Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlehenszinsen bei Familiengesellschaften als Betriebsausgaben

 

Leitsatz (NV)

1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob Zinsen für ein Darlehen, das ein Kind des Gesellschafters einer Personengesellschaft dieser Gesellschaft gewährt, auch dann Betriebsausgaben sind, wenn der Gesellschafter das Darlehen dem Kind geschenkt hat und das Darlehen ohne Gewährung von Sicherheiten durch die Gesellschaft gewährt wird.

2. Ein Steuerpflichtiger kann - statt Klage gegen die ablehnende Entscheidung der OFD zu erheben - beim Gericht der Hauptsache einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gem. § 69 Abs. 3 FGO stellen.

 

Normenkette

EStG § 4; FGO § 69 Abs. 2-3; VGFGEntlG Art. 3 § 7

 

Tatbestand

Die Antragstellerin ist eine KG, an der A als persönlich haftender Gesellschafter, seine Schwester B als Kommanditistin sowie die A-GmbH als weitere Kommanditistin beteiligt sind. Die vier Kinder des persönlich haftenden Gesellschafters A und die zwei Kinder der Kommanditistin B bekamen in den Jahren 1969 bis 1976 zum Teil von ihrem Großvater, dem Senior-Komplementär (bis 1974) V. A., und zum Teil von ihren Eltern schenkweise Geldbeträge mit der Maßgabe, diese der Antragstellerin langfristig als verzinsliches Darlehen zu überlassen.

Der Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) erkannte nach einer Betriebsprüfung die von der Antragstellerin für diese Darlehen gezahlten Zinsen mit der Begründung, es seien keine ernst gemeinten Übertragungen von Einkunftsquellen erfolgt, nicht als Betriebsausgaben an. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) hat die Antragstellerin Revision eingelegt.

Daneben beantragte die Antragstellerin beim FA Aussetzung der Vollziehung. Das FA lehnte den Antrag unter Hinweis auf die Entscheidung des FG ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde von der Oberfinanzdirektion (OFD) als unbegründet zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat daraufhin beim Bundesfinanzhof (BFH) beantragt, die Vollziehung der angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide 1972 bis 1976 bis zur Entscheidung über die Revision auszusetzen. Das FA hat dem Antrag widersprochen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestünden nicht. Das FG habe mit Recht darauf abgestellt, daß sich die Wirtschaftswirklichkeit durch die Schenkungen nicht verändert hätte und daß alles beim alten geblieben sei. Persönliche Gründe, die eine Aussetzung rechtfertigen könnten, seien nicht vorgetragen und auch nicht erkennbar.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Gewinnfeststellungsbescheide für 1972-1976 ist zulässig und begründet.

1. Nach Art. 3 § 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) ist die Anrufung eines Gerichts erst dann zulässig, wenn die Finanzbehörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt oder zu erkennen gegeben hat, daß sie ihn ablehnen werde. Diese Voraussetzung ist gegeben, denn die Finanzbehörden haben die Aussetzung der Vollziehung nach Erlaß des FG-Urteils durch Verwaltungsakt des FA und durch Beschwerdeentscheidung der OFD abgelehnt.

Die Antragstellerin konnte einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Gericht der Hauptsache nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stellen, statt gegen die ablehnende Entscheidung der OFD Klage zu erheben (BFH-Beschlüsse vom 4. Dezember 1967 GrS 4/67, BFHE 90, 461, BStBl II 1968, 199; vom 24. Juni 1985 GrS 1/84, BFHE 144, 124, BStBl II 1985, 587).

2. Nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung unbillig ist. Ernstliche Zweifel sind zu bejahen, wenn bei der überschlägigen Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts in Aussetzungsverfahren neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; vom 28. Mai 1986 I B 22/86, BFHE 146, 508, BStBl II 1986, 656).

Im Streitfall bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte. Dies ergibt sich schon aus dem Urteil des erkennenden Senats vom 22. Mai 1984 VIII R 35/84 (BFHE 142, 28, BStBl II 1985, 243). Dort ist ausgeführt, in der Rechtsprechung des BFH sei seit langem anerkannt, daß Vereinbarungen zwischen Familienangehörigen dann einkommensteuerrechtlich wie Verträge zwischen fremden Personen zu berücksichtigen seien, wenn sie auch inhaltlich - unabhängig von ihrem möglicherweise zwischen Fremden nicht üblichen Entstehungsgrund (Schenkung als Rechtsgrund) - den zwischen fremden Personen üblichen Verträgen entsprächen. In Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat entschieden, daß Zinsen für ein Darlehen, das ein Kind des Gesellschafters einer Personengesellschaft dieser Gesellschaft gewährt, auch dann Betriebsausgaben sind, wenn der Gesellschafter das Darlehen dem Kind geschenkt hat und das Darlehen ohne Gewährung von Sicherheiten durch die Gesellschaft gewährt wird.

Die Finanzverwaltung hat gegen diese Rechtsprechung Bedenken geäußert und will sie erneut durch den BFH überprüfen lassen (vgl. dazu Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 1. Juli 1988 IV B 2-S 2144-2/88, BStBl I 1988, 210). Hierdurch wird jedoch keine Möglichkeit eröffnet, von der gebotenen Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide abzusehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416048

BFH/NV 1989, 165

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