Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Revisionszulassung wegen materieller Mängel; Verfahrensverstöße; Ablehnung nicht entscheidungserheblicher Beweisanträge; vorweggenommene Beweiswürdigung; Verletzung des rechtlichen Gehörs; Divergenz

 

Leitsatz (NV)

1. Das Gericht darf entscheidungserhebliche ordnungsgemäße Beweisanträge weder ablehnen noch übergehen, wenn es einen Verfahrensmangel vermeiden will. Auf eine beantragte Beweiserhebung darf es jedoch dann verzichten, wenn es auf die Beweismittel für seine Entscheidung nicht ankommt.

2. Hat ein geprüfter Steuerpflichtiger auf eine Schlussbesprechung weder verzichtet noch ist sie nach § 201 Abs. 1 Satz 1 AO entbehrlich, so wird der Verfahrensmangel gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AO geheilt.

3. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör scheidet aus, wenn es nach dem formellen oder materiellen Recht auf die Erhebung angebotene Beweise nicht ankommt.

4. Rechtliches Gehör wird den Beteiligten dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zu Grunde gelegt werden soll. Das Gericht seinerseits ist verpflichtet, den Vortrag zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen.

5. Keine Gehörsverletzung liegt vor, wenn sich das FG mit dem aus seiner Sicht nicht entscheidungserheblichen Vorbringen auseinander setzt. Das Gericht ist indes nicht verpflichtet, sich mit jedem Vortrag in den Entscheidungsgründen seines Urteils ausdrücklich zu befassen.

6. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, es sei denn es liegen besondere dagegen sprechende Umstände vor.

 

Normenkette

AO § 126 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 201 Abs. 1 S. 1; FGO § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 116 Abs. 3 S. 3; GG Art. 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Urteil vom 31.05.2007; Aktenzeichen 14 K 88/07 AO)

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative und Nr. 3 FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargetan (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Soweit Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend gemacht werden, wird damit kein Zulassungsgrund dargetan. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein können; denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. September 2006 VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297, m.w.N.).

2. a) Die ordnungsgemäße Darlegung eines Verfahrensmangels verlangt, dass diejenigen Tatsachen --ihre Richtigkeit unterstellt-- genau und schlüssig bezeichnet werden, aus denen sich ergeben soll, dass ein behaupteter Verfahrensmangel vorliegt und das angefochtene Urteil --nach der insoweit maßgebenden, ggf. auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des Finanzgerichts (FG)-- auf ihm beruhen kann (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 2297, m.w.N.).

b) Das FG hat die wegen Durchführung einer Schlussbesprechung und Fortsetzung der Außenprüfung erhobenen Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen, weil der Kläger hinreichend Gelegenheit erhalten habe, in dem gegen die auf der Außenprüfung beruhenden Änderungsbescheide zur Umsatzsteuer 1998 und 1999 sowie Einkommensteuer 1999 durchgeführten Einspruchsverfahren Stellung zu nehmen, die Außenprüfung beim Kläger tatsächlich beendet gewesen sei und nach den gesamten Umständen auch keine Anhaltspunkte für einen "vorzeitigen Abbruch" gegeben seien.

Das Gericht darf entscheidungserhebliche ordnungsgemäße Beweisanträge weder ablehnen noch übergehen, wenn es einen Verfahrensmangel vermeiden will. Auf die beantragte Beweiserhebung kann es jedoch dann verzichten, wenn es auf die Beweismittel für seine Entscheidung nicht ankommt (BFH-Urteil vom 2. November 2000 X R 17/00, BFH/NV 2001, 611, m.w.N.).

Nach der insoweit maßgebenden Rechtsauffassung des FG kam es ersichtlich nicht auf die vom Kläger angebotenen Beweise an. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die Beweisanträge überhaupt als ordnungsgemäß zu beurteilen sind; denn danach wird "für alle meine Schreiben die in dieser Klage zitiert worden sind und für alle Schreiben des Finanzamts, die in dieser Klage zitiert worden sind sowie für Anlagen, die in dieser Klage aufgelistet und beigefügt sind, Beweisantrag gestellt, damit die befangene Richterin ja nicht wieder auf die Idee kommt alles zu ignorieren, was ihren 'Freunden' vom Finanzamt auch nur irgendwie Schaden könnte". Hinsichtlich der vom Kläger angebotenen Termine für eine Schlussbesprechung im Jahr 2005 (S. 6 des Urteils) ist der Beweisantrag nach der insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des FG nicht entscheidungserheblich, weil der mögliche Verfahrensmangel einer nicht durchgeführten Schlussbesprechung, auf die der geprüfte Steuerpflichtige nicht verzichtet hat und die auch nicht nach § 201 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) entbehrlich ist, gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AO geheilt worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Dezember 1997 X B 182/96, BFH/NV 1998, 811, m.w.N.; Beschluss des FG Baden-Württemberg vom 30. Januar 1997  6 V 1/96, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1997, 779; Urteil des FG Köln vom 22. Februar 2000  14 K 3004/99, EFG 2000, 775). Aus diesem Grund scheidet auch eine vom Kläger insoweit behauptete unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung aus (dazu BFH-Beschluss vom 21. Februar 2005 VIII B 209/03, BFH/NV 2005, 1123).

In gleicher Weise scheidet eine Gehörsverletzung gemäß Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), § 96 Abs. 2 FGO aus, wenn --wie hier-- es nach dem formellen oder materiellen Recht auf die Erhebung angebotener Beweise nicht ankommt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. April 2008 IV B 7/07, juris; vom 27. Mai 2005 VII B 38/04, BFH/NV 2005, 1496). Rechtliches Gehör i.S. von Art. 103 Abs. 1 GG wird dem Beteiligten dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden soll. Das Gericht seinerseits ist verpflichtet, den Vortrag zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Indes liegt in dem Umstand, dass das FG sich mit dem aus seiner Sicht nicht entscheidungserheblichen Vorbringen des Klägers nicht auseinandergesetzt hat, keine Gehörsverletzung; denn das Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vortrag in den Entscheidungsgründen seines Urteils ausdrücklich zu befassen. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2007 XI R 25/07, BFH/NV 2008, 339, ständige Rechtsprechung).

3. a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidungen sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen. Des Weiteren ist insbesondere auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt. Es reichen weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die angebliche fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen (BFH-Beschlüsse vom 16. Mai 2006 VIII B 160/05, BFH/NV 2006, 1477, m.w.N.; vom 27. Mai 2008 VIII B 123/07, juris).

b) Der Kläger meint, das FG sei von den BFH-Urteilen vom 24. Oktober 1972 VIII R 108/72 (BFHE 109, 1, BStBl II 1973, 542) und vom 28. Februar 1961 I 234/60 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1961, 134) abgewichen, weil es den "Abbruch" der bei ihm durchgeführten Außenprüfung gebilligt habe.

Indes ist das FG aufgrund tatsächlicher Würdigung schon nicht von einem vorzeitigen Abbruch der Prüfung beim Kläger ausgegangen. Überdies hat der Kläger auch keinen abweichenden abstrakten Rechtssatz auf der Grundlage des angefochtenen Urteils des FG formuliert und der von ihm zitierten BFH-Rechtsprechung gegenübergestellt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2050939

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