkeiten auf, so können diese die materielle Richtigkeit der Kilometerangaben infrage stellen. Kleinere Mängel führen ‐ entsprechend den Grundsätzen zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ‐ dann nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind.

7. Die Beurteilung, ob das Fahrtenbuch ordnungsgemäß ist, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG. Dessen Beweiswürdigung bindet den BFH, soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zu Stande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist.

8. Für die schlüssige Darlegung einer Divergenzrüge genügt weder eine Abweichung in der Würdigung von Tatsachen noch eine angeblich fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles, noch ein schlichter Subsumtionsfehler des FG. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2-3; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg (Urteil vom 25.07.2007; Aktenzeichen III 108/2006)

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO nicht innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO entsprechend den gesetzlichen Anforderungen gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO hinreichend schlüssig dargetan.

1. Soweit die Klägerin Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend macht, wird damit kein Zulassungsgrund dargetan. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein können; denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten.

Gleiches gilt hinsichtlich einer vermeintlich unzulänglichen Beweiswürdigung, die revisionsrechtlich ebenfalls dem materiellen Recht zuzuordnen ist (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. August 2007 VIII B 210/06, BFH/NV 2007, 2286, m.w.N.; vom 1. September 2006 VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297, m.w.N.).

2. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Notwendigkeit der Rechtsfortbildung

a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen insbesondere zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen.

Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat. Darüber hinaus ist auch auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen. Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung begründet weder einen Klärungsbedarf noch erst recht das erforderliche Allgemeininteresse.

Ebenso fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung bei einer lediglich einzelfallbezogenen Beurteilung eines Streitfalles (BFH-Beschlüsse vom 27. Mai 2008 VIII B 123/07, juris; vom 17. August 2007 VIII B 36/06, BFH/NV 2007, 2293, m.w.N.).

b) Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  1. Alternative FGO) ist insbesondere in Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Erforderlich ist eine Entscheidung des BFH nur dann, wenn die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt und die Frage nach dem "ob" und "wie" der Rechtsfortbildung klärungsbedürftig ist. Insoweit gelten die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO höchstrichterlich entwickelten strengen Darlegungsanforderungen gleichermaßen. Darüber hinaus ist auch auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen. Es reicht deshalb weder --für sich allein-- aus, dass die Rechtsfrage bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden ist noch genügt die Behauptung, das Finanzgericht (FG) habe sachlich unrichtig entschieden (BFH-Beschlüsse vom 27. Mai 2008 VIII B 123/07, juris, m.w.N.; vom 23. Januar 2007 VIII B 211/05, BFH/NV 2007, 912, m.w.N.).

c) Die Klägerin macht im Kern mit ihren Einwendungen geltend, das FG habe die vom FG und auch von ihr selbst zitierte Rechtsprechung des BFH zur Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuchs unzutreffend angewandt und infolgedessen zu Unrecht die private Nutzung der von ihr geleasten PKW nach Maßgabe der sog. 1 %-Regelung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) angesetzt (vgl. z.B. auch BFH-Beschluss vom 17. April 2007 VI B 145/06, BFH/NV 2007, 1314).

In diesem Zusammenhang benennt sie drei vermeintlich klärungsbedürftige Rechtsfragen, ohne indes aufgrund einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung, dem Fachschrifttum und der veröffentlichten Verwaltungsauffassung insoweit einen Meinungsstreit herauszuarbeiten, der eine weitere Klärung durch den BFH erforderlich machen würde. Ebenso wenig legt sie dar, welche neuen verallgemeinerungsfähigen Kriterien der BFH in einem künftigen Revisionsverfahren über die bisher aufgestellten Voraussetzungen hinaus entwickeln könnte bzw. sollte.

Der BFH hat bereits mehrfach festgestellt, die Rechtsfrage, welche Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellen seien, sei hinreichend in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. November 2006 VI B 32/06, BFH/NV 2007, 439; in BFH/NV 2007, 1314; vom 14. März 2007 VI B 88/06, BFH/NV 2007, 1318; vom 26. Juni 2007 VIII B 33/06, BFH/NV 2007, 2093, sowie die in den Beschlüssen in Bezug genommenen Urteile des BFH vom 9. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408, insbesondere zur Notwendigkeit einer zeitnahen Erfassung; vom 16. November 2005 VI R 64/04, BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410, zum Führen des Fahrtenbuchs mit Hilfe eines Computerprogramms; vom 16. März 2006 VI R 87/04, BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625).

Danach muss ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zeitnah und in geschlossener Form geführt werden. Die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstandes müssen im Fahrtenbuch vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden. Dabei sei jede einzelne berufliche Verwendung grundsätzlich für sich und mit dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeuges aufzuzeichnen. Überdies müssen die Aufzeichnungen im Fahrtenbuch eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit überprüfbar sein. Weist das Fahrtenbuch inhaltliche Unregelmäßigkeiten auf, so können diese die materielle Richtigkeit der Kilometerangaben in Frage stellen.

In dem in einem Verfahren der Aussetzung der Vollziehung ergangenen Beschluss des BFH vom 24. Februar 2000 IV B 83/99 (BFHE 191, 304, BStBl II 2000, 298) hat der BFH gerade nicht über die Frage entschieden, ob ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zeitnahe Eintragungen voraussetzt. Im Beschluss des BFH vom 8. August 2007 VI B 8/07 (juris) hat der BFH erneut ausgeführt, die Rechtsfrage, welchen formellen und materiellen Anforderungen ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch genügen müsse, sei höchstrichterlich in den drei zitierten Grundsatzurteilen des BFH im Wesentlichen geklärt. Werde ein Fahrtenbuch mittels eines Computerprogramms geführt, so müssten nachträgliche Änderungen entweder technisch ausgeschlossen sein oder dokumentiert oder offengelegt werden; dazu verweist der BFH in dem Beschluss auf sein Urteil in BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410.

Im Urteil vom 10. April 2008 VI R 38/06 (BFH/NV 2008, 1382) hat der BFH sodann erneut bestätigt, die Aufzeichnungen im Fahrtenbuch müssten eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten. Allerdings führten kleinere Mängel nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuches und zur Anwendung der 1 %-Regelung, wenn die Angaben insgesamt plausibel seien. Der BFH hat insoweit auf die Grundsätze zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung verwiesen, die trotz einiger formeller Mängel aufgrund einer Gesamtbewertung noch als formell ordnungsgemäß erscheinen könne. Maßgebend sei, ob trotz der Mängel noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben gegeben und der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung möglich sei.

Indes obliegt die Beurteilung, ob das Fahrtenbuch ordnungsgemäß ist, in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15. März 2007 VI R 94/04, BFH/NV 2007, 1302; BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1314). Die Beweiswürdigung des FG bindet im Übrigen den BFH auch in einem künftigen Revisionsverfahren, soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist (BFH-Beschluss vom 18. Oktober 2007 VIII B 212/06, BFH/NV 2008, 210, m.w.N.).

3. Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung

a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidungen sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen. Des Weiteren ist insbesondere auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt. Indes reichen weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die angeblich fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles, noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen (BFH-Beschlüsse vom 27. Mai 2008 VIII B 123/07, juris; vom 16. Mai 2006 VIII B 160/05, BFH/NV 2006, 1477, jeweils m.w.N.).

b) Abgesehen davon, dass es bereits an der erforderlichen Gegenüberstellung derartiger abweichender abstrakter und tragender Rechtssätze fehlt, hat das FG die umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Voraussetzungen eines steuerrechtlich anzuerkennenden Fahrtenbuchs zutreffend dargestellt.

Hätte das FG diese Rechtsprechungsgrundsätze im konkreten Fall unzutreffend angewandt, so läge --wie ausgeführt-- allenfalls ein schlichter Subsumtionsfehler vor, der indes keine Divergenzrüge zu begründen vermag.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2090132

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