Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Revisionsbegründung; Wiedereinsetzung bei Versäumung der Revisionsbegründungsfrist; kein Fall notwendiger Beiladung bei zusammenveranlagten Ehegatten

 

Leitsatz (NV)

1. Aus der Revisionsbegründung muß eindeutig hervorgehen, inwieweit der Kläger sich durch das angefochtene Urteil beschwert fühlt und inwieweit dessen Änderung oder Aufhebung begehrt wird.

2. Die den Wiedereinsetzungsantrag begründenden Tatsachen müssen innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden.

3. Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten und Klageerhebung nur durch einen Ehegatten liegt ein Fall notwendiger Beiladung auch dann nicht vor, wenn beide Ehegatten Einkünfte erzielt haben.

 

Normenkette

FGO §§ 56-57, 115, 120

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und die Revisionsklägerin sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger betrieb in den Streitjahren ein . . . unternehmen, aus dem er Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. des § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielte.

Nach einer Betriebsprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) geänderte Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuerbescheide für die Streitjahre sowie geänderte Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1977, 1. Januar 1978 und 1. Januar 1979. Die geänderten Bescheide beruhen auf Zuschätzungen zu den erklärten Besteuerungsgrundlagen. Die Einsprüche der Kläger blieben ohne Erfolg.

Die Klage, die vom Kläger nicht begründet wurde, wurde als unbegründet abgewiesen.

Gegen das am 19. Januar 1985 zugestellte Urteil des Finanzgerichts (FG) richten sich die Revision des Klägers und die Revision der Revisionsklägerin.

In einem Schriftsatz des (neuen) Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 14. März 1985, mit dem um Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist gebeten wurde, wird zu der beabsichtigten Revisionsbegründung ,,vorab" ausgeführt: ,,Vorab darf insoweit schon auf den Tenor der Begründung hingewiesen werden, daß offensichtlich die Ermittlungen der Mehrumsätze nicht im Rahmen des Vermögensvergleichs (§ 4/5 EStG) durchgeführt wurden, sondern lediglich Umsatzhinzurechnungen erfolgten, die damit angelehnt an die Einnahme-Überschußrechnung, die bei diesem Unternehmen aber nicht durchgeführt werden darf (wegen Überschreitung der Summen), zu fehlerhaften Ergebnissen führte. Des weiteren liegt offensichtlich unter Berücksichtigung der privaten Ausgabensituation des Klägers eine ermessensfehlerhafte Schätzung vor. Diese Schätzung wurde auch nicht ausreichend begründet, so daß die Bestätigung des Urteils angefochten werden muß."

Die Revisionsbegründungsfrist wurde mehrmals, zuletzt bis zum 30. August 1985, verlängert.

Die angekündigte Revisionsbegründung (Schriftsatz mit Datum 29. August 1985) ging am 3. September 1985 beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat in diesem Schriftsatz ,,vorsorglich hinsichtlich des unzuverlässigeen Postlaufs - zum Teil auch bei Eilbotensendungen -" Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Nachdem das FA in der Revisionserwiderung geltend gemacht hatte, die Revision sei wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist unzulässig, führte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 20. Dezember 1985 aus, ausweislich des Absendevermerks auf der Aktenkopie sei ,,der Schriftsatz rechtzeitig eingesteckt worden". Er sei darüber hinaus vorsichtshalber ,,per Eilboten" frankiert worden. Da am Kanzleisitz leider unregelmäßige Postbearbeitungen zu beklagen seien, sei vorsorglich der Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt worden.

In dem am 3. September 1985 eingegangenen Schriftsatz wird ,,zur weiteren Begründung" u. a. gerügt, die Schätzungsmethode des FA sei fehlerhaft. Der Gewinn müsse durch Bestandsvergleich nach §§ 4, 5 EStG ermittelt werden. Das FA habe den Bestandsvergleich jedoch nicht konsequent nachvollzogen, sondern ihn mit einer Einnahme-Überschußrechnung vermischt. Dies wird daraus hergeleitet, daß der Prüfer von den Aufzeichnungen im Rechnungsausgangsbuch ausgegangen sei und diesen Mehreinnahmen nach ,,Einnahmegrundsätzen" zugerechnet habe . . .

Der Kläger und die Revisionsklägerin beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren für notwendig zu erklären. Hilfsweise wird beantragt,

1. das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluß des gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahrens auszusetzen,

2. dem FA aufzuerlegen, Einblick in die durch Gerichtsbeschluß erwirkte Beschlagnahme sämtlicher Unterlagen in Gegenwart eines Bevollmächtigten zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Revision des Klägers

Die Revision des Klägers muß als unzulässig verworfen werden, weil sie nicht in der gesetzlichen Frist begründet worden ist (§ 124 FGO).

Gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision bei dem FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils oder nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 5 FGO) schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen.

1. Im Streitfall ist die Vorentscheidung am 19. Januar 1985 zugestellt worden, so daß die Revisionsbegründungsfrist, wäre sie nicht verlängert worden, am 19. März 1985 abgelaufen wäre. Bis zum Ablauf des 19. März 1985 ist eine Revisionsbegründung nicht eingegangen. Nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO muß die Revisionsbegründung oder die Revision einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Diesen Anforderungen genügt der beim BFH am 15. März 1985 eingegangene Schriftsatz nicht. Mit diesem Schriftsatz wurde kein Revisionsantrag gestellt und begründet, sondern um Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist gebeten. Allerdings wurde ,,vorab" darauf hingewiesen, nach Auffassung der Revision sei die Schätzung nicht, wie geboten, nach §§ 4, 5 EStG erfolgt, und außerdem sei die Schätzung ,,unter Berücksichtigung der privaten Ausgabensituation des Klägers" ermessensfehlerhaft. Diese Ausführungen lassen jedoch nicht erkennen, in welchem Umfang die Vorentscheidung angegriffen und welches Ziel mit der Revision angestrebt wird, zumal auch die Klage nicht begründet worden war und somit zur Klärung des Revisionsbegehrens auch nicht auf Anträge oder Ausführungen im Verfahren vor dem FG zurückgegriffen werden kann. Es fehlt auch an einer Auseinandersetzung mit der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung des FA. Nach der Rechtsprechung des BFH gehört es jedoch zu den Voraussetzungen eines bestimmten Revisionsantrags, daß aus dem Gesamtvorbringen eindeutig hervorgeht, inwieweit der Kläger sich durch das angefochtene Urteil beschwert fühlt und inwieweit dessen Änderung oder Aufhebung begehrt wird (Urteil vom 11. November 1983 III R 25/77, BFHE 140, 289, BStBl II 1984, 187).

2. Die Revision ist auch nicht innerhalb einer dem Kläger eingeräumten verlängerten Frist begründet worden. Die Frist für die Revisionsbegründung kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag durch den Vorsitzenden des zuständigen Senats des BFH verlängert werden (§ 120 Abs. 1 Satz 2 FGO). Im Streitfall ist die Frist für die Revisionsbegründung auf rechtzeitig gestellten Antrag hin durch den Vorsitzenden des damals zuständigen VIII. Senats des BFH mehrfach, zuletzt bis zum 30. August 1985 verlängert worden. Die Revisionsbegründungsschrift ist beim BFH jedoch erst am 3. September 1985, also verspätet eingegangen.

3. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden. War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 Abs. 1 FGO). Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO). Der Kläger hat einen Antrag auf Wiedereinsetzung bereits vorsorglich in der Revisionsbegründungsschrift gestellt. Der Kläger hat es jedoch unterlassen, die Tatsachen zur Begründung des Antrags innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO vorzutragen. Nach der ständigen Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte kann zwar die Glaubhaftmachung der den Antrag begründenden Tatsachen noch während des Verfahrens erfolgen; die Tatsachen selbst müssen dagegen innerhalb der Antragsfrist mitgeteilt werden (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 24. Juli 1973 IV R 204/69, BFHE 110, 232, BStBl II 1973, 823, und vom 27. März 1985 II R 118/83, BFHE 144, 1,BStBl II 1985, 586; Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. September 1975 6 C 113/74, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1976, 180; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 1982 V ZR 233/81, Versicherungsrecht 1982, 803). Dazu bedarf es einer eingehenden Darstellung des Geschehensablaufs, der zur Fristversäumnis geführt hat (BFH-Beschluß vom 28. Januar 1986 VIII R 9/84, BFH/NV 1986, 417). Hierzu gehört insbesondere auch der Vortrag der Tatsachen, aus denen sich die rechtzeitige Aufgabe eines fristwahrenden Schriftsatzes zur Post ergibt (BFH-Beschluß vom 28. Februar 1985 VIII R 261/84, BFH/NV 1986, 30). Insbesondere ist darzulegen und glaubhaft zu machen, wann und von wem die Sendung zur Post gegeben wurde (Beschluß in BFH/NV 1986, 30, 31). Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat diese Tatsachen jedoch nicht vorgetragen, sondern lediglich behauptet, der Postlauf sei unzuverlässig. Dies reicht, wie dargelegt, zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags nicht aus. Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 1985, beim BFH eingegangen am 30. Dezember 1985, hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers vorgetragen, ausweislich des Absendevermerks auf der Aktenkopie sei der Schriftsatz ,,rechtzeitig eingesteckt" worden. Abgesehen davon, daß auch dieser Vortrag nicht die erforderliche genaue und konkrete Darlegung der zur Fristversäumnis führenden Tatsachen enthält, ist er schon deshalb unbeachtlich, weil er nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO erfolgt ist.

II. Revision der Revisionsklägerin

Die Revision der Revisionsklägerin ist unzulässig, weil die Revision gemäß § 115 Abs. 1 FGO nur den Verfahrensbeteiligten i. S. des § 57 FGO zusteht. Die Ehefrau des Klägers hat jedoch keine Klage erhoben, so daß das klageabweisende Urteil des FG auch nicht gegen sie, sondern nur gegen den Kläger ergangen ist. Die Ehefrau des Klägers ist auch nicht durch Beiladung Verfahrensbeteiligte geworden. Ein Fall notwendiger Beiladung i. S. des § 60 Abs. 3 FGO liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH bei zur Einkommensteuer zusammenveranlagten Ehegatten auch dann nicht vor, wenn beide Ehegatten Einkünfte erzielen, jedoch nur ein Ehegatte Klage erhoben hat (Urteil vom 8. Dezember 1976 I R 240/74, BFHE 121, 142, BStBl II 1977, 321; vgl. auch Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 60 Rz. 62, m. w. N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416046

BFH/NV 1990, 42

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