Entscheidungsstichwort (Thema)

Auf Stundung bestandskräftig festgesetzter Steuern gerichteter Antrag auf einstweilige Anordnung

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Passivlegitimation für Erlaß- und Stundungsanträge und an deren Ablehnung anschließende Rechtsmittel.

2. Rechtsbeeinträchtigungen kommen als Anordnungsgrund für eine einstweilige Anordnung gegenüber dem FA nur in Betracht, wenn sie von dem FA ausgehen.

 

Normenkette

AO 1977 § 227; FGO § 63 Abs. 1, § 114 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) meldete zum 1. Januar 1981 einen Gewerbebetrieb als Privatdetektiv an. Er verlegte seinen Wohnsitz aus dem Bezirk des Finanzamtes (FA) B in den des FA L. Das FA B schätzte den Gewinn des Klägers für 1981 auf 25 000 DM und für 1982 auf 27 500 DM und erließ dementsprechend Feststellungsbescheide. Das FA L, der Antragsgegner und Beschwerdegegner (Beschwerdegegner), erließ für 1981 und 1982 Einkommensteuerbescheide, in denen als Einkünfte ausschließlich die in den Feststellungsbescheiden enthaltenen Gewinnbeträge angesetzt wurden. Die Einkommensteuerbescheide wurden bestandskräftig.

Das FA B erließ (neben den Feststellungsbescheiden) für 1981 und 1982 auch Umsatzsteuerbescheide. Der Bescheid für 1981 wurde ebenfalls bestandskräftig. Auf den Einspruch des Beschwerdeführers setzte das FA B die Umsatzsteuer 1982 auf 0 DM herab.

Der Beschwerdeführer beantragte, die bestandskräftig festgesetzten Steuern aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Der Antragwurde vom FA B für die Umsatzsteuer und vom Beschwerdegegner für die Einkommensteuer abgelehnt. Die dagegen beim Beschwerdegegner für die Einkommensteuer erhobene Beschwerde wies die Oberfinanzdirektion (OFD) mit der Begründung zurück, ein Erlaß wegen sachlicher Härte sei nicht möglich, weil bestandskräftige Steuerbescheide im Billigkeitsverfahren grundsätzlich nicht auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen seien. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei nicht möglich, weil der Beschwerdeführer trotz Aufforderung keine Steuererklärungen abgegeben habe, so daß die Besteuerungsgrundlagen hätten geschätzt werden müssen, und weil er es versäumt habe, sich gegen die Steuerbescheide rechtzeitig zu wehren.

Der Beschwerdeführer hat Klage erhoben mit dem Ziel, den Beschwerdegegner zum Erlaß der Steuern zu verpflichten. Das Finanzgericht (FG) hat über diese Klage noch nicht befunden.

Daneben hat der Beschwerdeführer bei dem FG beantragt, die festgesetzten Steuern im Wege einstweiliger Anordnung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Erlaßantrag zu stunden. Er sei durch Vollstreckungsmaßnahmen nicht nur einer weiteren ständigen Gefährdung seiner Existenz, sondern ihrer Vernichtung ausgesetzt.

Das FG hat den Antrag des Beschwerdeführers abgelehnt, die festgesetzten Steuern im Wege einstweiliger Anordnung bis zu einer Entscheidung über die Verpflichtungsklage zu stunden. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das FG ausgeführt: Die Klage sei hinsichtlich der Umsatzsteuer 1981 unzulässig, da das Vorverfahren insoweit noch nicht abgeschlossen sei. Hinsichtlich der Einkommensteuer sei die auf § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützte Klage jedenfalls unbegründet, weil der Beschwerdeführer nicht einmal dargetan habe, warum es ihm nicht möglich gewesen sei, gegen die Bescheide fristgerecht Einspruch einzulegen. Es fehle deshalb an einem Anordnungsanspruch. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer auch keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Er habe weder die Grundlagen seiner Existenz noch deren Gefährdung benannt und auch nicht mitgeteilt, welche Vollstreckungsmaßnahmen drohten.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung weiter. Der Beschwerdeführer habe Anspruch auf Erlaß der festgesetzten Steuern. Er sei in den Jahren 1981 und 1982 arbeitslos gewesen und habe auch als ,,Privat-Detektiv" keine Einnahmen erzielt. Es sei unbillig, aus den durch seine Untätigkeit bestandskräftig gewordenen Steuerbescheiden zu vollstrecken. Daß die Steueransprüche materiell-rechtlich nicht existierten, ergebe sich daraus, daß das FA B den Umsatzsteuerbescheid 1982, gegen den rechtzeitig Einspruch eingelegt worden sei, ersatzlos aufgehoben habe. Vom Beschwerdeführer würden monatlich die pfändbaren Beträge zwischen 100 DM und 200 DM einbehalten.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Antragsgegner im Verfahren über den Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist die Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den Erlaß des beantragten Verwaltungsaktes abgelehnt hat. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 63 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Soweit der Beschwerdeführer die Stundung festgesetzter Umsatzsteuer verlangt, ist sein Begehren nicht gegen den richtigen Verfahrensgegner gerichtet. Beklagter, Antragsgegner und Beschwerdegegner ist das FA L. Den Umsatzsteuerbescheid 1981 hat aber das FA B erlassen. Nur dieses FA kann die festgesetzte Umsatzsteuer auch erlassen und stunden. Deshalb ist der Anordnungsantrag insoweit wegen Fehlens der Passivlegitimation nicht gerechtfertigt und die Beschwerde hinsichtlich der Umsatzsteuer bereits aus diesem Gesichtspunkt unbegründet.

2. Einstweilige Anordnungen nach § 114 Abs. 1 FGO setzen einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus. Es kann dahinstehen, ob ein Anordnungsanspruch besteht; denn der Beschwerdeführer hat keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Die vom Beschwerdeführer befürchtete Existenzvernichtung durch Vollstreckungsmaßnahmen könnte zwar ein Anordnungsgrund sein. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers und aus den vorliegenden Akten ist aber nicht zu entnehmen, daß der Beschwerdegegner gegen den Beschwerdeführer Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen hat. Darauf hat das FG zutreffend die Ablehnung der beantragten einstweiligen Anordnung gestützt. Die vom Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung erwähnten Gehaltspfändungen können auch auf Vollstreckungsmaßnahmen anderer Gläubiger beruhen; die Begründung läßt dies offen. Eine dadurch verursachte Existenzgefährdung des Beschwerdeführers bildet im Verhältnis zum Beschwerdegegner keinen Grund für eine einstweilige Anordnung bis zur Entscheidung über den vom Beschwerdeführer mit der Klage verfolgten Erlaßanspruch.

 

Fundstellen

Haufe-Index 423945

BFH/NV 1988, 315

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