Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung für Umsatzsteuerschulden nach § 14 Abs. 2 UStG; Begriff der Bergungsschiffe in Art. 15 Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG; Anforderungen an NZB

 

Leitsatz (NV)

1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfragen,

--ob ein Geschäftsführer für Umsatzsteuerschulden nach § 14 Abs. 2 UStG 1980 haftet, und

--inwieweit die in § 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 genannten Wasserfahrzeuge für die Seeschiffahrt, die der Rettung Schiffbrüchiger dienen, mit den in Art. 15 Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG genannten Bergungsschiffen identisch sind,

setzt die schlüssige Darlegung in der Beschwerdeschrift voraus, daß diese Fragen im Streitfall entscheidungserheblich sind.

2. Wie die in § 69 AO 1977 bezeichneten Personen (hier: Geschäftsführer) den ihnen auferlegten Pflichten genügen, ist weitgehend eine Frage des Einzelfalls und bedarf deshalb keiner grundsätzlichen Klärung.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 69, 191; UStG 1980 § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 2; EWGRL 388/77 Art. 15 Nr. 4 Buchst. b; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war alleiniger Geschäftsführer der ... gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die ihrerseits einzige persönlich haftende Gesellschafterin der ... GmbH & Co. KG (KG) war. Im August 1988 wurde über das Vermögen der KG das Anschlußkonkursverfahren eröffnet.

Die KG tätigte im Jahre 1988 zwei große Umsätze durch ... (Schiffsneubau und -umbau).

Eine Außenprüfung ergab: Die KG hatte die Schiffe den Auftraggebern im ... 1988 ausgeliefert. Bereits zuvor hatte sie Abschlagszahlungen erhalten. In den entsprechenden Rechnungen hatte sie Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen.

Aufgrund dieser Feststellungen kam der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) zu der Überzeugung, daß die Umsatzerlöse von der KG bereits in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Januar bis Juni 1988 hätten angemeldet werden müssen. Die KG hatte sie erst in der Voranmeldung für Juli 1988 erfaßt.

Da die KG die Umsatzsteuer nicht mehr bezahlte, nahm das FA den Kläger als Haftungsschuldner gemäß §§ 69, 191 der Abgabenordnung (AO 1977) in Anspruch.

Bereits im Einspruchsverfahren machte der Kläger u. a. geltend, bei den ... Schiffen handele es sich um Bergungsschiffe i. S. von Art. 15 Nr. 4 Buchst. b der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), so daß die streitbefangenen Umsätze nach Gemeinschaftsrecht steuerfrei gewesen seien. Außerdem bestritt er eine grobe Pflichtverletzung i. S. von § 69 AO 1977 wegen der verspäteten Anmeldung.

Der Einspruch hatte lediglich wegen der Höhe der Haftungssumme Erfolg. Das FA verneinte ausdrücklich, daß es sich bei den ... Schiffen um Bergungsschiffe im Sinne der genannten Richtlinienbestimmungen handele.

Die danach erhobene Klage hatte dem Grunde nach ebenfalls keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bestätigte die Auffassung des FA, der Kläger habe durch die verspätete Anmeldung der streitbefangenen Umsätze seine Pflichten grob schuldhaft verletzt. Wie das FG weiter ausführte, durfte sich der Kläger nicht mit der pauschalen Auskunft des Leiters des Rechnungswesens zufriedengeben, es seien keine Steuerrückstände vorhanden. Ob die Schiffe unter die Befreiungsvorschriften des Art. 15 Nr. 4 Buchst. b, Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG fielen, ließ das FG dahingestellt, da die KG für die Umsätze Umsatzsteuer gesondert in Rechnung gestellt habe und diese jedenfalls nach § 14 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 schulde.

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde eingelegt, die er auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützt. Der Kläger führt aus, es sei grundsätzlich bedeutend, ob der Geschäftsführer auch dann hafte, wenn die Umsatzsteuer nur aufgrund des Ausweises in der Rechnung gemäß § 14 Abs. 2 UStG 1980 geschuldet werde. Die Inanspruchnahme des Geschäftsführers sei jedenfalls dann ermessensfehlerhaft, wenn keine Gefahr bestünde, daß der Leistungsempfänger die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehe (Punkt 1 der Beschwerdeschrift). Zu klären sei, ob die Haftung des Geschäftsführers selbst dann eingreife, wenn dieser infolge des Konkurses des Steuerschuldners die Geschäftsführungsbefugnis und damit die Möglichkeit zur Rechnungsberichtigung verloren habe (Punkt 2 der Beschwerdeschrift). Rechtsgrundsätzlich sei zweifellos, ob die genannten Befreiungsvorschriften des Gemeinschaftsrechts ordnungsgemäß in das UStG (§ 4 Nr. 2, § 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980) umgesetzt worden seien (Punkt 3 der Beschwerdeschrift). Schließlich müsse noch von der Rechtsprechung geklärt werden, welche Intensität und Kontrolldichte die Überwachung der mit dem Rechnungswesen betrauten Personen erreichen müsse, damit eine Haftung des Geschäftsführers entfalle (Punkt 4 der Beschwerdeschrift).

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Nach dieser Vorschrift ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt deshalb nur wegen einer klärungsbedürftigen und im Revisionsverfahren klärbaren Rechtsfrage in Betracht. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten läßt (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. September 1991 VIII B 41/91, BFHE 165, 287, BStBl II 1991, 924).

In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Aus der Beschwerdeschrift ergibt sich nicht, daß die aufgeworfenen Fragen klärungsbedürftig und klärbar sind.

1. Klärungsbedürftig und klärbar sind im Streitfall nur solche Rechtsfragen, die im Rahmen der Überprüfung der Ermessensentscheidung des FA (§ 102 FGO) von Bedeutung sind.

In der Beschwerdeschrift fehlt die Darlegung, daß die unter 1, 2 und 3 genannten Rechtsfragen im Streitfall klärungsbedürftig und klärbar sind. Dies gilt sowohl für die Frage der Haftung für Umsatzsteuerschulden nach § 14 Abs. 2 UStG 1980 als auch für die Frage, ob der deutsche Gesetzgeber die Befreiungsvorschrift des Art. 15 Nr. 5 i. V. m. Art. 15 Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt hat. Es mag zwar eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung sein, inwieweit die in § 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 genannten Wasserfahrzeuge für die Seeschiffahrt, die der Rettung Schiffbrüchiger dienen, mit den in Art. 15 Nr. 4 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG genannten Bergungs- oder Rettungsschiffen identisch sind. Die Beschwerdeschrift führt aber nicht schlüssig aus, daß diese Frage im Streitfall entscheidungserheblich ist.

Soweit der Kläger in der Beschwerdeschrift meint, nach Art. 15 Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG sei die Lieferung und der Umbau von Schiffen, soweit sie als Bergungs- und Rettungsschiffe auf See eingesetzt sind, steuerfrei zu stellen, ergibt sich die Unrichtigkeit dieser Auffassung bereits aus dem Wortlaut der Richtlinie 77/388/EWG. Die Vorschrift betrifft die Lieferung und den Umbau von Schiffen, die als Bergungs- und Rettungsschiffe auf See eingesetzt sind (vgl. zur Auslegung der Vorchrift des Art. 15 Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG auch BFH-Urteil vom 13. Februar 1992 V R 140/90, BFHE 167, 232, BStBl II 1992, 573).

2. Keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist schließlich, "ob ... ein Verschulden des Beschwerdeführers auch dann gegeben ist, wenn ihm der fachlich kompetente Leiter des Rechnungswesens wiederholt versichert, daß keine Steuerrückstände vorhanden seien". Wie die in § 69 AO 1977 bezeichneten Personen den ihnen auferlegten Pflichten genügen, ist weitgehend eine Frage des Einzelfalls und bedarf deshalb keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung.

3. Im übrigen wird von einer Begründung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 1105

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