Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Leitsatz (NV)

1. Unerläßliche Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Büroorganisation ist ein Fristenkontrollbuch (oder eine vergleichbare Einrichtung), in dem der Ablauf der Fristen aller einzelnen Sachen vermerkt wird.

2. Auch Wiedereinsetzung in die - durch Verschulden einer Büroangestellten versäumte - Frist nach § 56 Abs. 2 S. 1 FGO kommt nur in Betracht, wenn der Antragsteller eine entsprechende Büroorganisation seines Prozeßbevollmächtigten darlegt und glaubhaft macht.

 

Normenkette

FGO § 56

 

Tatbestand

Der Beschluß über die Zulassung der Revision wurde den Prozeßbevollmächtigten der Kläger und Revisionskläger (Kläger) am 7. Oktober 1991 zugestellt. Mit einem am 11. November 1991 beim Finanzgericht (FG) eingegangenen Schreiben haben die Kläger Revision eingelegt.

Mit Schreiben vom 16. Dezember 1991, das den Prozeßbevollmächtigten der Kläger am 19. Dezember 1991 zugestellt wurde, machte der Vorsitzende des erkennenden Senats die Prozeßbevollmächtigten unter Hinweis auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darauf aufmerksam, daß die Revision erst nach Ablauf der Revisionsfrist beim FG eingegangen ist. Gleichzeitig verlängerte er auf den Antrag der Kläger die Frist zur Begründung der Revision bis zum 9. Januar 1992.

In der am 9. Januar 1992 (per Telefax) beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Revisionsbegründung beantragten die Kläger, ihnen wegen der Versäumung der Revisionsfrist und der Frist zur Einreichung des Wiedereinsetzungsantrags nach § 56 FGO Wiedereinsetzung zu gewähren. Zur Begründung trugen sie vor, die Revisionsschrift sei vom unterzeichnenden Prozeßbevollmächtigten (Prozeßbevollmächtigter) selbst am 5. November 1991 gegen 16.00 Uhr in den Briefkasten am Postamt A eingeworfen worden. Der Prozeßbevollmächtigte habe dies auf der Rückfahrt von einer Besprechung mit der Stadtverwaltung B erledigt. Dementsprechend sei auch im Fristenkalender des Prozeßbevollmächtigten als Frist zur Begründung der Revision der 5. Dezember 1991 notiert worden. Weiter stimme damit überein, daß der Prozeßbevollmächtigte am 5. Dezember 1991 den Antrag gestellt habe, die Begründungsfrist zu verlängern und dies am selben Tage per Telefax dem BFH übermittelt habe.

Auf Grund der normalen Postlaufzeit hätte die Revisionsschrift spätestens am 7. November 1991 beim FG eingehen müssen. Die Postlaufzeiten, die am Postamt A angeschlagen seien, besagten, daß die Postsendung bei Einwurf in den Briefkasten vor 17.00 Uhr mit der Zustellung am nächsten Morgen in C ausgetragen werde. Hierauf habe der Prozeßbevollmächtigte vertrauen dürfen. Zum Beweis könne hierzu die Bekanntmachung der Postlaufzeiten vorgelegt werden.

Weiter heißt es in der Revisionsbegründung zur Frage der Wiedereinsetzung:

,,Trotz eingehender Anweisung im Büro des Unterzeichners und ständiger Überwachung wurde von einer ausgesprochen zuverlässigen Sekretärin die Zweiwochenfrist des § 56 FGO nicht notiert. Es wurde lediglich die Frist aus dem Schreiben des Bundesfinanzhofs vom 16. 12. 1991, 9. 1. 1992, notiert.

Das Vorbringen zum Wiedereinsetzungsantrag wird hiermit anwaltlich und an Eides Statt versichert."

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Nach § 120 Abs. 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Nichtzulassung schriftlich einzulegen. Diese Frist endete im Streitfall am Donnerstag, den 7. November 1991. Die Revision ist jedoch erst am Montag, den 11. November 1991, also verspätet, beim FG eingegangen.

Der Antrag der Kläger, ihnen wegen der Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, ist nicht begründet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann gemäß § 56 Abs. 1 FGO auf Antrag gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Das Verschulden eines Prozeßbevollmächtigten muß sich ein Steuerpflichtiger dabei wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z. B. Entscheidung vom 10. August 1977 II R 89/77, BFHE 123, 14, BStBl II 1977, 769).

Im Streitfall kann die Frage, ob der Prozeßbevollmächtigte der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die Revisionsfrist einzuhalten, auf sich beruhen. Denn der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Versäumung der Revisionsfrist ist nicht, wie dies § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO voraussetzt, binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden. Der Prozeßbevollmächtigte hatte am 19. Dezember 1991 erfahren, daß die Revisionsfrist versäumt worden ist. Die Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags endete deshalb am 2. Januar 1992. Diese Frist ist mit dem erst am 9. Januar 1992 eingegangenen Schriftsatz der Kläger nicht gewahrt worden.

Wegen der Versäumung der Frist nach § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO kann den Klägern keine Wiedereinsetzung gewährt werden. Voraussetzung dafür wäre gewesen, daß die Kläger auch insoweit (rechtzeitig) einen entsprechenden Wiedereinsetzungsantrag gestellt und die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft gemacht hätten.

Im Streitfall haben die Kläger zur Begründung ihres Antrags nur ausgeführt, daß eine sonst zuverlässige Sekretärin ,,trotz eingehender Anweisung . . . und ständiger Überwachung" die Zweiwochenfrist des § 56 FGO nicht notiert habe, sondern lediglich die im Schreiben des BFH vom 16. Dezember 1991 (zur Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist gesetzte) Frist (9. Januar 1992). Dieses Vorbringen hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger ,,anwaltlich und an Eides Statt" versichert. Darüber hinaus hätten die Kläger jedoch darlegen und glaubhaft machen müssen, daß der Prozeßbevollmächtigte durch die Organisation seines Bürobetriebes sichergestellt habe, daß Fristversäumnisse ausgeschlossen sind. Unerläßliche Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Büroorganisation ist ein Fristenkontrollbuch oder eine vergleichbare Einrichtung (vgl. BFH-Entscheidungen vom 18. Januar 1984 I R 196/83, BFHE 140, 146, BStBl II 1984, 441, und vom 17. August 1988 III R 174/86, BFH/NV 1989, 240, m. w. N.). In diesem Buch muß der Ablauf der Fristen aller einzelnen Sachen vermerkt werden, wobei eine Frist erst nach Vornahme der zu ihrer Einhaltung erforderlichen Handlung gestrichen werden darf. Der Vortrag der Kläger läßt spezifizierte Angaben zur Organisation des Bürobetriebs seiner Prozeßbevollmächtigten ebenso vermissen wie entsprechende Glaubhaftmachungen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418479

BFH/NV 1992, 831

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