Leitsatz (amtlich)

Zur gesetzlich vorgeschriebenen Begründung der Revision reicht der bloße Hinweis auf einen bestimmten Steuerrechtskommentar nicht aus.

 

Normenkette

FGO § 120 Abs. 1-2, § 124

 

Tatbestand

Der im Jahre 1967 als Arbeitnehmer - überwiegend als Kraftdroschkenfahrer - tätig gewesene Kläger hat im Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren 1967 bei einem Jahresbruttoarbeitslohn von 15 741,84 DM als Werbungskosten Mehraufwendungen für Verpflegung in Höhe von 3 164,80 DM für 217 Arbeitstage geltend gemacht. Das FA erkannte mit der Einspruchsentscheidung lediglich 855 DM - je 5 DM für 171 Tage - an. Die Klage wies das FG ab.

Das Urteil, das die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat, wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers laut Empfangsbekenntnis am 25. Juni 1970 zugestellt. Am 27. Juli 1970 legte der Prozeßbevollmächtigte mit Schreiben vom selben Tage beim FG Revision ein.

Das Schreiben enthält außer der Angabe der Parteien und des Streitgegenstandes folgenden Text: "... beantrage ich Revision, ersatzweise Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision, die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen. Begründung: Die Revision richtet sich gegen die mit Poststempel vom 24.6.1970 zugestellte Abweisung der Klage. Die Begründung ergibt sich zunächst aus 'Herrmann/Heuer'."

Mit Schreiben vom 8. September 1970, laut Postzustellungsurkunde zugestellt am 10. September 1970, teilte der Vorsitzende des Senats dem Prozeßbevollmächtigten mit, daß die nach § 120 FGO erforderliche Begründung der Revision bisher nicht eingegangen sei, und stellte anheim, gemäß § 56 FGO wegen der Fristversäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen und die versäumte Revisionsbegründung innerhalb von zwei Wochen einzureichen. Hierauf ging am 28. Oktober 1970 ein Schreiben folgenden Inhalts ein: "Die Begründung meiner Revision habe ich in meiner Klageschrift dargelegt, indem ich mich den Ausführungen des anerkannten Kommentars Herrmann-Heuer voll angeschlossen habe. Die Revisionsklage mußte eingereicht werden, weil, wie Sie aus den Akten ersehen können, das Finanzamt ein BFH-Urteil nicht anerkannt hat - hier das Urteil vom 14. April 1967."

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unzulässig.

Nach § 124 FGO hat der BFH zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Die Revision ist gemäß § 120 Abs. 1 FGO bei dem FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die vom FG zugelassene Revision ist zwar mit dem Schriftsatz vom 27. Juli 1970 gemäß § 120 Abs. 1, § 54 Abs. 2 FGO in Verbindung mit § 222 ZPO, §§ 187, 188, 193 BGB rechtzeitig erhoben worden. Dies Schreiben entbehrt jedoch der vom Gesetz zwingend vorgeschriebenen Revisionsbegründung.

Nach § 120 Abs. 2 FGO muß die Revision einen bestimmten Antrag enthalten und die verletzte Rechtsnorm bezeichnen. Abgesehen davon, daß sich aus dem genannten Schriftsatz der Revisionsantrag nicht ohne weiteres entnehmen läßt, ist die vom FG verletzte Rechtsnorm nicht bezeichnet. Das Schreiben läßt auch sonst nicht erkennen, weshalb der angefochtenen Entscheidung nicht zugestimmt werden könne. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. den Beschluß des erkennenden Senats VI R 129/67 vom 21. Juli 1967, BFH 89, 509, BStBl III 1967, 706, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen) muß die formelle Revisionsbegründung aus sich heraus erkennen lassen, daß der Revisionskläger das angefochtenen Urteil nachgeprüft hat. Dies erfordert zumindest eine kurze Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung, damit das Revisionsgericht anhand dieser Begründung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Urteils nachprüfen kann. Deshalb genügt als Revisionsbegründung die bloße Bezugnahme auf das Vorbringen in der Klageschrift nicht. Ebensowenig hat hier die Revision mit dem Hinweis auf nicht näher bezeichnete Ausführungen im Kommentar von Herrmann-Heuer dargelegt, aus welchen Gründen und mit welchen Erwägungen das Urteil der Vorinstanz angegriffen werden soll. Es wäre Aufgabe des Revisionsklägers und seines Prozeßbevollmächtigten - nicht des Revisionsgerichts - gewesen, festzustellen, ob das Rechtsmittel auf Ausführungen in diesem Kommentar hätte gestützt werden können.

Ob der Schriftsatz vom 26. Oktober 1970 die Revision hinreichend begründet, vermag der Senat nicht zu prüfen, da dieser Schriftsatz nach Ablauf der am 25. August 1970 beendeten Revisionsbegründungsfrist eingegangen und dem Revisionskläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren ist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt gemäß § 56 Abs. 1 FGO voraus, daß der Revisionskläger ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Nach § 56 Abs. 2 FGO ist die Wiedereinsetzung innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu beantragen, wobei die Tatsachen zur Antragsbegründung glaubhaft zu machen sind und die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt werden muß. Mit dem bezeichneten Schriftsatz hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers weder Wiedereinsetzung beantragt noch hierfür sprechende Gründe geltend gemacht, obwohl der Senatsvorsitzende auf die Möglichkeit zur Wiedereinsetzung hingewiesen hatte. Die Revisionsbegründungsfrist ist eine gesetzliche Frist; vgl. BFH-Entscheidungen III R 72/69 vom 22. Mai 1970 (BFH 99, 298, BStBl II 1970, 642) und II R 48/70 vom 4. August 1970 (BFH 99, 355, BStBl II 1970, 666). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß sie ohne Verschulden des Revisionsklägers oder seines Prozeßbevollmächtigten, das ihm zuzurechnen wäre, versäumt wurde.

Die Revision war daher nach § 126 Abs. 1 FGO durch Beschluß kostenpflichtig - § 135 Abs. 2 FGO - zu verwerfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69193

BStBl II 1971, 205

BFHE 1971, 55

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