Entscheidungsstichwort (Thema)

Treuhandverhältnis über Anteile an einer Personengesellschaft: Gewinnfeststellung

 

Leitsatz (NV)

Werden die Anteile an einer Personengesellschaft von Treuhändern gehalten und werden im Gewinnfeststellungsbescheid anstelle der Treuhänder nur die Treugeber aufgeführt, so ist die Gewinnfeststellung unvollständig und muß vervollständigt werden. In dem vervollständigten Bescheid ist der festgestellte Gewinn oder Verlust der Gesellschaft zunächst den Treuhändern als Gesellschaftern zuzurechnen.

 

Normenkette

AO 1977 § 155 Abs. 2, § 179 Abs. 2-3, § 182; FGO § 74

 

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob aus dem Kauf und Verkauf eines Grundbesitzes mit 282 Wohneinheiten in D ein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn oder ein nach dem Tarif zu besteuernder laufender Gewinn aus Gewerbebetrieb entstanden ist.

Die Kläger und Beschwerdeführer zu 1 und 2 (Kläger zu 1 und 2) schlossen am 1. Mai 1976 mit der B-KG einen Vertrag, nach dem die B-KG treuhänderisch für die Kläger zu 1 und 2 tätig sein und mit der A- GmbH eine Arbeitsgemeinschaft bilden sollte, um das Objekt in D zu erwerben und zu verwerten. Die Kläger zu 3 und 4 beauftragten ihrerseits am 5. Mai 1976 die A-GmbH, den Grundbesitz in D zusammen mit der B-KG treuhänderisch für Rechnung der aus den Klägern zu 3 und 4 bestehenden C-GbR zu erwerben. Die B-KG und die A-GmbH schlossen sich daraufhin zu der E-GbR (GbR) zusammen. Gesellschaftszweck der GbR waren der Erwerb und die Verwaltung oder Verwertung des Grundbesitzes in D. In der Folge erwarb die GbR den Grundbesitz und bezog Einkünfte aus der Vermietung der einzelnen Wohneinheiten; die Einkünfte hieraus wurden von der GbR als Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt. Ein Teil der Immobilien wurde schon 1977, die anderen in den Streitjahren (1979 und 1980) veräußert. Für die Streitjahre ermittelte und erklärte die GbR als laufende Einkünfte Verluste in Höhe von ... DM für 1979 und von ... DM für 1980 sowie Veräußerungsgewinne i. S. des § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von ... DM für 1979 und von ... DM für 1980.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) vertrat demgegenüber die Auffassung, aus der Veräußerung des Grundbesitzes seien laufende Einkünfte erwachsen, die nach dem Tarif zu versteuern seien. Dementsprechend stellte das FA mit Feststellungsbescheiden vom 11. Dezember 1981 und 23. Juni 1983 laufende Gewinne in Höhe von ... DM (1979) und von ... DM (1980) fest. Die Bescheide wurden an den Kläger zu 1 als Empfangs bevollmächtigten der GbR versandt. Dieser erhob Einspruch und beantragte, einen Teil der festgestellten Gewinne als Veräußerungsgewinne zu erfassen. Das FA gelangte nunmehr zu der Auffassung, die Bescheide seien nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben worden. Es teilte dies dem Kläger zu 1 mit und erließ unter dem 2. Dezember 1983 erneut Feststellungsbescheide, die -- mit sachlich unverändertem Inhalt -- nunmehr an die Kläger als ehemalige Gesellschafter der GbR gerichtet wurden. Die Kläger wurden auch in der Anlage zu den Bescheiden als Gesellschafter der GbR bezeichnet. Der Einspruch der Kläger dagegen blieb ohne Erfolg.

Mit der Klage wurde u. a. geltend gemacht, die angefochtenen Feststellungsbescheide seien schon deshalb aufzuheben, weil das FA erkennbar die Kläger als Mitunternehmer behandelt und ihnen Einkünfte zugerechnet habe. Dies sei unzutreffend, denn Gesellschafter der GbR seien die B-KG und die A-GmbH gewesen.

Während des Klageverfahrens, in dem die Kläger in erster Linie die Aufhebung der angefochtenen Feststellungsbescheide be antragen, hat das FA die angefochtenen Be scheide aus Gründen, die mit dem gegenwärtigen Rechtsstreit nicht zusammenhängen, geändert. Die Kläger haben die ge änderten Feststellungsbescheide vom 28. November 1984 und vom 2. Januar 1985 gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens erklärt.

Mit dem angefochtenen Beschluß vom 24. Februar 1992 hat das Finanzgericht (FG) das Verfahren "nach § 74 FGO aus gesetzt bis der Beklagte einen Ergänzungsbescheid nach § 179 Abs. 3 Abgabenordnung über die Verteilung des Gewinns der GbR auf deren Gesellschafter erlassen oder mitgeteilt hat, daß ein derartiger Bescheid nicht erlassen werde, längstens jedoch bis ein Jahr nach Rechtskraft dieses Beschlusses". Das FG führte dazu aus, die B-KG und die A-GmbH hätten ihre Anteile an der GbR treuhänderisch für die Kläger gehalten. Die Zurechnung von Gewinnen, die im Rahmen einer so gestalteten Mit unternehmerschaft erzielt werden, erfolge, wie sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Mai 1977 IV R 47/76 (BFHE 122, 400, BStBl II 1977, 737) ergebe, grundsätzlich in einem zweistufigen Verfahren. Im ersten Verfahrensabschnitt sei zunächst der Gewinn der Gesellschaft festzustellen und auf die unmittelbar beteiligten Mitunternehmer aufzuteilen. In einem Folgebescheid sei der Gewinn nach Maß gabe des Treuhandvertrags auf die Treuhänder und Treugeber zu verteilen. In den angefochtenen Bescheiden seien die hiernach erforderlichen Feststellungen nur zum Teil enthalten. Denn die B-KG und die A-GmbH als nach außen in Erscheinung tretende Gesellschafter der GbR seien in den Feststellungsbescheiden nicht erwähnt. Diese Feststellungen könnten in einem Ergänzungsbescheid nach § 179 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) nachgeholt werden. Allerdings sei die Nachholung einer Feststellung nach § 179 Abs. 3 AO 1977 nicht möglich, wenn diese nicht unterblieben, sondern eine (ggf. negative) falsche Feststellung getroffen worden sei (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 1977 IV R 120/73, BFHE 123, 467, BStBl II 1978, 152). Ein solcher Fall liege aber nicht vor. Denn nach den besonderen Umständen des Streitfalles könne nicht angenommen werden, daß mit den angefochtenen Bescheiden die Mit unternehmerschaft der B-KG und der A- GmbH habe ausgeschlossen werden sollen.

Mit der Beschwerde gegen den Aussetzungsbeschluß machen die Kläger geltend, die angefochtenen Bescheide seien nicht lükenhaft bzw. unvollständig i. S. des § 179 Abs. 3 AO 1977. Die Bescheide führten die Kläger ausdrücklich als (ehemalige) Gesellschafter und nicht als Treugeber auf, obwohl dem FA die Treuhandkonstruktion der GbR bekannt gewesen sei. Die Einspruchsentscheidung wiederhole ausdrücklich, daß die Kläger als ehemalige Gesellschafter der GbR Feststellungsbeteiligte seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet und wird deshalb zurückgewiesen.

1. Gemäß § 74 FGO kann das FG, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Diese Lage ist auch gegeben, wenn im Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit eines Folgebescheides Besteuerungsgrundlagen streitig sind, deren abschließende Prüfung dem Verfahren über einen noch ausstehenden Grundlagen- oder Grundlagenänderungsbescheid vorbehalten ist. Ein hierzu anhängiges oder noch einzuleitendes Feststellungsverfahren gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 a, § 182 Abs. 1 AO 1977 ist im Verhältnis zu einem Folgebescheid ein vorgreifliches Rechtsverhältnis i. S. des § 74 FGO (BFH-Entscheidungen vom 10. Oktober 1989 IV B 135/88, BFH/NV 1990, 485; vom 19. Juli 1990 IV R 11/89, BFH/NV 1991, 649; vom 1. Juli 1992 X B 143/91, BFH/NV 1992, 762).

2. Im Streitfall ist diese verfahrensrecht liche Situation gegeben.

a) Das FG ist mit den Verfahrensbeteiligten davon ausgegangen, daß Gesellschafter der GbR die B-KG und die A-GmbH waren, daß diese ihre Anteile an der KG jedoch als Treuhänder für die Kläger hielten. Es entspricht der Rechtsprechung des BFH, die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus der Gesellschaft grundsätzlich in einem zweistufigen Verfahren durchzuführen (Senatsurteile in BFHE 122, 400, BStBl II 1977, 737, und vom 21. April 1988 IV R 47/85, BFHE 153, 545, BStBl II 1989, 722). In der ersten Stufe des Verfahrens ist der Gewinn oder Verlust der Gesellschaft festzustellen und auf die Gesellschafter, also die Treuhänder, entsprechend dem maßgebenden Verteilungsschlüssel aufzuteilen. In einem zweiten Feststellungsbescheid wird der Gewinnanteil des Treuhänders entsprechend § 179 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 auf die Treugeber aufgeteilt. Beide Feststellungen können miteinander verbunden werden, wenn das Treuhandverhältnis allen Beteiligten bekannt ist. Für den Streitfall bedeutet dies, daß ein Bescheid hätte ergehen müssen, in dem der festgestellte Gewinn der GbR zunächst der B-KG und der A-GmbH als Gesellschaftern der GbR zugerechnet und auf diese verteilt wurde. In diesem Bescheid hätte auch darüber entschieden werden müssen, ob und in welchem Um fang die festgestellten Einkünfte Veräußerungsgewinne i. S. des § 16 EStG sind. Stattdessen ist der Gewinn der GbR nicht deren Gesellschaftern, sondern unmittelbar den Klägern zu 1 bis 4 und damit den Treugebern zugerechnet und auf diese verteilt worden.

b) Bei dieser Sachlage ist das Gewinnfeststellungsverfahren für die GbR unvollständig durchgeführt worden. Denn es fehlt die Einbeziehung der Gesellschafter der GbR in das Feststellungsverfahren und die Entscheidung über die Qualifikation der Einkünfte als laufender Gewinn oder als tarifbegünstigte außerordentliche Einkünfte. Dieser Einbeziehung bedurfte es auch, wenn die Gesellschafter als Treuhänder nach den getroffenen Vereinbarungen nicht am Gewinn oder Verlust der GbR beteiligt sein sollten. Auch in diesem Falle ist nämlich die Zurechnung des Gewinns und dessen Verteilung auf die Gesellschafter sowie die Qualifikation der Einkünfte als laufender Gewinn oder Veräußerungsgewinn Grundlagenbescheid i. S. des § 182 AO 1977 für die nachfolgende Zurechnung der Gewinnanteile bei den Treugebern. Das Fehlen des Grundlagenbescheides führte für sich gesehen auch nicht zur Rechtswidrigkeit des Folgebescheides (vgl. § 155 Abs. 2 AO 1977, und Senats urteil vom 13. März 1977 IV R 204/84, BFHE 146, 340, BStBl II 1986, 584).

c) Werden, wie im Streitfall, im Gewinnfeststellungsbescheid anstelle des Treuhand-Gesellschafters die Treugeber aufgeführt, muß die unvollständige Gewinnfeststellung durch einen Ergänzungsbescheid des FA nach § 179 Abs. 2 AO 1977 vervollständigt werden (vgl. Senatsurteil in BFHE 146, 340, BStBl II 1986, 584). In dem vervollständigten Bescheid sind die festgestellten Gewinne oder Verluste der Gesellschaft den Treuhändern als Gesellschaftern zuzurechnen. Die so sich ergebenden Ge winnanteile sind auf die Treugeber zu verteilen. Da im Streitfall allen Beteiligten die Treuhandkonstruktion bekannt ist, bestehen auch keine Bedenken, sämtliche Feststellungen in einem Bescheid miteinander zu verbinden.

d) Entgegen der Auffassung der Kläger scheitert der Erlaß eines Ergänzungsbescheides im Streitfall nicht daran, daß das FA in den angefochtenen Bescheiden die Kläger als Gesellschafter der GbR bezeichnet hat. Zutreffend hat das FG darauf hingewiesen, daß auch Verwaltungsakte ggf. ausgelegt werden müssen und daß dabei ausschlaggebend ist, wie die Betroffenen nach den ihnen bekannten Umständen den Regelungsinhalt des Verwaltungsakts unter Be rücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnten (Urteile in BFHE 146, 340, BStBl II 1986, 584, und in BFH/NV 1987, 627, m. w. N.). Da allen Beteiligten die Treuhandkonstruktion bekannt war, kann ihnen auch nicht verborgen bleiben, daß ihnen Einkünfte nicht wegen einer eigenen zivilrechtlichen Position als Gesellschafter, sondern wegen ihrer Stellung als Treugeber der Gesellschafter zugerechnet wurden (Urteil in BFH/NV 1987, 627, 628).

e) Voraussetzung für eine Verfahrensaussetzung nach § 74 FGO ist, daß die Entscheidung des Rechtsstreits von dem Bestehen oder Nichtbestehen des in einem anderen Verfahren festzustellenden Rechtsverhältnisses abhängig ist. An der Abhängigkeit würde es fehlen, wenn das FG die Klage unabhängig von der noch ausstehenden Feststellung hätte abweisen müssen. Eine solche Situation ist indes nach Aktenlage nicht gegeben. Insbesondere fehlt den Klägern nicht die Klagebefugnis. Allerdings sind in Angelegenheiten, die einen einheitlichen Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Gewerbebetrieb zum Gegenstand haben (§ 48 Abs. 1 FGO), Treugeber, die nicht die Rechtsstellung von Gesellschaftern haben, im Verfahren über den Erlaß des Grundlagenbescheides zur Feststellung der Einkünfte der Gesellschaft grundsätzlich nicht klagebefugt (vgl. Urteil in BFHE 122, 400, BStBl II 1977, 737). Im Streitfall geht es jedoch nicht um die Feststellung, Qualifikation und/oder Zurechnung von Einkünften im Grundlagenver fahren über die Einkünfte der GbR. Die Kläger machen vielmehr im Verfahren über den (vorweggenommenen) Folgebescheid geltend, ihnen dürften Einkünfte nicht zugerechnet werden, da sie nicht Ge sellschafter der GbR seien.

Danach hat das FG zu Recht das Verfahren wegen Fehlens des Grundlagenbescheides gemäß § 74 FGO ausgesetzt, so daß die Beschwerde der Kläger als unbegründet zurückzuweisen war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420384

BFH/NV 1995, 565

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