Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung und die Bezeichnung von Divergenzen und Verfahrensmängeln

 

Leitsatz (NV)

1. Existiert zu einer vom Beschwerdeführer für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Rechtsfrage eine umfangreiche Rechtsprechung, so muß er sich mit dieser Rechtsprechung auseinandersetzen und darlegen, wieso diese nicht zu einer Klärung der Rechtsfrage geführt habe.

2. Eine schlüssige Divergenzrüge erfordert, daß der Beschwerdeführer die (vermeintlich) divergierenden Rechtssätze der Vorentscheidung und der BFH-Rechtsprechung herausarbeitet und gegenüberstellt.

3. Rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Rechts auf Gehör, weil das FG sein Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen habe, so muß er substantiiert darlegen, aus welchen konkreten Tatsachen dies zu schließen sei. Der bloße - pauschale und nicht näher substantiierte - Hinweis, das Gericht habe seine Klagebegründung nicht gewürdigt und die Vorentscheidung sei unrichtig, reicht für eine schlüssige Rüge nicht aus.

4. Zur substantiierten Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 76 FGO) muß der Beschwerdeführer u.a. darlegen, welche Tatfrage weiter aufklärungsbedürftig gewesen sei, welche Beweise zu welchem Beweisthema das FG nicht erhoben habe, warum er nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt habe und warum diese Beweiserhebung sich dem FG - auch ohne besonderen Antrag - als erforderlich hätte aufdrängen müssen.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Gründe

1. Die Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht den Anforderungen an eine schlüssige Darlegung eines Zulassungsgrundes i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügt (vgl. § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

a) Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht hinreichend dargelegt worden. Die dahingehenden Ausführungen des Klägers und Beschwerdeführers (Klägers) beschränken sich auf die Formulierung, eine höchstrichterliche Entscheidung liege im Interesse der Gesamtheit von vielen tausend Hobbygärtnern an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts und könne zur Rechtsklärung entscheidend beitragen.

Der Kläger hat selbst auf die grundlegenden Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Dezember 1980 III R 56/77 (BFHE 133, 212, BStBl II 1981, 498) und vom 4. März 1987 II R 8/86 (BFHE 149, 71, BStBl II 1987, 370) hingewiesen. Um so mehr hatte er Veranlassung darzulegen, warum diese Rechtsprechung eine Klärung der im Streitfall zu beantwortenden Rechtsfragen nicht herbeigeführt habe und eine weitere Klärung erforderlich sei.

b) Eine schlüssige Divergenzrüge erfordert, daß der Beschwerdeführer die (vermeintlich) divergierenden Rechtssätze der Vorentscheidung und der BFH-Rechtsprechung herausarbeitet und gegenüberstellt. Daran fehlt es im Streitfall.

c) Verfahrensfehler

Soweit der Kläger beanstandet, das Finanzgericht (FG) habe bei seiner Entscheidung die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht genügend beachtet, liegt darin nicht die Rüge eines Verfahrensmangels, sondern die Beanstandung eines materiell-rechtlichen Fehlers der Vorentscheidung.

Soweit der Kläger bemängelt, das FG habe seine umfangreiche Klagebegründung nicht gewürdigt, könnte darin die Rüge eines wesentlichen Verfahrensmangels i.S. der §§ 116 Abs. 1 Nr. 5, 119 Nr. 6 FGO (Entscheidung nicht mit Gründen versehen) gesehen werden. Eine dahingehende Rüge hätte der Kläger indessen mit der zulassungsfreien Revision (vgl. § 116 FGO) geltend machen müssen.

Wenn man diesen Vortrag als Beanstandung der Verletzung des Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -, § 96 Abs. 2 FGO) auffaßt, ist die Rüge unschlüssig. Nach Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO haben die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, sich vor Erlaß der gerichtlichen Entscheidung zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern. Diesem Recht korrespondiert die Pflicht des Gerichts, Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 119 Rdnr. 10, m.w.N.). Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO sind allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, daß das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist; denn grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (vgl. z.B. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 22. November 1983 2 BvR 399/81, BVerfGE 65, 293, 295, m.w.N.). Deswegen war es für den Kläger geboten, substantiiert darzulegen, aus welchen konkreten Tatsachen zu folgern sei, daß das FG seinen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen habe. Der bloße - pauschale und nicht näher begründete - Hinweis, das Gericht habe seine Klagebegründung nicht gewürdigt und die Vorentscheidung sei unrichtig, reicht für eine schlüssige Rüge nicht aus.

Soweit der Kläger beanstandet, die Niederschrift über die Augenscheinseinnahme des Berichterstatters zeuge von mangelnder Sachkunde, sei fehlerhaft und im übrigen lägen insgesamt keine verwertbaren Unterlagen vor, die den Urteilsspruch des FG rechtfertigten, könnte damit die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 76 FGO) gerügt worden sein. Jedoch hätte der Kläger in diesem Zusammenhang u.a. darlegen müssen, welche Tatfragen weiter aufklärungsbedürftig gewesen seien, welche Beweise zu welchem Beweisthema das FG nicht erhoben habe, warum er nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt habe und warum diese Beweiserhebung sich dem FG - auch ohne besonderen Antrag - als erforderlich hätte aufdrängen müssen (vgl. z.B. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rdnr. 228, m.w.N.). Daran fehlt es im Streitfall; die Rüge ist deshalb ebenfalls unschlüssig.

Soweit der Kläger schließlich beanstandet, neben seinem Fall seien in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vier weitere Fälle innerhalb von nur zwei Stunden durchgepeitscht worden, liegt darin die Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör. Zu einer schlüssigen Rüge wäre erforderlich gewesen, daß der Kläger u.a. vorgetragen hätte, zu welchen Tatsachen er sich nicht habe äußern können, was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwiefern durch sein - lediglich infolge des Verfahrensfehlers unterbliebenes - Vorbringen die Entscheidung des FG - auch bei Zugrundelegung dessen sachlich-rechtlicher Auffassung - anders hätte ausfallen können (Herrmann, a.a.O., Rdnr. 230 m.w.N.).

An diesen Erfordernissen fehlt es im Streitfall.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419380

BFH/NV 1994, 251

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