Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an Grundsatzrüge und an die Rüge mangelnder Sachaufklärung

 

Leitsatz (NV)

1. Der Frage, ob die Nichtanerkennung eines vom Einführer vorgelegten Ursprungsnachweises in jedem Fall die Einleitung eines förmlichen Überprüfungsverfahrens nach Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 693/88 voraussetzt, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

2. Eine ordnungsgemäße Rüge mangelnder Sachaufklärung setzt die Darlegung voraus, aus welchem Grund sich aus der Sicht des FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen.

 

Normenkette

FGO §§ 76, 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3; EWGV 693/88 Art. 13 Abs. 2, Art. 27

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) führte im Juli 1992 Pflaumenmus aus Bosnien-Herzegowina ein. Ihrer Sammelzollanmeldung legte sie unter Hinweis auf die ihr erteilte Erlaubnis zur zollbegünstigten Verwendung einen ermäßigten Präferenzzollsatz von 24 % zugrunde, ohne jedoch ein hierfür erforderliches Ursprungszeugnis vorzulegen. Mit einem Steueränderungsbescheid erhob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt -- HZA --) Zoll in Höhe von ... DM nach. Daraufhin legte die Klägerin nachträglich ein Ursprungszeugnis Form A vor, das mit zwei Stempelabdrucken der Wirtschaftskammer von Bosnien und Herzegowina, Sarajevo, versehen war, und beantragte die Erstattung des nacherhobenen Zollbetrags. Eine durch das HZA veranlaßte Überprüfung der Stempelabdrucke durch das Zollkriminalamt (ZKA) ergab, daß die Stempelabdrucke nicht mit den Abdrucken der zur Zeit der Einfuhr maßgeblichen Originalstempel übereinstimmten. Ohne ein Nachprüfungsverfahren nach Art. 13 Abs. 2 und Art. 27 der Verordnung (EWG) Nr. 693/88 (VO Nr. 693/88) der Kommission vom 4. März 1988 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -- ABlEG -- Nr. L 77/1) einzuleiten, lehnte das HZA aufgrund der festgestellten Fälschungen mit Bescheid vom 9. März 1993 die Erstattung des nacherhobenen Zolls ab.

Der von der Klägerin eingelegte Einspruch und die von ihr erhobene Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in der Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern (ZfZ) 1997, 199 veröffentlichten Urteil die Ansicht, das HZA sei zur Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nach Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 693/88 nicht verpflichtet gewesen, weil es über begründete Zweifel hinaus Gewißheit erlangt habe, daß die von der Klägerin vorgelegten Ursprungszeugnisse gefälscht worden seien. In einem solchen Fall bestehe kein Grund, das gefälschte Ursprungszeugnis von der ausländischen Regierungsbehörde überprüfen zu lassen, zumal selbst ein den bereits getroffenen Feststellungen entgegenstehendes Ergebnis die Zollbehörden der Gemeinschaft nicht binden könnte.

Mit ihrer auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) und Verfahrensmängel (§115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) gestützten Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob das HZA von der Einleitung eines förmlichen Nachprüfungsverfahrens nach Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 693/88 absehen könne, wenn es von der Fälschung eines ihm vorgelegten Ursprungszeugnisses überzeugt sei. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu dieser Frage liege noch nicht vor. Auch weiche die Entscheidung des FG von einem Urteil des FG München vom 28. November 1990 3 K 224/ 88 (veröffentlicht in ZfZ 1991, 382) ab. Das FG München habe entschieden, daß die Zollbehörde des Einfuhrstaates bei Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben über den tatsächlichen Ursprung der aufgeführten Waren zur Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens verpflichtet sei. Von diesem Erfordernis könne nur dann abgesehen werden, wenn sämtliche am Verfahren Beteiligten, d. h. auch die Behörden des Einfuhr- und Ausfuhrstaates, hinsichtlich der Echtheit oder Fälschung des Ursprungszeugnisses der gleichen Auffassung seien. Darüber hinaus habe das FG im Streitfall den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, indem es sich zur Feststellung der Fälschung des Ursprungszeugnisses den Inhalt eines bei den Akten befindlichen Schreibens des ZKA zu eigen gemacht habe. Die Stellungnahme des ZKA beziehe sich jedoch auf zwei Ursprungszeugnisse, die nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits seien. Das FG hätte daher eine amtliche Auskunft des ZKA einholen müssen.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Der Senat läßt dahingestellt, ob die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß §115 Abs. 3 Satz 3 FGO hinreichend dargelegt hat. Hierfür reicht die Behauptung, der BFH habe über einen vergleichbaren Fall bisher noch nicht entschieden, oder der bloße Hinweis, die streitige Rechtsfrage sei für eine größere Anzahl von Fällen von Bedeutung, nicht aus (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Rdnr. 62, m. w. N.). Grundsätzliche Bedeutung kann eine Rechtsfrage nur dann haben, wenn ihre Klärung im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts liegt. Dies muß in der Beschwerdeschrift unter eingehender Auseinandersetzung mit der vorhandenen Rechtsprechung und Literatur zu der aufgeworfenen Frage eingehend dargelegt werden (vgl. BFH-Beschluß vom 21. Februar 1996 VII B 243/95, BFH/NV 1996, 661). Eine eingehende Darlegung in diesem Sinne, die grundsätzlich auch bei Rechtsfragen erforderlich ist, die die Anwendung von Gemeinschaftsrecht betreffen, läßt sich der Nichtzulassungsbeschwerde nicht ohne weiteres entnehmen.

2. Auch wenn der Senat davon ausgeht, daß die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ausreichend i. S. des §115 Abs. 3 FGO dargelegt hat, kann die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg haben; denn der aufgeworfenen Rechtsfrage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Rechtsfrage ist deshalb nicht klärungsbedürftig, weil sie aufgrund der Systematik des Gemeinschaftsrechts und der Rechtsprechung des BFH offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat (vgl. zu diesem Kriterium die BFH-Beschlüsse vom 21. Dezember 1988 III B 15/88, BFHE 155, 386, BStBl II 1989, 409, und vom 15. Dezember 1989 VI B 78/88, BFHE 159, 196, BStBl II 1990, 344). Da der Senat die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts im Streitfall für offenkundig hält, käme in einem künftigen Revisionsverfahren auch die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Auslegung der entscheidungserheblichen Normen des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften nicht in Betracht (EuGH- Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415, und Senatsurteil vom 23. Oktober 1985 VII R 107/81, BFHE 145, 266).

Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. Senatsbeschluß vom 10. Juni 1997 VII B 198/96), setzt die Nichtanerkennung eines vom Einführer vorgelegten Ursprungsnachweises nicht in jedem Fall die Einleitung eines förmlichen Überprüfungsverfahrens nach Art. 13 VO Nr. 693/88 voraus. Dies gilt insbesondere bei Einfuhren aus Staaten, denen präferenzrechtliche Begünstigungen nicht aufgrund von auf Gegenseitigkeit angelegten völkerrechtlichen Verträgen, sondern aufgrund von einseitigen Zugeständnissen der Gemeinschaft gewährt werden. Der nicht bindende Charakter des Allgemeinen Präferenzsystems, das seit 1992 für landwirtschaftliche Erzeugnisse auch auf die ehemalige jugoslawische Republik Bosnien-Herzegowina Anwendung findet (vgl. Dorsch, Zollrecht, B I/27, Rz. 8), rechtfertigt die Schlußfolgerung, daß den von Behörden der begünstigten Länder ausgestellten Ursprungsnachweisen nicht die von Warenverkehrsbescheinigungen im Verkehr zwischen gleichberechtigten Vertragspartnern ausgehende Bindungswirkung zuerkannt werden kann (vgl. Bail/Schädel/Hutter, Zollrecht, F IV 8/8--13, Art. 13 Rz. 1 a). Die vom Einführer beanspruchte zollrechtliche Begünstigung kann daher auch ohne Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens versagt werden, wenn sich die Unrichtigkeit der in den vorgelegten Ursprungsnachweisen gemachten Angaben aus anderen Erkenntnisquellen zur Überzeugung der Behörde des Einfuhrstaates erschließt. Dies gilt auch dann, wenn eine vorgelegte Urkunde -- wie im Streitfall -- eindeutige Fälschungsmerkmale aufweist, so daß die Echtheit des Ursprungsnachweises ohne vernünftige Zweifel verneint werden kann. Unter Berücksichtigung der Senatsentscheidung vom 10. Juni 1997 VII B 198/96, BFH/NV 1998, 363 kann auch das von der Klägerin angeführte Urteil des FG München nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen. Darüber hinaus liegt der Entscheidung des FG ein vom vorliegenden Streitfall abweichender Sachverhalt zugrunde. Sie bezieht sich nämlich auf den Fall der Vorlage eines echten Ursprungszeugnisses, bei dem Zweifel an der Richtigkeit der darin gemachten Angaben bestehen.

3. Soweit die Klägerin rügt, das FG habe den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufklären und eine amtliche Auskunft des ZKA einholen müssen, genügen die Ausführungen den Anforderungen nicht, die an eine ordnungsmäßige Rüge mangelnder Sachaufklärung (§76 FGO) zu stellen sind (vgl. hierzu Gräber/Ruban, a. a. O., §120 Rdnr. 40). Insbesondere legt die Klägerin nicht hinreichend dar, aus welchen Gründen sich aus der Sicht des FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen. Das FG hat in der Urteilsbegründung ausführlich dargelegt, daß es die Stempelabdrucke auf dem streitgegenständlichen Ursprungszeugnis mit den bei den Akten befindlichen Kopien von Originalabdrucken verglichen und die auf eine Fälschung hindeutenden Abweichungen "zweifelsfrei" selbst erkannt hat. In Anbetracht des insoweit eindeutigen Ergebnisses der Augenscheinnahme ist die bloße Behauptung, das FG habe seine Erkenntnis aus einem Schreiben des ZKA vom 11. Januar 1993 gewonnen, da sich ein anderes Schreiben des ZKA nicht bei den Akten befinde und der nicht näher substantiierte Hinweis auf die fehlende Sachkunde des FG, nicht ausreichend, um einen Verstoß gegen die dem FG obliegende Sachaufklärungspflicht schlüssig darzulegen. Hinsichtlich des Schreibens der Wirtschaftskammer von Bosnien und Herzegowina vom 6. Februar 1993, das sich nach dem Vorbringen der Klägerin nicht bei den Akten befinden soll, trägt die Klägerin selbst vor, daß die erstinstanzliche Entscheidung auf dem Inhalt dieses Schreibens nicht beruht. Die Rüge der mangelnden Sachaufklärung kann deshalb nicht darauf gestützt werden, das FG hätte dem HZA die Vorlage dieses Schreibens aufgeben müssen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66696

BFH/NV 1998, 753

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