Leitsatz (amtlich)

1. Der Streitwert bei Anfechtung der Artfeststellung "Betriebsgrundstück" ist ungeachtet der Auswirkung der Artänderung im Einzelfall auf der Grundlage der vollen Höhe des festgestellten Einheitswerts zu bestimmen.

2. Der Senat geht davon aus, daß ein zum 1. Januar 1974 (nach Wertverhältnissen vom 1. Januar 1964) festgestellter Einheitswert für ein Grundstück allgemein für drei Jahre als Besteuerungsgrundlage wirksam bleibt. Dementsprechend wird der Streitwert auf der Grundlage der dreijährigen pauschalierten Steuerbelastung bemessen. Er beträgt bei Anfechtung der Artfeststellung "Betriebsgrundstück" 21 v. T. des festgestellten Einheitswerts.

 

Normenkette

GKG § 13

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin zu 1. (Klägerin) war am 1. Januar 1974 Eigentümerin eines gemischtgenutzten Grundstücks, in dem ihr Ehemann, der Kläger und Beschwerdeführer zu 2. (Kläger), eine Apotheke betrieb. Der Beklagte und Beschwerdegegner (FA) stellte für dieses Grundstück durch Hauptfeststellung zum 1. Januar 1964 gegenüber dem Voreigentümer der Klägerin einen Einheitswert fest. Das FA rechnete dieses Grundstück der Klägerin zum 1. Januar 1974 zu und stellte weiter fest, daß es Betriebsgrundstück des gewerblichen Betriebs des Klägers sei.

Einspruch und Klage, mit denen sich die Kläger dagegen wandten, daß das Grundstück der Klägerin als Betriebsgrundstück des Klägers behandelt werde, hatten keinen Erfolg. Das FG ließ die Revision nicht unabhängig vom Streitwert zu.

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision machen die Kläger grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Streitwert des Revisionsverfahrens 1 000 DM übersteigt (2.) und die Kläger auch fristgerecht Revision eingelegt haben (3.).

1. Ist die Revision bereits wegen der Höhe des Streitwerts des Revisionsverfahrens nach § 115 Abs. 1 FGO gegeben, so ist eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision unzulässig. Denn es fehlt, selbst wenn ein Zulassungsgrund vorliegen sollte, an dem Rechtsschutzbedürfnis für eine besondere Zulassung der Revision (vgl. BFH vom 2. Oktober 1969 I B 14/69, BFHE 97, 1, BStBl II 1969, 735).

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats wird die für die Streitwertbemessung maßgebende finanzielle Bedeutung eines Rechtsstreits über einen Einheitswertbescheid ungeachtet der steuerlichen Auswirkungen im Einzelfall pauschal bemessen (vgl. BFH-Entscheidung vom 19. November 1971 III B 29/71, BFHE 103, 316, BStBl II 1972, 85). Dies ist dadurch gerechtfertigt, daß ein Einheitswertbescheid nicht eine Steuerschuld festsetzt, sondern die Besteuerungsgrundlage für eine Mehrzahl von Steuern gesondert feststellt. Wollte man bei der Streitwertbestimmung die steuerlichen Auswirkungen der Einheitswertfeststellungen im Einzelfall berücksichtigen, so müßte das Gericht über die an den Einheitswert anknüpfenden Steuern des Einzelfalles befinden, obwohl diese nicht Gegenstand des Verfahrens sind, für das der Streitwert festgesetzt wird. Die pauschale Streitwertbestimmung steht nicht im Widerspruch zu § 13 GKG.

a) Ist die Art eines Grundstücks streitig, so bemißt der Senat in ständiger Rechtsprechung den Streitwert auf der Grundlage der vollen Höhe des festgestellten Einheitswerts (BFH-Entscheidung vom 31. Oktober 1974 III B 31/73, BFHE 114, 9, BStBl II 1975, 145). Die Heranziehung des festgestellten Einheitswerts in voller Höhe beruht auf der Überlegung, daß mit einer Artänderung nicht nur eine Wertänderung verbunden sein kann, sondern zum Teil erhebliche finanzielle Auswirkungen, die durch die Wertänderung nicht berücksichtigt werden. Die Feststellung, ein Grundstück sei Betriebsgrundstück, d. h. Betriebsvermögen, ist ebenso eine Artfeststellung wie die Feststellung einer der Grundstücksarten innerhalb des Grundvermögens (vgl. § 75 BewG; § 216 Abs. 1 Satz 3 AO). Der Senat ist der Auffassung, daß auch bei der Artfeststellung "Betriebsgrundstück" ungeachtet der Auswirkung der Artänderung im Einzelfall der Einheitswert in voller Höhe Bemessungsgrundlage für die Bestimmung des Streitwerts ist.

b) Für die Bemessung der Höhe der Streitwertpauschale bei Anfechtung der Grundstücksart "Betriebsgrundstück" ist zu berücksichtigen, daß diese Feststellung unmittelbare Auswirkung auf die Höhe des Einheitswerts des Betriebsvermögens hat (§ 214 Nr. 2 AO; § 109 Abs. 2 BewG). An diesen Einheitswert knüpfen als laufende Steuern die Vermögensteuer und die Gewerbekapitalsteuer an. Die Artfeststellung "Betriebsgrundstück" hat jedoch auf die Höhe der Gewerbekapitalsteuer keinen Einfluß, weil nach § 12 Abs. 3 Nr. 1 GewStG das Gewerbekapital um die Summe der Einheitswerte gekürzt wird, mit denen die Betriebsgrundstücke im Einheitswert des gewerblichen Betriebs enthalten sind. Der Senat sieht auch allgemein davon ab, die Auswirkungen auf die Gewerbeertragsteuer in diesem Zusammenhang in die Pauschalierungsüberlegungen mit einzubeziehen. Nach § 9 Nr. 1 GewStG i. d. F. des Art. 3 Nr. 5 a des Vermögensteuerreformgesetzes vom 17. April 1974 - VStRG 1974 - (BGBl I 1974, 949, BStBl I 1974, 233) wird zur Ermittlung des Gewerbeertrags die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 v. H. des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmens gehörenden Grundbesitzes gekürzt. Die Zugehörigkeit von Grundbesitz zum Betriebsvermögen wird in diesem Zusammenhang aber nicht aufgrund der Behandlung des Grundbesitzes bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens, sondern nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes beurteilt (vgl. Blümich-Boyens-Steinbring-Klein-Hübl, Gewerbesteuergesetz, 8. Aufl., § 9 Anm. I, 1 [3]). Damit müßte allein für die Bemessung des Streitwerts eines Verfahrens zur Anfechtung eines Einheitsbescheids entschieden werden, ob ein Grundstück, das bei der Einheitsbewertung als Betriebsgrundstück behandelt wurde, aufgrund der Verhältnisse des Einzelfalles einkommensteuerlich ganz oder zum Teil oder überhaupt nicht als notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen angesehen werden kann.

Eine Auswirkung der Artfeststellung "Betriebsgrundstück" auf die Grundsteuer ergibt sich im Gegensatz zur Anfechtung von Artfeststellungen innerhalb des Grundvermögens nicht. Dies gilt auch dann, wenn ein Grundstück im Alleineigentum eines Ehegatten als Betriebsgrundstück des Gewerbebetriebs des anderen Ehegatten behandelt wird; denn trotz der Artfeststellung "Betriebsgrundstück" bleibt Schuldner der Grundsteuer derjenige, dem das Grundstück (persönlich) zugerechnet ist (vgl. § 10 Abs. 1 GrStG 1973). Das ist der bürgerlich-rechtliche Eigentümer oder der wirtschaftliche Eigentümer. Die "Zurechnung" eines Grundstücks zu einem bestimmten gewerblichen Betrieb, die abgabenrechtlich eine Artfeststellung ist (vgl. § 216 Abs. 1 Satz 3 AO), bewirkt aber für sich allein nicht, daß der Inhaber dieses Gewerbebetriebs wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks würde.

c) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats wurden die vermögensteuerlichen Auswirkungen eines Rechtsstreits über einen Einheitswertbescheid bisher mit 20 v. T. des streitigen Wertunterschieds bemessen (vgl. BFH-Entscheidung vom 14. März 1975 III B 4/74, BFHE 115, 304, BStBl II 1975, 548). Diese Pauschale entspricht der laufenden Belastung mit Vermögensteuer für zwei Jahre bei einem Vermögensteuersatz von 1 v. H. des steuerpflichtigen Vermögens (§ 8 VStG i. d. F. vor dem VStRG 1974). Der Vermögensteuertarif wurde durch das Vermögensteuerreformgesetz für natürliche Personen auf 0,7 v. H. des steuerpflichtigen Vermögens gesenkt (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 VStG i. d. F. des VStRG 1974). Die Artfeststellung "Betriebsgrundstück" ist zwar bei der Einheitsbewertung des Grundbesitzes (§ 20 Nr. 3 BewG) zu treffen. Diese Einheitswerte wirken, soweit sie durch Hauptfeststellung festgestellt werden, nach der gesetzlichen Regel für sechs Jahre (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Die zum 1. Januar 1974 durchgeführte Fortschreibung der Feststellung für das Grundstück der Klägerin lag jedoch schon zehn Jahre nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt 1964. Sie wurde allerdings auf einen Stichtag vorgenommen, zu dem die nach Wertverhältnissen 1964 festgestellten Einheitswerte des Grundbesitzes erstmals Besteuerungsgrundlage geworden sind (Art. 1 BewÄndG vom 27. Juli 1971, BGBl I 1971, 1157, BStBl I 1971, 360). Der Senat geht für die Bemessung der Streitwertpauschale ungeachtet der kaum vorherzusehenden Wirkungsdauer eines Feststellungsbescheids über den Einheitswert für Grundbesitz in Anlehnung an den Vermögensteuerhauptveranlagungszeitraum von einer allgemein dreijährigen Wirkung als Besteuerungsgrundlage aus, die dann unterschritten wird, wenn feststeht, daß der Feststellungsbescheid im Einzelfall wegen einer folgenden Feststellung (Fortschreibung oder Hauptfeststellung) nur eine kürzere Geltungsdauer hat. Dem entspricht es, den Streitwert der Revision der Kläger mit 3 x 0,7 v. T. = 21 v. T. zu bemessen.

3. Der Senat hat in seinem Beschluß vom 21. Juni 1968 III B 58/67 (BFHE 93, 503, BStBl II 1969, 36) bereits anerkannt, daß angesichts der Besonderheiten der Einheitsbewertung der für die Revision in Betracht kommende Streitwert für die Beteiligten häufig nicht klar erkennbar ist. Er hat deshalb aus Gründen des Rechtsschutzes im Verfahren III B 58/67 eine Nichtzulassungsbeschwerde als zulässig erachtet, obwohl der Streitwert des Revisionsverffahrens die für eine zulassungsfreie Revision erforderliche Streitwertgrenze von 1 000 DM überschritten. hat.

Auch im vorliegenden Fall war der Streitwert für die Beteiligten nicht ohne weiteres zu erkennen, denn es mußte neben der durch das Vermögensteuerreformgesetz 1974 veränderten steuerlichen Belastung der Einheitswerte auch berücksichtigt werden, daß der Senat zum 1. Januar 1974 eine grundsätzliche Überprüfung der Streitwertpauschale in Aussicht genommen hat (vgl. BFH-Entscheidungen III B 29/71 und vom 16. Januar 1976 III R 86/75, BFHE 117, 524, BStBl II 1976, 253). Trotzdem bestand keine Veranlassung, die Nichtzulassungsbeschwerde als zulässig zu behandeln, weil die Kläger gegen die Entscheidung des FG auch fristgerecht Revision eingelegt haben. Der Senat sieht jedoch in Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 3 GKG von der Erhebung von Kosten für dieses Verfahren ab, weil die Nichtzulassungsbeschwerde unter Berücksichtigung der unübersichtlichen Lage für die Streitwertbemessung auf unverschuldeter Unkenntnis beruht. Diese wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Kläger durch einen Rechtsanwalt vertreten sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71652

BStBl II 1976, 774

BFHE 1977, 17

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