Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Vollziehung

 

Leitsatz (NV)

Eine überwiegende Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ist zur Aussetzung gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO nicht zu fordern. Es genügt, daß sowohl für das eine als auch für das andere Ergebnis gewichtige Gründe sprechen und somit den Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids das Merkmal der Ernstlichkeit nicht bestritten werden kann.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 2-3; VGFGEntlG Art. 3 § 7

 

Tatbestand

Die Antragstellerin ist eine KG, an der die ,,X-GmbH" als persönlich haftende Gesellschafterin und A. X. und seine Ehefrau B. X. als Kommanditisten beteiligt sind. A. X. und seine Ehefrau sind gleichzeitig Gesellschafter der ,,X-GmbH".

. . .

Nach einer Betriebsprüfung vertrat der Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß Grundstücke mit der Annahme eines Kaufangebots zunächst in vollem Umfang notwendiges Sonderbetriebsvermögen des A. X. geworden seien. Seit der Verpachtung einer Teilfläche der Grundstücke an die Z-GmbH sei die verpachtete Fläche aber nicht mehr notwendiges, sondern allenfalls gewillkürtes Betriebsvermögen. Da A. X. diese Fläche im Privatvermögen habe halten wollen, sei sie Ende 1973 mit dem Teilwert entnommen worden, so daß der Gewinn 1973 auf . . . DM zu erhöhen sei.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Mit der gegen die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) eingelegten Revision macht die Antragstellerin geltend, der Gewinnfeststellungsbescheid 1973 hätte nicht geändert werden dürfen, da bei der Betriebsprüfung keine neuen Tatsachen i. S. des § 173 der Abgabenordnung (AO 1977) bekanntgeworden seien. Entgegen der Auffassung des FG sei A. X. vor Erlangung des bürgerlich-rechtlichen Eigentums im Jahr 1973 nicht wirtschaftlicher Eigentümer der Grundstücke gewesen. Die Voraussetzungen für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums hätten nicht vorgelegen. Die Nutzungsmöglichkeiten des rechtlichen Eigentümers seien nicht ausgeschlossen gewesen. Selbst wenn man wirtschaftliches Eigentum annehmen würde, so fiele der Tatbestand einer Entnahme eindeutig in das Kalenderjahr 1972 - und nicht, wie das FG ausführt, in das Kalenderjahr 1973 -, so daß die angefochtene Gewinnerhöhung auch aus diesem Grund entfallen müsse.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, die Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheides 1973 auszusetzen, soweit es sich um die strittige Gewinnerhöhung im Betrag von . . . DM handelt.

Das FA beantragt, den Antrag abzulehnen. Es ist der Auffassung, an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestünden keine ernstlichen Zweifel.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheids 1973 ist zulässig und begründet.

1. Nach Art. 3 § 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) ist die Anrufung eines Gerichts erst dann zulässig, wenn die Finanzbehörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt oder zu erkennen gegeben hat, daß sie ihn ablehnen werde. Diese Voraussetzung ist gegeben, denn das FA hat einen nach Erlaß des FG-Urteils gestellten Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt.

2. Nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung unbillig ist. Ernstliche Zweifel sind zu bejahen, wenn bei der überschlägigen Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; vom 28. Mai 1986 I B 22/86, BFHE 146, 508, BStBl II 1986, 656).

Im Streitfall bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts.

Das FG hat seine Entscheidung zwar sehr eingehend begründet und gewichtige Argumente für seine Auffassung angeführt. Demgegenüber hat die Antragstellerin Ausführungen gemacht, die nicht von vornherein als unbeachtlich angesehen werden können. Sie hat näher ausgeführt, warum ihrer Auffassung nach keine neue Tatsache i. S. des § 173 AO 1977 gegeben ist, warum wirtschaftliches Eigentum nicht bestanden hat und daß auch bei Annahme von wirtschaftlichem Eigentum eine Entnahme im Streitjahr nicht erfolgt sei.

Die hierdurch aufgeworfenen Fragen sind im vorliegenden Verfahren, das nur eine summarische Prüfung gebietet, nicht abschließend zu beurteilen. Es genügt, daß sowohl für das eine als auch für das andere Ergebnis gewichtige Gründe sprechen und somit den Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids das Merkmal der Ernstlichkeit nicht bestritten werden kann. Eine überwiegende Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ist zur Aussetzung gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO nicht zu fordern (BFH-Beschluß vom 24. Oktober 1967 II B 17/67, BFHE 90, 532, BStBl II 1968, 229, m.w.N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416047

BFH/NV 1989, 314

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