Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Erfordernissen einer ordnungsmäßigen Revisionsbegründung

 

Leitsatz (NV)

Eine ordnungsmäßige Revisionsbegründung muß aus sich heraus erkennen lassen, daß der Revisionskläger sein bisheriges Vorbringen anhand der Gründe des finanzgerichtlichen Urteils überprüft hat. Die Argumentation des Finanzgerichts muß zwar nicht widerlegt werden. Die bloße Wiederholung einer bereits im Einspruchsverfahren vertretenen, aus zwei Thesen bestehenden Rechtsauffassung reicht aber jedenfalls dann nicht aus, wenn das Finanzgericht nach ausführlicher Erörterung von Sinn und Zweck einer einschlägigen Vorschrift und gestützt auf Literaturnachweise zu einer anderen Auffassung gelangt ist.

 

Normenkette

FGO § 120 Abs. 2; EStG § 3b

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist beamteter Polizeiarzt und bezieht als solcher ein festes Gehalt. Ferner erhielt er in den Streitjahren Vergütungen für die auf polizeiliche Anordnung hin erfolgte Entnahme von Blutproben. Bei den erstmaligen Einkommensteuerveranlagungen bis einschließlich 1978 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) diese Einnahmen als Einkünfte aus selbständiger Arbeit an, wobei die Bescheide ab 1976 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergingen.

Mit der Einkommensteuererklärung 1979 legte der Kläger eine Bescheinigung des Polizeipräsidenten vom September 1981 vor, nach der zum Aufgabenbereich des Klägers u. a. auch die Entnahme von Blutproben als nichtselbständige polizeiärztliche Tätigkeit gehört. Zugleich legte der Kläger eine weitere Bescheinigung des Polizeipräsidenten vor, wonach ihm im Jahre 1979 . . . DM für die Entnahme von Blutproben gezahlt worden sind. Darin enthalten seien folgende Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit:

Nachts zwischen 20 und 22 Uhr ... Fälle xDM ... DM

Nachts zwischen 22 und 6 Uhr ... Fälle xDM ... DM

Sonn- und feiertags ... Fälle xDM ... DM

... Fälle xDM ... DM

insgesamt ... DM.

Mit dem Hinweis, daß der Grundlohn für eine Blutentnahme . . . DM betrage, führte die Bescheinigung als verbleibenden steuerpflichtigen Arbeitslohn für Blutentnahmen . . . DM an.

Nach diesem Muster erstellte der Polizeipräsident dem Kläger auch Bescheinigungen für die Jahre 1980 bis 1983, wobei die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit . . . DM (1980), . . . DM (1981), . . . DM (1982) und . . . DM (1983) betrugen, jeweils mit Unterteilung nach verschiedenen Zuschlagsfällen und -sätzen und mit dem Hinweis, daß der Grundlohn für eine Blutentnahme unverändert . . . DM betragen habe.

In den Einkommensteuerveranlagungen ab 1979 sowie in den nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheiden 1976 bis 1978 behandelte das FA im Anschluß an eine 1980 begonnene Betriebsprüfung die Einnahmen des Klägers aus Blutentnahmen als Arbeitslohn, verneinte jedoch das Vorliegen von steuerfreien Zuschlägen, weil es sich nicht um die Zahlung eines Grundlohns und eines Zuschlags handele. Vielmehr sei die Gebühr als Stücklohn anzusehen, der die ärztliche Tätigkeitsausübung zu verschiedenen Zeiten berücksichtige.

Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage statt. Es führte im wesentlichen aus:

§ 3 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei auf die Blutentnahmevergütungen des Klägers anwendbar. Denn polizeilich angeordnete Blutentnahmen gehörten zu den Dienstobliegenheiten eines hauptamtlichen Polizeiarztes (Hinweis auf Ziffer 6 des Gemeinsamen Runderlasses des Justizministers, des Innenministers, des Ministers für Wirtschaft Mittelstand und Verkehr und des Ministers für Wissenschaft und Forschung vom 15. August 1977, Ministerialblatt - MinBl -, 1374). Die dafür neben dem festen Gehalt gezahlten Vergütungen stellten deshalb Arbeitslohn i. S. von § 19 EStG dar. Die vom Kläger für Blutentnahmen, die er zur Sonntags-, Feiertags- oder Nachtzeit ausgeführt habe, vereinnahmten Gebühren stellten Zuschläge i. S. von § 3 b Abs. 1 EStG bzw. § 34 a Abs. 1 EStG a. F. (für 1974) dar, soweit die Gebühren über die nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in den Streitjahren vorgesehene Grundgebühr von . . . DM für tagsüber vorgenommene werktägliche Blutentnahmen hinausgingen.

Obwohl die GOÄ für die Abgeltung von Blutentnahmen zu den verschiedenen Tagen und Tages- bzw. Nachtzeiten jeweils nur einheitliche Sätze nenne und deshalb die Höhe des für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit vorgesehenen Mehrentgelts nur anhand eines Vergleichs mit der Regelgebühr feststellbar sei, handele es sich bei diesen Mehrbeträgen um begünstigte Zuschläge. Der Senat folge nicht Abschn. 17 Abs. 1 Satz 5 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) und dem Niedersächsischen FG (Urteil vom 31. Juli 1975, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1976, 129) in der Auffassung, daß der Gesetzgeber durch den Wortlaut des § 3 b Abs. 1 Satz 1 EStG zum Ausdruck gebracht habe, Zuschläge müßten von vornherein in dem maßgeblichen Gesetz oder Tarifvertrag betragsmäßig oder als solche separat ausgewiesen sein. Dabei habe für den Stücklohn nichts anderes zu gelten als für Zeitlohn (Hinweis auf Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 3 b EStG Anm. 23; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, § 3 b EStG Rdnr. 25). Der Umstand, daß ein Stücklohn vorliege, bewirke in diesem Rahmen lediglich, daß die in Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 der Vorschrift vorgesehene Umrechnung auf einen Stundenlohn entbehrlich sei (Hinweis auf Lademann / Söffing / Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 3 b Anm. 8).

Die Zuschlagshöhe sei eben unabhängig davon eindeutig bestimmt, ob es im Tarifvertrag z. B. heiße: ,,Der Stundenlohn (Stücklohn) beträgt 20 DM; bei Nachtarbeit kommt ein Zuschlag von 10 DM hinzu", oder aber: ,,Der Stundenlohn (Stücklohn) beträgt 20 DM; er erhöht sich bei Nachtarbeit auf 30 DM". Wenn auch der Polizeipräsident die Zuschläge erst durch eine einfache Subtraktion aus den zusammengefaßten Gebührensätzen, gegliedert nach den unterschiedlich zuschlagbegünstigten Einsatzzeiten, herausgezogen habe, handele es sich dabei doch nicht um eine nachträgliche Umdeutung von Teilen eines Grundlohnes. Vielmehr sei die Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit des Klägers exakt nach Tag und Uhrzeit festgehalten und ihm der gegenüber der Grundgebühr von . . . DM erhöhte, also erkennbar einen bestimmten Zuschlag enthaltende Sondersatz gewährt worden.

Gegen das Urteil des FG richtet sich die Revision des FA, mit der dieses die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Abweisung der Klage beantragt.

Zur Begründung seiner Revision führt das FA lediglich aus:

,,Voraussetzung für die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit ist, daß sie neben dem Grundlohn gezahlt werden. Durch eine lediglich rechnerische Ermittlung des Zuschlages durch Herausrechnung aus der arbeitsrechtlich zustehenden Endvergütung wird diese Voraussetzung nicht erfüllt.

Das Finanzamt ist entgegen der Vorinstanz weiterhin der Auffassung, daß die Gebühren für die Blutentnahmen nicht in steuerpflichtige und steuerfreie Teile aufgeteilt werden können. Die Gebührenordnung sieht zwar eine Staffelung der Höhe der Gebühren je nach Tageszeit und Erschwernissen vor. Bei jeder Gebühr handelt es sich aber um einen Stücklohn, der auch die Beschwernisse, die mit unterschiedlichen Arbeitszeiten verbunden sind, berücksichtigt. Das Einkommensteuerrecht berücksichtigt solche Beschwernisse grundsätzlich nicht. Der Ausnahmefall des § 3 b EStG liegt schon deswegen nicht vor, weil Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nicht gesondert ausgewiesen sind."

Die Kläger beantragen unter Bezugnahme auf die Begründung des FG, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung zu stellenden Mindestanforderungen.

Zweck des § 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist es, das Revisionsgericht zu entlasten und den Revisionskläger zu zwingen, Inhalt, Umfang und Zweck des Revisionsangriffs von vornherein klarzustellen (Gräber /Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 120 Anm. 32). Daraus hat der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung gefolgert, daß der Revisionskläger - über die in § 120 Abs. 2 FGO ausdrücklich geforderten Angaben hinaus - dartun muß, welche Ausführungen der Vorinstanz aus welchen Gründen unrichtig sein sollen, welche Punkte des angefochtenen Urteils für änderungsbedürftig angesehen werden und aus welchen Gründen im einzelnen die Änderung für geboten erachtet wird (Beschluß vom 16. Oktober 1984 IX R 177/83, BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470). Hieraus ergibt sich zugleich, daß die Revisionsbegründung aus sich heraus erkennen lassen muß, daß der Revisionskläger sein bisheriges Vorbringen anhand der Gründe des finanzgerichtlichen Urteils überprüft hat (Gräber / Ruban, a.a.O., § 120 Anm. 32).

Diesen Anforderungen entspricht die Revisionsbegründung des FA nicht. Denn das FA, das sich im Klageverfahren noch kürzer geäußert hatte, hat lediglich seine bereits in der Einspruchsentscheidung vertretene Auffassung wiederholt, nach § 3 b EStG seien nur Zuschläge begünstigt, die als solche exakt abgerechnet würden. Werde - wie hier - ein Stücklohn gezahlt, so seien diese Anforderungen ohnehin nicht erfüllt.

Die bloße Wiederholung dieser beiden Thesen läßt nicht erkennen, daß das FA sich mit der Begründung des FG auseinandergesetzt hat. Ein näheres Eingehen auf die Gründe des angegriffenen Urteils wäre aber nach den Umständen des Falles erforderlich gewesen, zumal das FG seine abweichende Auffassung u. a. mit dem ausführlich dargelegten Sinn und Zweck des § 3 b EStG begründet und die grundsätzliche Begünstigung auch von Stücklohn durch Literaturnachweise belegt hatte. Zwar muß der Revisionskläger nicht die Argumentation des angefochtenen Urteils widerlegen. Insbesondere dann, wenn die Revisionsrüge darauf beruht, daß das FG von einer höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist, kann ihre Begründung je nach den Umständen des Streitfalls knapper sein. Dann muß aber der Revisionskläger zumindest die Abweichung darstellen und darauf hinweisen, daß er sich der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung anschließt (BFH-Urteil vom 8. Mai 1985 I R 108/81, BFHE 144, 40, BStBl II 1985, 523). Auch hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Es ist nicht einmal dargestellt, daß bzw. inwieweit das FG nach Auffassung des FA von der bisherigen Rechtsprechung des BFH abgewichen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416707

BFH/NV 1990, 517

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