Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwischenvermietung: Weisungsbefugnis der OFD; Überwälzung des Mietausfallrisikos als Grund für die Zwischenvermietung

 

Leitsatz (NV)

1. Die OFD verstößt nicht gegen § 8 FVG, wenn sie die Weisung an die FÄ ihres Bezirks erteilt, vor jeder beabsichtigten Anerkennung einer Zwischenvermietung unter Aktenvorlage zu berichten, und wenn sie danach die Weisung erteilt, die Gestaltung im Einzelfall als rechtsmißbräuchlich zu beurteilen.

2. Um anhand objektiv nachprüfbarer Indizien glaubhaft zu machen, daß der Eigentümer bei Abschluß des Zwischenmietvertrages ernsthaft mit einem Mietausfallrisiko hat rechnen müssen, reicht es nicht aus, allgemein auf die Wohnungssituation in einer Mittelstadt zu verweisen. Hierfür hätte der Eigentümer als Indizien z. B. anführen müssen, wie die Vermietungslage im Einzugsgebiet des Mietobjekts war, welche konkreten Schritte er zur Vermietung an Wohnungssuchende unternommen hat und warum diese ergebnislos geblieben sind. Objektiv nachprüfbar wären diese Umstände gewesen, wenn sie z. B. anhand von Anzeigen, Angeboten, Schriftwechsel usw. hätten belegt werden können.

 

Normenkette

AO 1977 § 42; UStG 1980 § 4 Nr. 12 Buchst. a, §§ 9, 15 Abs. 1; FVG § 8 Abs. 6, § 17 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erwarb ‹-Miteigentum an einem Grundstück in G, teilte das Grundstück zusammen mit dem Miteigentümer in 10 Eigentumsanteile nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) auf (wobei jedem Miteigentümer das Sondereigentum an fünf Wohnungen eingeräumt wurde) und bebaute das Grundstück zusammen mit dem Miteigentümer mit einem Gebäude bestehend aus 10 Wohnungen. Sie vermietete ihre Eigentumswohnungen an einen Angestellten ihres Ehemannes und Prozeßbevollmächtigten zum Zwecke der Weitervermietung, erklärte den Verzicht auf die Befreiung ihrer Umsätze von der Umsatzsteuer und zog die ihr im Rahmen der Gebäudeerrichtung in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer ab.

Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung legte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) in einem Bericht an die Oberfinanzdirektion (OFD) seine Absicht dar, die Zwischenvermietung anzuerkennen. Von dem Berichtsvorschlag abweichend wies die OFD das FA an, die Gestaltung als mißbräuchlich zu beurteilen. Auch im Einspruchsverfahren vertrat das FA in einem Bericht an die OFD seine ursprüngliche Auffassung. Nach gegenteiliger Weisung durch die OFD setzte das FA unter Hinweis auf § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) die Umsatzsteuer 1981 auf . . . DM und die Umsatzsteuer 1982 auf . . . DM fest.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung; außerdem rügt sie Verfahrensfehler.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ,,in welchem Umfang die Aufsichtsbehörde in einer unbegrenzten Zahl von Einzelfällen die Sachentscheidungskompetenz an sich ziehen kann", indem sie die FÄ in ihrem Geschäftsbereich anweise, keine Zwischenvermietungsfälle ohne Vorlage der Akten und entsprechende Weisung der OFD anzuerkennen. Es bestehe ein allgemeines Interesse an der Klärung der Frage, welche Auswirkungen die Verletzung der Vorschriften über die funktionelle Zuständigkeit (§ 8 Abs. 6, § 17 Abs. 2 des Finanzverwaltungsgesetzes - FVG -) auf den Steuerverwaltungsakt habe. Als grundsätzlich bedeutsam bezeichnet die Klägerin ferner die vom FG (hilfsweise) bejahte Frage, ob eine Verletzung der Vorschriften über die funktionelle Zuständigkeit in den Anwendungsbereich des § 127 AO 1977 falle.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sich ein Teil der streitigen Rechtsfragen ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten läßt und im übrigen eine Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen im Revisionsverfahren nicht zu erwarten ist. Denn es ist bereits zu verneinen, daß die OFD die Grenzen ihrer Zuständigkeit überschritten hat; deshalb bedürfen die an eine Verletzung der Zuständigkeitsregelung geknüpften Rechtsfragen im Revisionsverfahren keiner Erörterung.

Gemäß § 8 Abs. 6 FVG leitet die Besitz- und Verkehrsteuerabteilung der OFD die Durchführung der Aufgaben, für deren Erledigung die FÄ zuständig sind. Im Rahmen der Sachleitung (Fachaufsicht) darf die OFD Anweisungen erteilen, welche Rechtsauffassungen von den FÄ zu vertreten sind. Dies gilt nicht nur für generelle Anweisungen bezüglich der Gesamtheit der zu bearbeitenden Fälle, sondern auch für Weisungen im Einzelfall. Denn letztere bedeuten noch keinen (möglicherweise unzulässigen) Selbsteintritt durch die OFD, d. h. die unmittelbare Erledigung von Aufgaben des FA an dessen Stelle. Die Verpflichtung der FÄ, in bestimmten Fällen unter Vorlage von Akten der OFD zu berichten, dient lediglich der Vorbereitung genereller oder spezieller fachlicher Weisungen und ist ebenfalls Ausfluß der Leitungsfunktion der OFD.

2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

a) Die Klägerin rügt, das FG habe den von ihr im Schriftsatz vom 19. September 1989 S. 2 und 3 angebotenen Zeugenbeweis übergangen. Der dort benannte Makler hätte bei Vernehmung bekundet, ,,im Jahre 1981 habe es ein Überangebot an Wohnungen und in größerem Umfang leerstehende Mieträume gegeben; dies gelte auch für die Wohnungssituation in G".

Das FG durfte von der Zeugenvernehmung absehen. Auf der Grundlage seines - mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats übereinstimmenden - materiell-rechtlichen Standpunkts ist das FG erkennbar davon ausgegangen, daß es auf die mit diesem Beweismittel nachzuweisende Tatsache nicht ankam. Denn das FG hat ausgeführt, die Klägerin hätte - wenn die Sicherung des Mietertrages durch Überwälzung des Mietrisikos für die Entscheidung über den Gestaltungsmißbrauch Bedeutung hätte erlangen sollen - darlegen müssen, daß sie zum Zeitpunkt des Abschlusses des Zwischenmietvertrages ernsthaft mit einem Mietausfallrisiko rechnen mußte; dieses Mietausfallrisiko hätte sie anhand objektiv nachprüfbarer Indizien glaubhaft machen müssen (vgl. dazu z. B. BFH-Beschluß vom 29. Oktober 1987 V B 61/87, BFHE 151, 251, BStBl II 1988, 45, unter 2.).

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, der Nachweis, im Jahre 1981 habe es - auch in G - ein Überangebot an Wohnungen und in größerem Umfang leerstehende Mieträume gegeben, reiche für die Darlegung, daß die Klägerin ernsthaft mit einem Mietausfallrisiko habe rechnen müssen, nicht aus. Hierfür hätte die Klägerin als Indizien z. B. anführen müssen, wie die Vermietungslage im Einzugsgebiet des Mietobjekts war, welche konkreten Schritte sie zur Vermietung an Wohnungssuchende unternommen hat und warum diese ergebnislos geblieben sind. Objektiv nachprüfbar wären diese Umstände gewesen, wenn sie z. B. anhand von Anzeigen, Angeboten, Schriftwechsel usw. hätten belegt werden können.

b) Sofern die Klägerin auch rügen wollte, das FG habe es unterlassen, den Zwischenvermieter zur Frage der tatsächlich eingetretenen Mietausfälle zu vernehmen, ist die Nichtzulassungsbeschwerde insofern jedenfalls unbegründet. Das FG brauchte den angebotenen Beweis nicht zu erheben, weil es nach seiner Rechtsauffassung nicht auf die zu beweisende Tatsache ankam. Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist stets von dem materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz auszugehen (Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Rz. 24 m. w. N.). Das FG hat - unter Berufung auf den BFH-Beschluß vom 22. Januar 1988 V B 124/87 (BFH/NV 1989, 53, 54) - ausgeführt, daß es für die Entscheidung über den Gestaltungsmißbrauch nicht darauf ankomme, ob nach Abschluß des Zwischenmietvertrages tatsächlich Mietausfälle eingetreten sind oder das Objekt zeitweise leergestanden hat.

c) Sofern die Klägerin rügt, das FG habe es trotz seines Beweisantrags unterlassen festzustellen, daß die von ihr mit der Zwischenvermietung angestrebten Mietpreise weit über den im Mietspiegel ausgewiesenen Mietpreisen gelegen hatten, kann die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg haben, weil nicht nachvollziehbar dargelegt worden ist, wieso die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

 

Fundstellen

BFH/NV 1991, 710

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