Entscheidungsstichwort (Thema)

Versäumung der Revisionsfrist nach Zulassung der Revision durch den BFH

 

Leitsatz (NV)

1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH erfordert der Beschluß des FG oder des BFH über die Zulassung der Revision keine Rechtsmittelbelehrung. Maßgebend ist die dem FG-Urteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung.

2. Wird trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung im FG-Urteil wegen Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorschriften die Frist für die Einlegung der Revision versäumt, ist dieses Versäumnis in der Regel nicht unverschuldet.

 

Normenkette

FGO § 55 Abs. 2, § 56 Abs. 1, § 115 Abs. 5 letzter Satz, § 120 Abs. 1 S. 1

 

Gründe

Die Revision ist unzulässig, da die Fristen für die Einlegung der Revision und für deren Begründung versäumt worden sind.

1. Gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision beim FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Wird die Zulassung auf Beschwerde durch den BFH ausgesprochen, beginnt der Lauf der Revisionsfrist mit der Zustellung der Beschwerdeentscheidung (§ 115 Abs. 5, letzter Satz FGO).

§ 55 Abs. 2 FGO greift im Streitfall nicht ein. Nach dieser Vorschrift ist die Einlegung eines Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe der Entscheidung zulässig, wenn eine Rechtsmittelbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert der Beschluß des BFH (oder des FG) über die Zulassung der Revision keine Rechtsmittelbelehrung (BFH-Beschluß vom 2. Januar 1968 VI R 140/67, BFHE 90, 395, BStBl II 1968, 121; BFH-Urteil vom 18. Juli 1989 VIII R 30/89, BFHE 158, 107, BStBl II 1989, 1020; BFH-Beschluß vom 16. Mai 1990 V R 12/90, BFH/NV 1991, 324). Maßgebend ist die dem FG-Urteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung. Diese weist im Streitfall richtig und vollständig auf den Inhalt der §§ 115 Abs. 5 und 120 Abs. 1 FGO hin.

Da der Beschluß über die Zulassung der Revision der Kläger am 31. Mai 1990 zugestellt worden ist, lief die Revisionsfrist bis zum 2. Juli 1990 und die Revisionsbegründungsfrist bis zum 2. August 1990. Die am 9. August 1990 beim FG eingegangene Revisions- und Revisionsbegründungsschrift war somit verspätet.

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Fristversäumung (§ 56 FGO) kann der Klägerin nicht gewährt werden. In den Fällen der Versäumung der Revisionsfrist nach Zulassung der Revision durch den BFH oder das FG ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH das Versäumnis nicht ohne Verschulden (z. B. BFH-Beschlüsse vom 10. August 1977 II R 89/77, BFHE 123, 14, BStBl II 1977, 769; vom 21. Juli 1986 IV R 31/86, BFH/NV 1988, 87), sofern - wie im Streitfall - die im FG-Urteil enthaltene Rechtsmittelbelehrung hinsichtlich des Beginns und der Dauer der Revisionseinlegungsfrist eindeutig ist. Für das Verschulden ist ohne Bedeutung, wenn im Begleitschreiben zur Zustellung des Zulassungsbeschlusses nicht noch einmal auf die Regelungen der §§ 120 Abs. 1 Satz 1, 115 Abs. 5 letzter Satz FGO hingewiesen worden ist (BFH-Beschluß vom 31. Januar 1975 VI R 215/74, NV). Denn die Rechtsmittelbelehrung im FG-Urteil ist maßgeblich und ausreichend.

Der Umstand, daß im Streitfall Angestellte des Prozeßbevollmächtigten in dessen Abwesenheit den Beschluß über die Zulassung ohne Eintragung in das Fristenbuch abgelegt haben, entlastet die Klägerin nicht. Es sind keine Anhaltspunkte vorgetragen oder sonstwie ersichtlich, die dieses Unterlassen als bloßes Büroversehen erscheinen lassen könnten. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die verantwortlichen Büroangestellten über die erforderlichen Maßnahmen nach Zustellung eines Zulassungsbeschlusses nicht ausreichend informiert waren. Dieser Organisationsmangel ist dem Prozeßbevollmächtigten zuzurechnen, für dessen Verschulden die Klägerin einzustehen hat (§ 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung).

3. Falls der Senat mit der vorstehend unter 1. und 2. vertretenen Rechtsauffassung von dem von der Klägerin angeführten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 21. Januar 1955 IV C 85.54 (Neue Juristische Wochenschrift 1955, 647) abweichen sollte, bedürfte es keiner Anrufung des Gemeinsamen Senats, weil das Urteil des BVerwG vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes ergangen ist (vgl. BFH-Beschluß vom 21. Februar 1990 IX R 215/87, BFH/NV 1991, 102, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG).

 

Fundstellen

BFH/NV 1991, 760

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge